Stadtallendorf: Naturerlebnis mit Weißstorch

Idyll mit Wasservögeln und Wasserfrosch-Konzert: Der obere Feldweiher der Biotopentwicklung Briel/Kreuzborn bei Erksdorf ist von einer Sumpfzone mit Teichschachtelhalm, Rohrkolben und Binsen umgeben (04.06.2015)
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  • Idyll mit Wasservögeln und Wasserfrosch-Konzert: Der obere Feldweiher der Biotopentwicklung Briel/Kreuzborn bei Erksdorf ist von einer Sumpfzone mit Teichschachtelhalm, Rohrkolben und Binsen umgeben (04.06.2015)
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Vor neun Jahren wurde bei Erksdorf die "Biotopentwicklung Briel-Kreuzborn" umgesetzt. Am 31.05.2015 nutzten rund 50 Naturfreunde die Gelegenheit, sich bei einer Exkursion anlässlich der „Naturschutz-Erlebnistage“ über das Gebiet zu informieren. Kurzvorträge wurden von Vertretern der Unteren Naturschutzbehörde, der Stadt Stadtallendorf, des beteiligten Planungsbüros, der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie (HGON) und des mit der Pflege betrauten Landwirtschaftsbetriebes gehalten. Zwischen den einzelnen Kurzvorträgen bestand die Gelegenheit, die in diesem Jahr geschlüpften Jungstörche mit Feldstecher oder Spektiv zu beobachten.

31 Hektar für den Naturschutz
Die Biotoptentwicklung Briel/Kreuzborn ist 2006 in einem westlich von Erksdorf gelegenen und vormals intensiv landwirtschaftlich genutzten Tälchen umgesetzt worden und nimmt eine Fläche von rund 31 Hektar ein. Im Gebiet sind zwei große Feldweiher entstanden, von denen der obere ganzjährig Wasser führt. Die untere Wasserfläche fällt in den Sommermonaten bis auf einen kleinen Notwassertümpel trocken, der Amphibien einen Rückzugraum bietet. Zwischen den beiden Feldweihern liegen vier kleine Tümpel mit Wasserflächen zwischen 700 und 900 Quadratmetern.
Die Gräben innerhalb des Gebietes wurden durch bauliche Maßnahmen abgesperrt, damit der Wasserabfluss verzögert und die Entwicklung naturnäherer Laufstrukturen gefördert werden. Zudem soll die Entwicklung von feuchtegeprägten Lebensräumen im Gewässerumfeld begünstigt werden.
Die vormals intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen in dem Talgrund wurden in eine Großkoppel umgewandelt, die ganzjährig extensiv mit Rindern beweidet wird. Eine auf der Koppelfläche gelegenen Halle dient den Tieren als Unterstand. An der durch die Fläche führenden Feldstraße ist ein „holländischer Überweg“ mit einer Viehsperre entstanden.
2014 sind zwei Weißstorch-Nisthilfen aufgestellt worden, auf denen in diesem Jahr erstmals ein Weißstorchpaar erfolgreich brütete.
Das Projekt ist ein wichtiger Baustein in der „Biotopbrücke Schwalm-Ohm“, mit der auf der Hochfläche zwischen Emsdorf um Momberg grünlandgeprägte Talräume vernetzt und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen aufgewertet werden sollen.

