Wolfgang Obst: "Gelebte Ökumene in Hänigsen ist möglich"

Wolfgang Obst | Foto: Wolfgang Obst
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Wolfgang Obst ist seit November 2010 als stellvertretender Vorsitzender im Pfarrgemeinderat St.-Nikolaus Burgdorf mit den Kirchorten St. Matthias Uetze und St. Barbara Hänigsen tätig und auch im Kirchenvorstand. Im Interview spricht er über die Hänigser St.-Barbara-Kirche.

Herr Obst, was haben Sie sich für Ihre Amtszeit auf die Fahnen geschrieben?

Zu allererst steht bei mir Hänigsen und die dortige weitere pastorale Begleitung auf der Agenda. Ich will, dass die Menschen auch weiterhin einen Ort vor Ort haben, wo sie ihren Glauben ausüben, wo sie mit Christus eins seien können. Das heißt für mich, dass in Hänigsen weiterhin, wie auch immer geartete Gottesdienste stattfinden müssen.
Ein weiteres Anliegen ist mir, die Gottesdienste lebendiger zu gestalten. Wir müssen erreichen, dass die Gläubigen nach einem Sonntagsgottesdienst fröhlich und gut gelaunt aus der Kirche gehen, dass sie gestärkt in Gott ihren Weg in die neue Woche finden. Ich habe viele Gottesdienste in Deutschland und in der Schweiz erlebt, aus denen ich mit innerer Kraft und Freude gegangen bin.
Und einen weiteren Punkt will noch nennen, der mir ganz besonders am Herzen liegt: die Ökumene. Wir alle, evangelische und katholische Christen, glauben an den einen Gott, an Jesus Christus. In diesem Glauben sind wir vereint. Und in diesem Glauben will ich die eine christliche Kirche.
Viele Christen, ich auch, wünschen sich das gemeinsame Abendmahl. Warum sich Rom mit Händen und Füßen dagegen wehrt, kann ich nicht nachvollziehen. Jesus hat einmal gesagt „Wenn zwei oder drei in meinem Namen vereint sind, dann bin ich mitten unter ihnen“. Wenn dieser Satz Bedeutung haben soll, warum dann nicht bezogen auch auf das gemeinsame Abendmahl?
Aus meiner christlichen Überzeugung im Glauben an Jesus Christus gehe ich sowohl zu Kommunion als auch zum Abendmahl. Und viele andere tun es ebenso und das ist auch gut so.
In Burgdorf und in vielen anderen Orten wird diese Einheit schon auf vielen Gebieten umgesetzt. Sei es in der Jugendarbeit, in der Altenbetreuung, in der Tageswohnung oder aber im Benefizz-Laden, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Lassen sie mich aber auch noch eines sagen: Die Problematik der Kirchenschließungen hat nicht nur die katholische Kirche. Auch in der evangelischen Kirche werden Gotteshäuser geschlossen. Für mich heißt das, dass mittelfristig in unseren Dörfern, ja vielleicht sogar in kleineren Städten, es nur noch eine Kirche als Gebäude geben wird.
Und in dieser einen Kirche, egal welcher christlichen Konfession, es sowohl evangelische, als auch katholische Gottesdienste geben wird, bis die Einheit der Christen, dann vielleicht sogar unter dem besonderen Druck aus Deutschland her kommend, vollzogen ist.

Was zeichnet den Pfarrgemeinderat aus? Gibt es auch etwas, dass besser sein könnte?

Die katholische St. Nikolausgemeinde mit ihren derzeitigen Kirchenstandorten Burgdorf, Hänigsen und Uetze zeichnet sich durch einen sehr regen Pfarrgemeinderat, dem Laiengremium der katholischen Kirche und einem ebenso aktiven Kirchenvorstand aus. In beiden Gremien sind Gemeindemitglieder tätig, die mit großem Engagement und auf vielen Gebieten sich mit neuen Ideen und Gedanken für eine wirklich lebendige Kirche einbringen.
Für die vergangenen zwölf Monate kann ich für mich feststellen: Es ist eine hervorragende Zusammenarbeit. Dieses umzusetzen, daran arbeiten wir derzeit. Unser aller Ziel ist es, die pastorale Arbeit voranzubringen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: damit ist nicht eine Missionierung hin zur katholischen Kirche gemeint. Nein, das nun absolut nicht! Und jeder der mich kennt weiß das auch. Was ich damit meine ist, Kirche muss für die Menschen da sein und nicht umgekehrt. So wie Christus auf die Menschen zugegangen ist, so muss auch Kirche auf die Menschen zugehen. Kirche kann nicht erwarten, dass die Menschen zu ihr kommen.
Dieses geschieht vielleicht noch bei Papstbesuchen oder auf Kirchentagen. Wenn diese Events aber vorbei sind, was dann. Dann bleiben sich die Menschen wieder allein überlassen. Und hier gilt es anzusetzen. Es gibt heute unzählig viele Bereiche, die angepackt werden müssen.
Ich will hier nur einige Beispiele nennen, die mir besonders am Herzen liegen: Die Gestaltung lebendiger Gottesdienste, die Betreuung von Kleinkindern und Hilfestellungen gegenüber jungen Eltern bzw. Familien, die Vermittlung einer Wertegemeinschaft, die Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeit, die schon Jesus angeprangert hat, und die in der katholischen Soziallehre ihre Fortsetzung erfahren hat, die Begleitung der Menschen in ihrem Glauben an Gott usw., ja und nicht zu vergessen der demographische Faktor.
Sie sehen also es gibt eine Vielzahl an Feldern, in denen die St. Nikolausgemeinde sich aktiv als Kirche einbringen kann, und ich sage auch muss. Und auf all diesen Feldern will und muss der Pfarrgemeinderat aktiv sein. Daher sind neue Wege notwendig.
Ich erhoffe mir, dass der Pfarrgemeinderat in dieser Hinsicht nicht nur unterstützt, sondern auch zu Veränderungen motiviert wird. Auch, wenn man dabei über den eigenen Schatten springen muss. Nach dem Motto zu verfahren: Das war so, das ist so, das bleibt so oder das will ich nicht, macht eine Kirche nicht lebendig.

