Jakobspilgerweg im Alten Land

Priester Hendrik aus Jacobswoude in Holland bei der Kirche St. Martini et Nicolai in Steinkirchen
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  • Priester Hendrik aus Jacobswoude in Holland bei der Kirche St. Martini et Nicolai in Steinkirchen
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Ausgangspunkt Willkommhöft in Schulau: Unweit davon ist die Anlegestelle der Lühe - Schulau Fähre. Mit ihr überquert der Jakobspilger die Elbe und erreicht am anderen Ufer die zum Hafen ausgebaute Mündung der Lühe. Er hat seit Jahrhunderten eingedeichtes Marschenland erreicht. Die Elbmarschen im nördlichen Niedersachsen werden Altes Land genannt. Der Name leitet sich nicht von ‚alt‘ ab. Altes Land heißt auf Plattdeutsch Olland. Der Name geht auf die Kolonisierung durch holländische Kolonisten im 12. Jahrhundert zurück, die der Erzbischof von Bremen ins Land rief, um es einzudeichen und zu bebauen. Er verlieh den Ansiedlern viele Rechte und Freiheiten sowie eigene Gerichtsbarkeit. Als Begründer oder Inspirator der niederländischen Kolonisation gilt der Priester Hendrick aus Jacobswoude, dem 2001 ein Denkmal vor der Kirche St. Martini-et-Nicolai-Kirche in Steinkirchen errichtet wurde. Nicht allein die Elbe wurde eingedeicht, sondern auch die Nebenflüsse Este und Lühe, die das Alte Land durchfließen.

Heute ist das Alte Land das größte Obstanbaugebiet Nordeuropas. 90 Prozent der Obstbäume sind Apfelbäume. Besonders beeindruckend ist das Wandern durch diese Obstbaumlandschaft während der Apfelbaumblüte.

Wer noch die Stadt Stade mit ihrem alten Hafen, dem Schwedenspeicher und den beiden gotischen Hallenkirchen St. Wilhadi und St. Cosmae et Damiani und den Resten des ehemaligen Johannisklosters kennenlernen will, kann einen Umweg von 12 km entlang der Elbe auf dem Elbdeich machen und trifft dann in Stade bereits auf die Via Jutlandica, die von Itzehoe - Glückstadt kommt und von dort weiter nach Harsefeld führt. Die Wegeforschung zum mittelalterlichen Wegenetz hat ermittelt, dass Stade, die Stadt an der Schwinge, im frühen und hohen Mittelalter ein bedeutendes Verkehrszentrum im Nordwesten Deutschlands war. In der Weltchronik des Stader Abtes Albert vom einstigen dortigen Benediktinerkloster (gest. 1264) findet sich ein Itenerar, nach der er Stade als Ausgangspunkt seiner Pilgerreise nach Rom und ins Heilige Land wählte. Weitere mittelalterliche Dokumente lassen begründet annehmen, dass Stade auch ein wichtiges Pilgerzentrum für die Jakobspilger aus dem Norden war, die in Itzehoe das Schiff bestiegen, die Stör hinabfuhren, die Niederelbe überquerten und die Schwinge bis Stade hinauffuhren. Andere Pilger sind über die Trichtermündung der Elbe bis Stade mit dem Schiff gekommen. Erst mit dem Versanden der Schwinge verlor Stade sein Gewicht als Hafenstadt.

Der heutige direktere Pilgerweg verläuft jedoch auf dem westlichen Lühedeich, den der Pilger nach der Überquerung der Straße am Elbdeich betritt. Bald erreicht er die Lüheschleife „Hessbögel“ (von Hesse = Knie und Bögel = Bug, Beuge abgeleitet). Bis Ende des 17. Jahrhunderts bildete die Lühe die Landesgrenze zwischen dem Erzbistum Bremen und dem Bistum Verden/ Aller. Die Lühe ist schiffbar bis Horneburg. In früheren Jahrhunderten wurden Ziegel- und Feldsteine, Getreide, Kartoffeln, Bier und Eichenkrummholz für den Schiffbau umgeschlagen. An der Lühe gab es Werften. Heute dient die Lühe überwiegend den Sportbooten.

