Stadtallendorf: Von der Eiszeit zum 50. Hessentag – Das Landschaftszelt bei "Natur auf der Spur"

Hessentagsbesucher auf dem Weg zum Landschaftszelt im Heinz-Lang-Park (30.05.2010)
68Bilder
  • Hessentagsbesucher auf dem Weg zum Landschaftszelt im Heinz-Lang-Park (30.05.2010)
  • hochgeladen von Leif-Erik Zaschke

Die Sonderaustellung "Der Natur auf der Spur" ist ein fester Bestandteil jedes Hessentages und zählt zu den Höhepunkten des Landesfestes.
Bei dem Jubiläums-Hessentag vom 28.05. bis zum 06.06.2010 in Stadtallendorf haben rund 250.000 Menschen die Sonderschau besucht und waren von den Ausstellungsobjekten, den Vorführungen und den gebotenen Informationen durchweg begeistert.
Im Heinz-Lang-Park war ein großes Landschaftszelt aufgebaut, das von einem Bauernmarkt mit Hütten und Tiergehegen umgeben war. In dem Zelt befand sich eine detailreich gestaltete Miniatur-Landschaft (Diorama), in der die Eigenheiten von Natur und Landschaft der Hessentagsstadt Stadtallendorf präsentiert wurden. Die überwiegend kindgerecht gestalteten Präsentationen sollten die Besucher anregen, Natur und Landschaft vor ihrer Haustür näher kennen zu lernen. Zahlreiche Schulklassen aus Stadtallendorf und den umgebenden Orten haben die Gelegenheit genutzt, diesen ungewöhnlichen Lernort zu besuchen und an Führungen durch die Ausstellung teilzunehmen.

Aufwendiger Landschaftsbau
Das Landschaftszelt in Stadtallendorf hatte eine Grundfläche von 1.300 Quadratmetern und gehörte zu den aufwendigsten Installationen des Landesfestes. Aufbau und die Gestaltung des Dioramas, des umliegenden Hüttendorfes und der Tiergehege haben fast sechs Wochen in Anspruch genommen. Holzbauteile, Erde, Natursteine, Pflanzenteile und lebende Pflanzen wurden z.T. in aufwendiger Handarbeit bewegt. Die Planungen für die Konzeption des Landschaftszeltes und der Sonderschau haben mehrere Monate in Anspruch genommen. Am 28.05.2010 wurde die Sonderschau durch die damalige Staatsministerin Silke Lautenschläger eröffnet.

Zeitreise: Von der Eiszeit zum 50. Hessentag
Den Besuchern des Hessentags in Stadtallendorf wurde unter dem Motto „Von der Eiszeit zum 50.Hessentag“ eine Zeitreise durch die Landschaftsgeschichte angeboten. Im Landschaftszelt wurde die reiche Kulturgeschichte des Stadtallendorfer Umlandes sowie die Veränderung der Landschaft durch Klimaänderungen und den Einfluss des Menschen präsentiert.
Ein besonderer Blickfang war das Schweinsberger Moor vor 10.000 Jahren. Das damalige Hochmoor mit Torfmoosen, Wollgras und Sonnentau ist von einer kaltzeitlichen Steppenlandschaft umgebeben. Eine im Moor versinkende Schaufensterpuppe wies auf die Gefahren im Moor und auf einen tragischen Unglücksfall im 17. Jahrhundert hin, bei dem ein Kuhhirte im Schweinsberger Moor ertrank.
In der Kältesteppe waren lebensgroße Plastiken von Mammut, Wollnashörnern und ein Rentier aufgestellt. Auf dem um Moor und Kältesteppe führenden Bohlenpfad bildeten sich regelmäßig große Menschentrauben, die zunächst das im Hintergrund stehende Mammut sehen wollten. Der Weg zum Lager der Eiszeitjäger gestaltete sich abenteuerlich: Hier mussten die Ausstellungsbesucher zunächst einen leicht schwankenden Bohlenpfad am Rand des Moores überwinden.
Das „echte“ Schweinsberger Moor ist ein Niedermoor und beherbergt das größte zusammenhängende Schilfgebiet Mittel- und Nordhessens. Das Gebiet ist ein bedeutender Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Vogelarten. Das Niedermoor ist als Natur- und Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Es ist gleichzeitig ein beliebter Erholungsort für die Bevölkerung der umliegenden Gemeinden.
Im „Wald der wilden Tiere“ wurde die frühere Urwaldlandschaft in Hessen mit Großpräparaten von Elch, Wisent, Bär und Wolf präsentiert. Diese Arten wurden in den vergangenen Jahrhunderten in Hessen ausgerottet. Mittlerweile kehren die großen Säugetiere nach Hessen zurück: Eine Überwachungskamera auf einem Parkplatz bei Marburg hat am 30.09.2005 Videoaufnahmen von einem Luchs eingefangen und im nordhessischen Reinhardswald streift seit einigen Jahren ein einsamer Wolf umher. Der Einwanderungsversuch von Elch „Knutschi“ im September 2009 endete jedoch tragisch. Als der rund 400 kg schwere Elchbulle der Autobahn A7 gefährlich nahe kam, wurde das Tier betäubt und im Reinhardswald ausgesetzt. Dort ist der Elch unter bislang ungeklärten Umständen verstorben.
Der Hirschkäfer ist ebenfalls ein Bewohner naturnaher Wälder und Urwälder und zählt zu den größten und auffälligsten Käfern in Europa. Seinen Namen hat der Käfer von den geweihartig vergrößerten Mundwerkzeugen der männlichen Tiere erhalten. Die Larven der Hirschkäfer sind auf Totholz angewiesen und ernähren sich von morschem, feuchtem und verpilztem Holz. Bis zur Verpuppung benötigen die Larven meist fünf, zum Teil aber auch sechs bis acht Jahre. Seit einigen Jahren werden Sichtungen des Hirschkäfers durch das Hessische Hirschkäfer-Beobachternetz gesammelt. In Stadtallendorf sind in den letzten Jahren zahlreiche Beobachtungen des seltenen Käfers gelungen. Zahlreiche Funde wurden aus dem besiedelten Bereich gemeldet. Im Landschaftszelt konnten sich Schulklassen auf die große Hirschkäferjagd begeben. In einem Urwald-Szenario mit abgestorbenen Bäumen galt es, vergrößerte Modelle der ausgewachsenen Käfer und der Larven zu entdecken. Mitarbeiter von Hessen-Forst FENA präsentierten den Besuchern Informationen rund um den Hirschkäfer.
Das Tier- und Pflanzenleben in den Wasserläufen rund um Stadtallendorf wurde vom hessischen Fischereiverband präsentiert. Fischarten der verschiedenen Gewässerregionen konnten in großen Aquarien beobachtet werden. In einer Gewässerrinne konnten die Kleintiere der Fließgewässer wie Bachflohkrebse und Köcherfliegenlarven erforscht werden.
Die hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) präsentierte Wissenswertes über Eulen und Fledermäuse. Besucher konnten die Gesänge heimischer Vogelarten kennen lernen.
Mit zwei Modellen von Gebäuden („Bunker“) der Allendorfer Sprengstoffwerken war auch die jüngere Vergangenheit in dem Landschaftszelt dargestellt. Ab 1938 entstand mit dem Bau von zwei Sprengstoffwerken im Herrenwald bei dem damaligen Ort Allendorf der größte Rüstungsstandort in Deutschland. Die Sprengstoffproduktion und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern wurden in einem Gebäude thematisiert. Ein weiteres Modell zeigt die Folgenutzung ehemaliger Rüstungsbauten als Überwinterungsquartier für Fledermäuse („Fledermaus-Schutzbunker“).
Unter dem Motto „David gegen Goliath“ hat auch der Konflikt um den Kammmolch und die im Herrenwald östlich Stadtallendorf geplante Autobahn A49 Eingang in das Landschaftszelt gefunden. Zum Schutz des größten Kammmolch-Vorkommen in Hessen musste die am Standortübungsplatz Kirtorf verlaufende Herrenwald-Trasse verworfen werden.

