Keine Feste, keine Begegnungen – mir fehlen die Umarmungen!

Die Thierhauptener Festwoche ist gerade bei der Jugend beliebt, die im Ferienmonat August zu Hause Ab-wechslung und Partystimmung suchen.
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Unser Leben mit Corona Das Covid-19-Virus verhindert in diesem Jahr wohl sämtliche Feste im Lande. Warum dies besonders in Thierhaupten „beklagt“ wird

Von Claus Braun

Thierhaupten. Bis Ende August wird es in Deutschland keine Großveranstaltung geben, so haben Bund und Länder in der vergangenen Woche beschlossen. Erwartungsgemäß wurde mit dem Münchner Oktoberfest nun am Dienstag, 21. April, auch das größte Volksfest der Welt abgesagt. Die durch die Pandemie abgesagten Festlichkeiten treffen auch und besonders Thierhaupten, wo bekanntlich sehr gerne, oft und ausgiebig groß gefeiert wird.

Wer kennt sie nicht, die weit über die Ortsgrenzen des gut 3.000 einwohnerstarken Dorfes hinaus wirkenden Veranstaltungen und Feste in der nördlichen Landkreisgemeinde: das Gartenfest des Musikvereins mit Peter und Paul-Markt, das Klosterhoffest mit gut 80 teilnehmenden Ausstellern und bunten Kunsthandwerkerhof oder die mehrtägige Festwoche, die seit dem Jahr 1967 bislang ohne Unterbrechung durchgeführt wurde, jedes Jahr traditionell im Monat August gefühlt immer größer gefeiert wurde?

Von der Absage der Feste ist auf dem ersten Blick der Musikverein am meisten betroffen, der im Jahre 1863 aus der Taufe gehoben wurde! Zuerst wurde das Osterkonzert gecancelt, dann das Gartenfest, welches für den 28. Juni vorgesehen wurde, und nun durch die Entscheidung der Politik auch die Festwoche, die in diesem Jahr verantwortlich von den Musikantinnen und Musikanten organisiert und durchgeführt worden wäre. Die Vorbereitungen für die 54. Festwoche, die vom 11. – 16. August terminiert war, begannen längst, als das Fest im vergangenen Jahr noch gar nicht beendet war. Es wurde unter der Vorsitzenden und der designierten Festleiterin Manuela Mair ein Festausschuss gegründet, Planungen entworfen und traditionell auch erste Verträge mit Musikbands ge-schlossen! Alles hinfällig und die ganze Arbeit und die Vorleistungen umsonst! Das gute an der Absage ist, dass diese der Verein nicht selbst treffen musste, sondern die Politik dies verantwortungsbewusst vordiktierte! Die Verantwortlichen des Vereins halten sich demnach auch bedeckt und wollen sich hierzu nach Beschlusslage der Verantwortlichen auch nicht groß äußern!

Dies wird von Bürgermeister Anton Brugger erwartet, der sich schon auf seine neuerliche Schirmherrschaft gefreut hat! Zur Absage sagt das kürzlich wiedergewählte Gemeindeoberhaupt, dass es in diesen Tagen jeder nachvollziehen kann, dass diese Art der Großveranstaltung zum Schutz der Menschen nicht stattfinden kann und dies für alle in der Region um Thierhaupten doch sehr bedauerlich sei. „Die Festwoche ist für viele das Urlaubsereignis eines jeden Sommers schlechthin“, weiß er von seinen zahlreichen Begegnungen auf dem Fest zu berichten.

Besonders bitter trifft ein Jahr ohne Festwoche die jungen Menschen, die gerade beim Auftritt der Showbands schon viele Stunden zuvor auf dem Gelände anzutreffen sind um die besten Plätze direkt vor der Bühne zu reservieren. Dazu gehört auch Martin Gürtner, der der 3. Vorsitzende des Jugendtreff e. V. Thierhaupten ist und bei den Kom-munalwahlen am 15. März als jüngster Marktgemeinderat gewählt wurde. Wie wichtig dem 20jährigen frischgebackenen Mandatsträger die Festwoche ist, zeigte sich in einem Wahlflyer vom vergangenen Wahlkampf mit dem Slogan seiner Gruppierung: „Wir JUNGE FREIE WÄHLER gehören in den Marktgemeinderat, wie die Festwoche zu Thierhaupten!“ Zum inhaltlichen Beitrag dieses Artikels startete er sogar eine WhatsApp-Umfrage unter Jugendlichen aus Thierhaupten, Neukirchen und Ötz mit dem fast einhelligen Fazit, dass der Ausfall ein großer Verlust ist, da das Fest die Ortsgemeinschaft prägt, wie keine andere Veranstaltung. Hier werden Geschichten „geschrieben“, ob beim Aufbau, bei den vielen Arbeitsdiensten der rund 500 Ehrenamtlichen oder bei der Nachtwache, die laut Gürtner noch lange danach erzählt werden. Dennoch bleibt der einhellige Tenor: „Die Entscheidung war richtig!“