Lebensraum für Weißstorch, Kiebitz und Laubfrosch
Gerhard Wagner von der Hess. Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) berichtete über die Tierwelt des Gebietes und ging dabei besonders auf Weißstorch, Kiebitz und Laubfrosch ein.
Dank zahlreicher erfolgreicher Naturschutzprojekte gibt es im Landkreis Marburg-Biedenkopf wieder zehn Weißstorch-Brutpaare, nachdem der Bestand durch Gewässerausbaumaßnahmen und Trockenlegung von Flächen im Ohmtal in den sechziger Jahren nahezu zusammengebrochen war. Die Fläche am Briel bietet auch geeignete Lebensräume für den Kiebitz, der regelmäßig im Gebiet anzutreffen ist. Bei diesem Wiesenbrüter ist der Bestand im Landkreis von 600 Brutpaaren auf zehn zurückgegangen. „Freud und Leid im Naturschutz liegen bei Weißstorch und Kiebitz nahe beieinander“ kommentierte Wagner die für den Kiebitz bedrohliche Bestandssituation. Bei Fortdauer der ungünstigen Bedingungen sei ein Aussterben des Kiebitzes im Landkreis nicht auszuschließen.
Die Biotopschutzfläche am Briel beherbergt auch ein Vorkommen des stark gefährdeten Laubfrosches. Die auf offene und besonnte Kleingewässer angewiesene Art besitzt im östlichen Teil des Landkreises eine Verbreitungsschwerpunkt. Bei einer naturkundlichen Exkursion im Mai 2015 wurden an den kleineren Tümpeln rund 50 rufende Laubfrosch-Männchen verhört.

Planung und Umsetzung
Über die Planung und Umsetzung der Maßnahme berichteten Uwe Volz (Stadt Stadtallendorf) und der Planer Peter Groß. Um 1980 wurden von der HGON ein naturschutzfachliches Konzept für die oberhessische Schwelle gefordert, und 1995 wurde die „Biotopbrücke Schwalm-Ohm“ als naturschutzfachliches Konzept vorgestellt. Der Aufkauf von Flächen im Bereich Briel/Kreuzborn begann 1996 und nahm insgesamt sieben Jahre in Anspruch. Die bauliche Umsetzung der Biotopentwicklung erfolgte 2006.
Nach der Beobachtung von rastenden Weißstörchen wurde von der Stadt Stadtallendorf ein Gutachten zur Wiederansiedlung beauftragt.
Die Maßnahmefläche am Briel/Kreuzborn ist die zentrale Ausgleichsfläche der Stadt Stadtallendorf, mit der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch die Erweiterung von Siedlungsflächen ausgeglichen werden.

Pflegebeweidung mit Mutterkuhherde
Die extensive Beweidung der Fläche erfolgt ganzjährig durch eine 25 bis 28 Tiere umfassende Mutterkuhherde. Dabei kommen vorwiegend leichtere Fleischrinderrassen wie Angus, Limousin und Fleckvieh zum Einsatz, da schwerere Tiere die wenig tragfähigen Böden in den feuchten Bereichen schädigen würden. Im Frühjahr wird ein Teilbereich der Koppel für die Heugewinnung genutzt. Am Rand der Weide ist ein Unterstand für die Tiere errichtet worden.
Der mit der Pflege beauftragte Landwirt hat die Rinderhaltung aus dem Betrieb ausgegliedert und führt diese als Biobetrieb, da sich mit den Biorinder höheren Erlöse erzielen lassen.
Durch die Pflegebeweidung soll die Fläche langfristig ausgemagert werden, damit sich in den Grünlandbiotopen die Pflanzenvielfalt erhöht. Ein gewisser Düngezustand muss jedoch erhalten bleiben, da die als Landschaftspfleger eingesetzten Rinder ausschließlich Süßgräser fressen.
Uwe Krüger von der Unteren Naturschutzbehörde erwähnt, dass die große Fläche am Briel/Kreuzborn auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht sehr vorteilhaft ist, da sie ein wirtschaftlich tragfähiges Beweidungskonzept ermöglicht. Bei kleineren Flächen würden die Bewirtschafter oft nach wenigen Jahren aufgeben, da die Pflege nicht kostentragend ist.