Archäologie erleben – Eiszeitliche Jagdstation und germanische Grubenhäuser im Landschaftszelt
Im Landschaftszelt war auch eine eiszeitliche Jagdstation mit einem Zelt und einer Feuerstelle aufgebaut. Mit Vorträgen und Vorführungen konnten die Hessentags-Besucher Einblicke in das damalige Leben und die damaligen Techniken des Feuermachens, Schmuck-Herstellens und Schminkens gewinnen. Der Besuch der Jagdstation stellte einen der Höhepunkte der geführten Rundgänge durch das Landschaftszelt dar. Viele Schulklassen verfolgten gespannt, wie die Neandertaler unter Verwendung eines „Steinzeit-Feuerzeugs“ mit Feuersteinen, Zunderschwamm und getrockneten Pflanzenteilen ein Lagerfeuer entzündeten. Außerdem wurde die Anwendung eines Feuerbohrers mit Fidelbogen vorgeführt.
Bei weiteren Vorführungen zeigte ein Elfenbeinschnitzer sein handwerkliches Können in der Verarbeitung von Mammut-Elfenbein zu kleinen Skulpturen, und es wurden Schaupräparationen an Originalfunden aus der Eiszeit durchgeführt.
Vor dem Landschaftszelt wurde eine Rekonstruktion eines Ausgrabungsbefundes von chattisch-germanischen Grubenhäusern aus der römischen Kaiserzeit präsentiert.
Die Chatten (lat. Chatti, waren ein germanischer Volksstamm, der im Bereich der Täler von Eder, Fulda und des Oberlaufes der Lahn seinen Siedlungsschwerpunkt hatte. Das heutige Stadtallendorf geht ebenfalls auf eine alte chattische Ansiedlung zurück. Als „Berinscozo“ (d. h. Bärenschuss) wird die Siedlung erstmals im Jahr 782 in einer Urkunde erwähnt.
Die Bezeichnung „Hessen“ ist eine spätere Abwandlung des Stammesnamens der Chatten. Die Chatten sind somit die Namensgeber des modernen Hessen.

Fotos: Leif-Erik und Sören-Helge Zaschke

Weitere Informationen
Eröffnung der Sonderschau "Natur auf der Spur"
Das Landschafts-Diorama in der Sonderschau "Natur auf der Spur"
Zweite Informationsveranstaltung zu "Natur auf der Spur"
Erste Informationsveranstaltung zu "Natur auf der Spur"
Exkursion zur Lockerbraunerde von Stadtallendorf
Dem Hirschkäfer auf der Spur

Bürgerreporter:in:

Leif-Erik Zaschke aus Stadtallendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.