Zur Göbelfeier vor 80 Jahren am 14. September 1929 in Springe

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Vor 80 Jahren am 14. September 1929 traf sich in Springe eine illustre Festgesellschaft aus Industriemanagern, Verbandsfunktionären, Politikern und Mitgliedern der Technischen Hochschule Hannover im damaligen Hotel Friese. In den USA hatte Henry Ford das Menlo-Park-Labor von Thomas Alva Edison rekonstruieren lassen und der alternde Edison sollte am 21. Oktober 1929 zum 50. Jahrestag seine historische Glühlampenvorführung vom 21. Oktober 1879 in Anwesenheit des amerikanischen Präsidenten und internationaler Gäste wiederholen. In Springe feierte man wenige Wochen zuvor als Antwort auf die Festvorbereitungen der Amerikaner einen anderen für die selbe Leistung: Heinrich Göbel.

Die Elektrotechnische Zeitung berichtete, dass der Hauptredner Dr. Hermann Beckmann in lückenloser Darstellung der Erfindertätigkeit Heinrich Göbels und des seinerzeitigen Gerichtsverfahrens den Beweis für die Prioritätsansprüche Heinrich Göbels auf die Erfindung der Kohlefadenglühlampe erbracht hätte. Sein Schlusswort lautete „Ehret eure deutschen Meister!“. Professor Dr. Dettmar, Professor Dr. Schering, Geheimrat Hartmann, Direktor Pohl und all die anderen jubelten. Die Festgesellschaft begab sich dann zum Haus Lange Straße 74, wo eine von der Elektrotechnischen Gesellschaft Hannover gespendete Tafel angebracht wurde: „Hier wurde der Erfinder der elektrischen Glühlampe, Heinrich Goebel, am 20. April 1818 geboren.“ Die damalige Deisterstraße wurde vom Springer Bürgermeister Jürges am Festtag in Heinrich-Goebel-Straße umbenannt. Die Festgesellschaft begab sich dann zu einem „zwanglosen Beisammensein“ zur Deisterpforte und später zu einem Essen zurück ins Hotel Friese.

Heute wissen wir:
1. Die Ausführungen von Dr. Hermann Beckmann, einem Elektro-Ingenieur aus Berlin und später Privatdozent an der Technischen Hochschule Hannover, waren nichts als Lügen. Kein Gericht in den USA hat je Heinrich Göbel die Priorität zugesprochen. Im Gegenteil: Die Richter zweifelten an Göbels Darstellungen und hielten ihn für einen Lügner. Bis heute gibt es nicht den geringsten Beweis aus der Zeit vor 1880, der elektrotechnische Arbeiten Heinrich Göbels belegt, geschweige denn, einen Leistungsnachweis für eine Erfindung.
2. 1929 verschwieg man die wichtigste Person der Göbel-Behauptungen, den eigentlichen Konstrukteur der angeblichen Göbel Lampen: Professor Münchhausen. Die Existenz einer solchen Person ist nicht nachweisbar und wurde schon 1893 für eine Lüge gehalten. Edison forschte, Göbel wusste angeblich alles bereits zuvor von Professor Münchhausen. Zitat Göbel: „Was ich in dieser Richtung vollbrachte habe ich immer als die Ausführung, in soweit die hauptsächliche Gestaltung der Lampe in Anbetracht kommt, als die Angaben und Ansichten des Professor Münchhausen betrachtet, und gebrauchte in meinen Versuchen solches Material als gerade zur Hand lag. …Was ich selbst machte war meistens in der Folge, die Gedanken auf die Münchhausen und ich vor meiner Ankunft in diesem Land gekommen waren, auszuführen.“ Die Ehre der Feier des 14. September 1929 hätte dem Phantom Prof. Münchhausen gebührt.
3. Die Gedenktafel wurde dreist mit einer Meisterleistung des Edison-Teams geschmückt: Der Glühlampe als Birne mit Schraubsockel, ein Design, welches 130 Jahre überdauert hat. Göbels 1893 vorgelegte Lampen mit zweifelhaftem Herstellungsdatum hatten die Form aufgeblasener Kondome.
4. Das deklarierte Geburtshaus ist nicht das Geburtshaus Heinrich Göbels. Es gehörte 1818 dem Drechsler Johann Fricke, der es auch bewohnte. Nach dessen Tod 1842 verkaufte die Erbengemeinschaft das Haus Nummer 159 an einen Bruder Heinrich Göbels. Heinrich Göbels Geburtshaus war vermutlich das bereits 1846 abgerissene Haus Nummer 96.

Mir wurden jahrelang an Springer Schulen Göbel-Lügen erzählt und ich weiß nicht, über was ich mich mehr empören soll: Über die anhaltende Dreistigkeit der Springer auch nach Aufklärung der Lügen von 1929 oder über die jahrelang unterlassene Prüfung des Leistungsnachweises von Heinrich Göbel.
Die Stadt Springe hat eine gute Gelegenheit verpasst, die 1929 angebrachte Tafel zum 80. Jahrestag abzunehmen und ins Museum zu bringen. Die von auswärtigen Funktionären 1929 in die Stadt gebrachte Propaganda im Kulturkampf nationaler Zeiten gegen die USA wird jedoch weiter verbreitet. Die schöne Stadt Springe wird mancherorts nur noch als Lügenlampenhausen wahrgenommen. Sind die Springer dumm oder frech oder ist ihr Selbstbewusstsein so schwach ausgeprägt, dass sie für ihr Selbstwertgefühl einen falschen Helden brauchen?

(Auf der Erstfassung dieses Beitrages hatte ich den 11. statt den 14. September als Jahrestag genannt. In meiner Kopie der damaligen Zeitung war die 4 zu einer 1 verblichen. )

Bürgerreporter:in:

Horst-Günter Neubauer aus Springe

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