Der Pilger bleibt auf dem Weg durch Marschhufendörfer bis Horneburg weithin auf den Lühedeichen, so auch auf der ersten Teiletappe bis Steinkirchen. Kurz vor seinem Hafen erblickt er die Kippbrücke „Hogendiekbrück“, die in ihrem Stil an ähnliche Brücken in Holland erinnert. Am Kirchenstieg empfiehlt sich ein Abstecher von etwa 80 m zur Kirche St. Martini et Nicolai, deren kupferner barocker Helm schon von weitem sichtbar ist. Sie birgt in ihrem Innern eine kostbare von Arp Schnitger 1685 bis 1687 geschaffene Orgel. Weitere Arp-Schnitger-Orgeln sind in Hollern (1688–1690) und Grasberg (1693–94) sowie Dedesdorf (1697–98) gut erhalten.

Dem Kunstliebhaber sei zuvor schon vom Elbdeich aus eine Abzweigung in das benachbarte Grünendeich empfohlen. Dort lohnt der Besuch der Marienkirche aus Fachwerk und mit einem separat stehenden hölzernen Glockenturm, wie er für diese Landschaft typisch ist. Von besonderem Reiz sind der reich geschnitzte Altar sowie die Kanzel und Taufe aus den Jahren 1616 bis 1618. Grünendeich ist im Unterschied zu den meisten Marschhufendörfern eine alte sächsische Siedlung, die früher Obertwielenfleth hieß. Sachsen aus der benachbarten Geest sind offenbar früh zu den holländischen Kolonisten dazugestoßen.

Der unmittelbare Pilgerweg führt vom Alten Marktplatz in Steinkirchen auf dem Lühedeich über Guderhandviertel (Deich oberhalb der Straße „Bergfried“, die nach einem ehemaligen kleinen adligen Gericht benannt ist) nach Mittelnkirchen, das ursprünglich Media Lu hieß (Lu = Lühe). Am Weg kann man viele Obstbauernhäuser mit prächtigem weißem Fachwerk bestaunen. Die dem heligen Bartolomäus geweihte Kirche (1322 erstmals erwähnt) in Mittelnkirchen liegt jedoch nicht direkt am Pilgerweg. Ihr Besuch erfordert einen Abstecher von etwa 250 m. Dazu ist die Straßenbrücke über die Lühe zu nutzen. Anschließend sollte der Kirchenbesucher zu dieser Brücke zurückkehren, um die große Lüheschleife zu meiden. Die Pilgermuscheln weisen den Weg über die Neßstraße, an deren asphaltierten Ende der Weg auf dem Deich fortgesetzt werden kann. Rechter Hand verdienen mehrere reetgedeckte Fachwerkhäuser mit kunstvoll gestalteten Backsteingiebeln und Buntmauerwerk Aufmerksamkeit. Einige unter Denkmalschutz stehende Häuser weisen Hochzeitstüren auf, die nur nach der Hochzeit durchschritten wurden und dann wieder, wenn der Sarg hinausgetragen wurde. Vor Beginn der Straße „Neuhof“ muss die Straßenbrücke über die Lühe genommen werden. Wir kommen nach Neuenkirchen, wo auf der linken Seite die Kirche inmitten eines Friedhofs liegt. Durch die Fortsetzung des Weges auf dem „Umdeich“ können wir das Pilgern auf der Straße vermeiden. Diese wird dann auf der Höhe der Altländer Straße unvermeidbar erreicht. Dieser verkehrsreichen Straße müssen wir bis zum Marschdamm und der Langen Straße folgen. Dort haben wir das Zentrum des Fleckens Horneburg mit der Liebfrauenkirche und dem Rathaus erreicht.

Bürgerreporter:in:

Manfred Hermanns aus Hamburg

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