Planungen begannen in den achtziger Jahren
„Drei junge Störche, das ist ein echter Erfolg“, würdigt Stadtallendorfs Umweltbeauftragter Uwe Volz den diesjährigen Höhepunkt der Biotopentwicklungsmaßnahme, der eine 35 jährige Geschichte zugrunde liegt:
1980 Die HGON fordert ein Offenlandkonzept für die intensiv genutzte Kulturlandschaft am Neustädter Sattel.
1987 Das im Norden an die Biotopentwicklung Briel/Kreuzborn angrenzende Naturschutzgebiet „Sohlgrund von Erksdorf“ wird ausgewiesen.
1994 Der Kreisausschuss beauftragt die Planung der Biotopbrücke.
1995 Der Planer Ralf Schneider stellt die „Biotopbrücke Schwalm-Ohm“ vor.
1996 Der Magistrat der Stadt Stadtallendorf erlässt einen Förderbeschluss für die Biotopbrücke. Im selben Jahr nimmt die Umweltbeauftragte der Stadt die Verhandlungen zum Erwerb der benötigten Grundstücke auf. Der Grunderwerb ist 2003 abgeschlossen.
2004 Die Biotopentwicklung am Briel /Kreuzborn in Erksdorf wird als Baustein der "Biotopbrücke Schwalm-Ohm" im Landschaftsplan der Stadt Stadtallendorf als Ziel festgeschrieben.
2005 Die Planung für die „Biotopentwicklung Briel/Kreuzborn“ wird genehmigt.
2006 Die erforderlichen Wasser- und Landschaftsbaumaßnahmen werden ausgeschrieben und umgesetzt (Ausschreibung und Bau durch Fa. Grau, Ebsdorf).
2007 Im Bereich Briel/Kreuzborn werden die Rast von Weißstörchen und Wiesenbrüter wie die Bekassine beobachtet.
2007 Der Magistrat der Stadt Stadtallendorf vergibt eine Studie zur Wiederansiedlung des Weißstorchs.
2014 Die freiwillige Feuerwehr Erksdorf stellt zwei Storchen-Nisthilfen auf.
2015 Erste erfolgreiche Ansiedlung eines Weißstorch-Brutpaares. Drei Jungvögel schlüpfen.

Froschkonzert und Vogelwelt am Briel/Kreuzborn erleben
Westlich von Erksdorf gibt es gut ausgebaute Feldwege, die ganzjährig Spaziergänge und Wanderungen ermöglichen. Von Erksdorf ist die Fläche über die Straßen „In der Kreuze“ und den Mühlweg zu erreichen. Der „kurze“ Rundgang von Ortsrand zu Ortsrand ist rund zwei Kilometer lang.
Über den Erksdorfer Mühlweg führt auch der Radweg, den von Stadtallendorf über den Treysaer Weg nach Erksdorf und Hatzbach führt (Lokales Radwegenetz, teilweise Rhein-Main-Vergnügen Route 11). Mit einem Fernglas oder einer Kamera mit Teleobjektiv ausgestattete Naturfreunde können das Gebiet von den Wegen bequem einsehen. Der obere Feldweiher grenzt unmittelbar an den Weg an. Hier ist die Beobachtung von Wasservögeln auch ohne technische Hilfsmittel möglich.
Ein Informationskasten am oberen Feldweiher präsentiert Fotos von bemerkenswerten Tierbeobachtungen.
* Um die Tiere nicht zu stören, sollten Naturfreunde folgende Regeln befolgen:
* Die Großkoppel darf nicht betreten werden.
* Hundehalter sollten das Gebiet meiden oder zumindest ihre Tiere anleinen.
* Bei einer Storchenbrut sollten Beobachter einen Abstand von 150 Metern einhalten, da die Vögel in dieser Phase besonders empfindlich auf Störungen reagieren.

Weitere Informationen
Homepage von Naturfreund Hans Jörg Hellwig mit zahlreichen Tierfotos, die im Briel / Kreuzborn aufgenommen worden sind:
http://www.diginatur.de/

Weitere Artikel zum Thema Natur / Naturschutz
*Dem Laubfrosch auf der Spur: Audienz im Königreich der Raudaubrüder (2011)
de/stadtallendorf/natur/dem-laubfrosch-auf-der-spur-audienz-im-koenigreich-der-raudaubrueder-d1859278.html (2011)
*Kirchhain: Renaturierung der Wohra und ihrer Aue schafft neue Lebensräume (2001)
http://www.myheimat.de/kirchhain/natur/kirchhain-r...

Bürgerreporter:in:

Leif-Erik Zaschke aus Stadtallendorf

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