Und was zeichnet die katholische Gemeinde Burgdorf/Uetze/Hänigsen aus?

Das sind natürlich die vielen Gruppierungen, die in der Gemeinde tätig sind, wie z. B. die Kolpingsfamilie, das Nikolausfrühstück, die Frauengemeinschaft, die Familienkreise, die ökumenische Chorgemeinschaft und die Jugendband, um nur einige zu nennen.
Oder nehmen sie einfach nur einmal die alljährlich stattfindende Karnevalsveranstaltung. Denn auch das gehört zur Nikolausgemeinde, zu feiern. Hinzu kommt die Partnerschaft mit der St.-Norbert-Gemeinde in Calbe an der Saale und der St.-Marien-Gemeinde in Schönebeck an der Elbe, die seit 20 Jahren besteht und mit der regelmäßige Zusammenkünfte stattfinden. Ich war gerade am vergangenen Sonntag wieder in Schönebeck, um als Nikolaus zusammen mit Wolfgang Buckmann die Jungen und Mädchen unserer Partnergemeinde mit kleinen Überraschungen zu erfreuen.
Oder nehmen sie die seit mehr als zehn Jahren bestehende Verbindung der Kolpingsfamilie zu Sebes (vormals Mühlbach) in Rumänien. Viele Dinge geschehen im Verborgenen und sind nicht groß bekannt. Ich betrachte es daher auch als meine Aufgabe, als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit im Pfarrgemeinderat, dieses alles den Menschen näher zu bringen, und auf die vielfältigen Angebote der Nikolausgemeinde aufmerksam zu machen.

In diesem Jahr gab es ein Jubiläum: Vor 50 Jahren wurde die St.-Barbara-Kirche in Hänigsen geweiht. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Meine Erinnerungen an Hänigsen gehen weit über das 50-jährige Bestehen der St.-Barbara-Kirche hinaus. In Hänigsen hat meine Tante Trude nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Heimat gefunden. Sie war verheiratet mit Gustav Ölmann. Gustav Ölmann, der nach dem Tod seiner Frau meine Tante geheiratet hatte, war ein alteingesessener, nur plattsprechender Hänigser. Bei ihnen verbrachte ich sehr oft meine Ferien. Aus dieser Zeit könnte ich sehr viel erzählen. Daher habe ich zu Hänigsen eine besondere Beziehung. Zurückkommend aber auf die Weihe der St.-Barbara-Kirche, ja ich war als Messdiener der St. Nikolaus Gemeinde Burgdorf dabei, als Bischof Heinrich Maria Janssen diese Kirche weihte. Und daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.

Wie haben Sie diesen Anlass gefeiert?

Meine Frau und ich haben dieses Jubiläum mit einem Festgottesdienst und dem anschließenden Sommerfest rund um die St. Barbara Kirche mit unseren Verwandten Gertrud und Franz Schombera und vielen Bekannten gefeiert. Es war ein wunderschöner Tag, an dem auch viele Erinnerungen ausgetauscht wurden. Für mich war es zudem ein ganz besonderer Tag. Aus Anlass des Jubiläums durfte ich im Namen des Pfarrgemeinderates das Grußwort der St. Nikolausgemeinde überbringen. Ein ganz besonderer Moment, da ich, wie schon erwähnt, im November 1961 der Weihe der Kirche als Messdiener der damaligen St. Nikolausgemeinde Burgdorf unter Pfarrer Bernward Breitenbach beiwohnen durfte. Sie dürfen mir glauben, dass es mir schwer gefallen ist, auch auf die Profanierung der St. Barbara Kirche in diesem Grußwort eingehen zu müssen.

Wie und warum kam es damals eigentlich zum Bau der St.-Barbara-Kirche? Wenn Sie einem Nicht-Hänigser erklären würden, was das Besondere an dem Gebäude „St.-Barbara-Kirche“ ist: Was würden Sie ihm sagen?

