Wertingen im Krieg

Auch die barocke Westfassade der Wertinger Stadtpfarrkirche (hier auf einer Postkarte aus den 1950er Jahren) ist eine Folge des Dreißigjähriges Kriegs. Die Kirche brannte 1646 fast völlig ab, das Langhaus daraufhin in barocker Form neu errichtet. | Foto: Stadtarchiv Wertingen
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  • Auch die barocke Westfassade der Wertinger Stadtpfarrkirche (hier auf einer Postkarte aus den 1950er Jahren) ist eine Folge des Dreißigjähriges Kriegs. Die Kirche brannte 1646 fast völlig ab, das Langhaus daraufhin in barocker Form neu errichtet.
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Eigentlich könnte man meinen, dass Wertingen in seiner Geschichte von Kriegen verschont geblieben ist. Die Kleinstadt hat keine strategische Bedeutung, liegt nicht an einem Verkehrsknotenpunkt und war nie ein bedeutender Gewerbe- und Industriestandort. Die Rückschau in die Wertinger Geschichte zeigt leider das Gegenteil: Immer wieder wurde die Zusamstadt belagert, geplündert und zerstört. Unzählige Einwohner kamen gewaltsam ums Leben.

„Wertingen wurde völlig verwüstet.“ – Mit diesen Worten beschreibt der Gottmannshofener Pfarrer in einer Chronik die Zerstörung Wertingens im Jahr 1388. Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen? Im 14. Jahrhundert kam es immer wieder zu machtpolitischen Konflikten zwischen den bayerischen Herzögen und der aufstrebenden Reichsstadt Augsburg. Wertingen geriet dabei in den Blick der Kriegsherren, denn dort herrschte die Augsburger Patrizierfamilie Langenmantel, so dass die Bayern die Zusamstadt als Augsburger Vorposten betrachteten.

So belagerten bayerische Truppen bereits 1372 im 1. Städtekrieg Wertingen und zogen erst ab, als der Stadtherr Hans Langenmantel und die Bürger die immense Summe von 2.100 Gulden bezahlten, um die Stadt vor der gewaltsamen Einnahme zu bewahren. 16 Jahre später hatten die Wertinger weniger Glück: Von Höchstädt kommend eroberten bayerische Truppen am 29. Juni 1388 Wertingen, plünderten in den Häusern und brannten die gesamte Stadt nieder. Doch es sollte noch schlimmer kommen: Kurze Zeit später rückten vom Lech kommend wieder bayerische Soldaten auf Wertingen zu, um die Stadt ein zweites Mal zu erobern und zu verwüsten.

Leider sollte dies in der Wertinger Stadtgeschichte kein einmaliger Vorgang bleiben. 1462 wurde der Stadt erneut übel mitgespielt. Im sog. Markgrafenkrieg standen sich wieder das Herzogtum Bayern und die Reichsstadt Augsburg feindlich gegenüber. Da die Langenmantel mit einer Belagerung Wertingens rechneten, ließen sie zur Verstärkung 200 Augsburger Söldner und sieben Karrenbüchsen (Kanonen) an die Zusam verlegen. Diese Besatzung war allerdings dem bayerischen Heer mit mehreren Tausend Soldaten hoffnungslos unterlegen. Da die Wertinger Stadtmauern einer längeren Belagerung mit Sicherheit nicht standgehalten hätten, einigten sich die kriegsführenden Parteien auf eine Übergabe der Stadt unter der Zusicherung, das Leben und Eigentum der Wertinger nicht anzurühren. Allerdings hielten sich die Bayern nicht an diese Vereinbarung, denn trotzdem drangen die Soldaten in die Stadt ein, plünderten sie und brannten alles nieder. Eine große Menge an Beute wurde weggeführt, 150 Gefangene wurden nach Rain am Lech gebracht. Dort wurden sie unter schlimmsten Bedingungen in einen Turm eingesperrt. Mehrere Wertinger starben in der Haft, die Überlebenden mussten für die hohe Summe von 700 Gulden freigekauft werden. Der Augsburger Chronist Burkard Zink notierte voller Mitleid in seiner Stadtchronik: „Dies ist eine elende Sache. Den Wertingern ist großes Unrecht geschehen.“

So schlimm das Jahr 1462 für die Wertinger Stadtgeschichte gewesen sein mag, waren die Auswirkungen des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) noch wesentlich katastrophaler. Zweimal wurde die Stadt weitgehend zerstört. So berichtet die Zunftordnung der Wertinger Schuhmacher davon, dass 1632 „schwedische Reiterei unversehens die Stadt feindselig überfallen und ausgeplündert“ habe. Den Tiefpunkt der Wertinger Geschichte markiert das Jahr 1646: Die Einwohner waren vor der heranrückenden Soldateska in den Wald geflüchtet und vegetierten dort unter erbärmlichsten Bedingungen mehrere Wochen voller Angst vor sich hin. Ihre Furcht war nicht unbegründet: Schwedische und französische Soldaten setzten den gesamten Ort in Brand, die meisten Wohnhäuser und die Stadtpfarrkirche wurden zerstört. Alois Gerblinger berichtet in seiner Stadtchronik (1910): „Kaum konnten die zurückkehrenden Flüchtlinge die Plätze ihrer Häuser finden, so war alles zusammengebrannt und verschüttet.“ Die gesamte Stadt war ein „rauchender Schutthaufen“.

Die Menschen litten in dieser Zeit nicht nur unter den direkten Kriegsauswirkungen. Genauso schlimm waren die ständigen Truppendurchzüge und Einquartierungen von Soldaten in private Wohnhäuser. Nach dem damals geltenden Motto „Der Krieg ernährt sich aus dem Land“ mussten die Wertinger über mehrere Jahre hinweg eine große Anzahl von Soldaten und deren Pferde mit Proviant versorgen. Lebensmittelknappheit, Teuerungen, Hungersnöte und Seuchen waren die Folge. Die Bevölkerungsverluste waren dramatisch: Nach Berechnungen von Historikern nahm die Einwohnerzahl in manchen Gegenden um die Hälfte oder gar zwei Drittel ab. Das Leid der Menschen muss unvorstellbar gewesen sein.

Leider war dies nicht das letzte Mal, dass Wertingen unter einem Krieg zu leiden hatte. Die Wertinger „Kriegsgeschichte“ ist so umfangreich, dass hierfür ein Zeitungsartikel nicht ausreicht. In einem zweiten Teil werden die Geschehnisse von 1805 (Gefecht von Wertingen) sowie die Folgen des 1. und 2. Weltkriegs geschildert. Text: Stadt Wertingen

Auch die barocke Westfassade der Wertinger Stadtpfarrkirche (hier auf einer Postkarte aus den 1950er Jahren) ist eine Folge des Dreißigjähriges Kriegs. Die Kirche brannte 1646 fast völlig ab, das Langhaus daraufhin in barocker Form neu errichtet. | Foto: Stadtarchiv Wertingen
Die Spuren des Dreißigjährigen Kriegs sind heute im Stadtbild natürlich längst beseitigt. Man könnte es aber auch anders sehen: Wertingen ist eine Stadt, die bis heute von der Kriegszerstörung gezeichnet ist. Fast alle Gebäude in der Innenstadt stammen aus der Zeit nach 1648, ältere Häuser gibt es kaum. Ein Beispiel ist das sog. Weldishofer-Haus am Kalteck, das 1683 errichtet wurde. | Foto: Jürgen Fiedler, 1998
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Nina Grimmeiß aus Augsburg

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