Auf ganz viele Feste muss Christine „Dine“ Kienberger heuer verzichten! Die in Thierhaupten lebende Frontsängerin der „Joe Williams Band“ ist wegen der landesweiten Absagen tief deprimiert! „Die Feste werden uns Menschen fehlen, da diese uns so vielseitig verbinden und viele Menschen sich nur einmal im Jahr immer nur dort getroffen haben“, sagt sie. In normalen Jahren rockt sie zusammen mit ihren Musikerkollegen die Bierzelte landesweit, doch nun fehlen ihr besonders die vielen Umarmungen mit Freunden und begeisternd mitfeiernden Fans. Auch denkt sie in diesen Tagen an ihre Bandmitglieder, die als Berufsmusiker und Techniker auf einen Schlag „null“ Einkommen haben. „Da bin ich froh, dass ich meinem Beruf als Finanzbeamtin trotz mehrmaliger Abwanderungsgedanken treu geblieben bin“, kommt es ihr nachdenklich in den Sinn. Ihre zusätzliche Zeit verbringt sie nun mit viel Sport, WhatsApp-Schreiben mit ihren Bandmitgliedern zur Kontaktpflege und damit, dass sie sich selbst das Gitarre spielen beibringen möchte. „Ich entdecke neue Seiten an mir“, kann sie der Situation auch Gutes abgewinnen.

Leidtragende der Absage der traditionsreichen Festwoche ist auch Katja Werner, die 1. Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins. Ihr Verein ist auserkoren, die Festwoche im kommenden Jahr auszurichten. „Wir hätten uns gerne vom Musikverein Vieles abschauen mögen“, findet sie es nun als Nachteil, dass heuer kein „Anschauungsunterricht“ gewährt oder über die Schultern der vielen Helfer geschaut werden kann. Ob es dann bei der vorgesehenen Ausrichtung tatsächlich bleibt, kann Katja Werner noch nicht mit Sicherheit sagen. „Wir müssen uns erst in der ARGE besprechen“, weißt sie auf das entscheidende Gremium hin, in der alle Ortsvereine organisiert sind, die die Festwoche im jährlich wechselnden Rhythmus verantwortlich organisieren.

Die rührigen Gartler trifft heuer auch die Absage ihres „Highlights“, dem Klosterhoffest. Ununterbrochen seit 1984 wird das Fest im Klosterinnenhof immer am zweiten Sonntag im Juli durchgeführt, doch auf die 37. Auflage müssen die Tausende Besucher heuer verzichten - damit auch auf den berühmten Schwenkbraten vom Buchenholzgrill, den vegetarischen „Gartlerspieß“, dem riesigen Kuchen- und Tortenbuffet und den oft filigran gestalteten Kunstwerken der über 80 Aussteller. Ganz abschreiben will Katja Werner dieses Jahr jedoch noch nicht: „Wir hoffen noch auf eine ertragreiche Mosterei-Saison ab Ende August, wo noch viel Arbeit auf die Mitglieder und Helfer zukommen kann.

Ein Vorgänger im Amt des OGV-Vorsitzenden von Katja Werner war Otto Oehler, ein Mann, aus der Gründerzeit der Festwoche und „Erfinder“ der Blumenumzüge. Der fast 93jährige meint, dass die Absage „schon auszuhalten sei“ und wir ein Jahr ohne Feste „überstehen“ werden. Der betagte Senior genießt seinen Lebensabend auf seiner Gar-tenterrasse und ist zufrieden. Aber natürlich hätte er sich auch heuer wieder auf den Festplatz fahren lassen, um das ganz besondere Flair der Thierhauptener Festwoche ge-nießen zu können. Daran lässt Oehler keinen Zweifel, auch daran nicht, dass die Festwoche auch in der Zukunft Bestand haben wird.
 
Info:
Auch der Gesangverein „Harmonie“ Thierhaupten beklagt die Absage eines Festes: am 20. und 21. Juni hätte der Verein mit einem großen Fest seinen 100. Geburtstag gefeiert. Im kommenden Jahr soll dieses Jubelfest nachgeholt werden.

Bürgerreporter:in:

Claus Braun aus Thierhaupten

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