Ich will Ihre beiden Fragen hier einmal zusammenfassend beantworten. Auch in Hänigsen haben nach dem Zweiten Weltkrieg viele Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten, insbesondere aus Schlesien, eine neue Heimat gefunden. Die Anzahl der katholischen Christen stieg, wie überall in Niedersachsen. In Hänigsen fanden in diesen Nachkriegsjahren die Gottesdienste in der evangelischen St.-Petri statt. Sie sehen also, es ist absolut nichts neues, dass Gottesdienste auch in Kirchen der jeweils anderen Konfession stattgefunden haben.
Im Übrigen auch in Burgdorf nach den Bombenangriffen auf die Stadt im Februar 1945. Seelsorgerisch betreut wurde Hänigsen bis zum 31. Dezember 1957 von Burgdorf aus. Ab dem 1. Januar 1958 dann von Uetze. Da die Anzahl der Katholiken stieg und viele einen eigenen Ort, eine eigene Kirche vermissten, an dem sie ihren christlichen Glauben ausüben konnten, so wie in der alten Heimat, wurde der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus immer lauter. Hänigsen zählte mit den umliegenden Ortschaften 1961 ca. 420 katholische Christen. Und so kam es dann zum Bau der St. Barbarakirche, die am 25. November 1961, geweiht wurde.
Wenn Sie nun fragen, was das besondere an dieser Kirche ist, dann ist es sicherlich nicht der Baustil. Das besondere an dieser Kirche ist, dass sie durch großes Engagement der Hänigser selbst entstanden ist. Durch ihren Willen ein eigenes Gotteshaus zu schaffen. Dazu haben viele beigetragen. Ich will hier stellvertretend für viele nur die Familie Köttermann nennen, die das Grundstück zur Verfügung gestellt hat. Eine Vielzahl anderer, die mir namentlich nicht bekannt sind, denen wir aber zu danken haben, das diese Kirche aus Stein gemauert entstanden ist, haben an diesem Bau mitgewirkt.

Die Profanierung der St.-Barbara-Kirche ist beschlossene Sache. Hat diese Tatsache die Stimmung bei den Jubiläumsfeierlichkeiten beeinflusst?

Nun ja, die Stimmung beim Sommerfest war schon gut. Natürlich drehten sich die Gespräche auch um die Profanierung. Natürlich tut es auch weh, wenn man 50 Jahre sonntäglich zum Gottesdienst gegangen ist, hier getauft wurde, zur Erstkommunion gegangen ist, vor Gott und den Menschen sich das Jawort fürs Leben gegeben hat oder Abschied nehmen musste von einem lieben Vertrauten, aber auch die eine oder andere fröhliche Zusammenkunft besucht hat und nun die Schließung vor Augen hat. Dieses alles aber konnte die fröhliche Stimmung nicht trüben.

Regelmäßig finden auch Gottesdienste in der St.-Barbara-Kirche statt. Wenn die Kirche profaniert ist: Wo können die Hänigser danach den Gottesdienst besuchen?

Mit dieser Frage hat sich der Pfarrgemeinderat sehr intensiv beschäftigt. Aber nicht nur mit dieser. Es ist auch die Frage zu beantworten, was geschieht mit den Gruppierungen, die bislang regelmäßig tätig waren? Welche Möglichkeiten haben sie künftig in Hänigsen ihren Zusammenkünften nachzukommen?
Was auf keinen Fall geschehen darf, ist, dass alles nun nach Burgdorf verschoben wird. Nein, wir wollen und wir werden dafür Sorge tragen, dass diese Gruppierungen auch künftig in Hänigsen aktiv sein können.
Und ich persönlich will, dass es weiterhin Gottesdienste in Hänigsen gibt, wie auch immer geartet. Nicht jeden Sonntag, aber doch hin und wieder. Denken Sie nur einmal an diejenigen, die nicht mehr so mobil sind um den Weg nach Uetze oder Burgdorf zu finden. Dazu stehen in naher Zukunft zwischen Pfarrer Kowalski und der evangelischen St.-Petri-Gemeinde Gespräche an. Ich weiß, aus eigenen Gesprächen mit Pastor Hallbrügge und Teilen des Kirchenvorstands, dass man unserem Wunsch, bezüglich der räumlichen Nutzung, sehr aufgeschlossen gegenüber steht. Und dafür ist der Pfarrgemeinderat heute schon dankbar. Das ist gelebte Ökumene.

Wie wird die St.-Barbara-Kirche nach der Profanierung genutzt?

Diese Frage ist derzeit noch gar nicht beantwortbar. Die Ausschreibung über die Veräußerung der Kirche ist erfolgt. Bezüglich einer Nachnutzung gibt es bestimmte Voraussetzung, die eingehalten werden müssen, ohne diese erfolgt kein Verkauf. Warten wir also einmal ab, wer Interesse an diesem Gebäude und dem Grundstück hat. Im schlimmsten Fall wird die St.-Barbara-Kirche abgerissen. Der gesamte Bereich eignet sich dann, wenn es denn so kommt, als hervorragendes kleines Baugebiet. Aber all dieses steht noch in den Sternen.

Wolfgang Obst | Foto: Wolfgang Obst
Wolfgang Obst als Nikolaus bei den Kindern in Schönebeck. | Foto: Wolfgang Obst
myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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