Am Tag als ….. die Gülle kam …

2Bilder

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Gülle aus dem Blätterwald der deutschen Presse prasselt. Landauf, landab regt sich Widerstand gegen ungehemmten Ausbau von Massentierhaltungen. Fast jede Woche widmen sich Fernsehsender diesem Themenkomplex. Sie zeigen grauenerregende Nahaufnahmen aus Schweine- und Geflügelmastställen. Das ist ja entsetzlich empören sich die einen. Anderen scheint das egal zu sein. Doch der Widerstand wächst.

Gunst und Nachsicht und Vergesslichkeit der Verbraucher werden mit Billigstpreisen für Schwein und Geflügel erkauft. Alles ist legal, aber ist auch alles ethisch und moralisch gerechtfertigt, was legalisiert ist? Sich in das scheinbar Unvermeidliche zu fügen, hieße aufzugeben. Damit rechnet auch Politik. Feierabendpolitiker und ehrgeizige Verwaltungsbeamte auf dem platten Land genehmigen Mastställe und Methangasfabriken oft an den Grenzen der immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeit. Man stelle sich vor, der Hamburger Senat wolle Mastställe oder Methangasfabriken im Stadtgebiet genehmigen. Fleitjepiepen! Ob der Berliner Bürgermeister solche Anträge überhaupt entgegen nehmen würde, dürfte zweifelhaft sein. Und Hannovers OB würde sich auch bedanken. Denn das, so wissen die Stadtpolitiker, würden die Bürger ihnen um die Ohren hauen.

1.584 Unterschriften gegen Mast!

Erst am vergangenem Samstag wurde im Deister Anzeiger dokumentiert, wie Politik mit Bürgern umgeht. Großaufnahme: Angestrengt lächelnd blickt Bürgermeister Hische aus dem Titelfoto, als er die Unterschriftenlisten gegen die geplante Hähnchenmastanlage Boitzum vom Verein für Menschen, Umwelt und Tiere ( MUT) entgegennimmt. In demselben Artikel kommt auch der Bauamtsleiter Hermann Aden zu Wort: „Der Landwirt habe das Recht, seinen Maststall zu bauen, ob die Stadt wolle oder nicht.“ Damit bringt Aden das zum Ausdruck, was in den Planungs- und Genehmigungsverfahren für Octapharma und Methangasfabrik deutlich wurde: Widerstand ist zwecklos. Wir machen, was wir und Investoren wollen.

Warum formiert sich der Widerstand?

Auf jeden Niedersachsen kommt ein Schwein. Acht Millionen Niedersachsen. Acht Millionen Schweine. Wir sind auf das Schwein gekommen. Aber haben wir Schwein gehabt? Werden wir dadurch reicher?

Wer heute ein glückliches Schwein, rosig, mit Ringelschwanz und flinken Augen im Freien sehen will, muss lange suchen. Rund 27 Millionen Schweine vegetieren in Deutschland in sogenannten Veredelungsbetrieben bis zur Schlachtreife in Dunkelheit, kastriert, Ringelschwänze kupiert, fressen, scheißen, grunzen, beißen, schlafen, angereichert mit Antibiotika und Hormonen. Jedes Schwein produziert im Durchschnitt rund 600 Liter Gülle im Jahr. Das sind 16,2 Milliarden Liter, die entsorgt werden müssen. Direkt auf die Äcker oder indirekt über Fermenter von Methangasfabriken. Rein rechnerisch regnen jedes Jahr rund 46 Liter Schweinegülle auf einen Quadratmeter Bundesrepublik Deutschland.

130 Millionen Stück Geflügel wurden 2010 hierzulande gemästet. Damit sie sich in der drangvollen Enge nicht gegenseitig zu sehr verletzen, werden ihnen die Schnäbel abgeknipst. Einfach so. Sie produzieren fast 10 Milliarden Liter Gülle. Auf einen Quadratmeter Deutschland kommen also 30 Liter pro Jahr. Bis jetzt. Niedersachsen ist führender Mäster. Allein im Emsland hat die sogenannte Agrarindustrie den Landstrich fest im Griff. Gut 33 Millionen Geflügelmastplätze gibt es dort, über 1,5 Millionen Schweineplätze und rund 200.000 Rinderplätze. Das ist im Bundesvergleich ein trauriger Rekord. Weitere rund 2 Millionen Geflügelmast- und rund 45.000 Schweinemastplätze sind in Vorbereitung.

Die Hinterlassenschaften der Tiere landen auf den Äckern. Aber die Gülle wird auch in Gold gewandelt. Wenn sie in Methangasfabriken landet, gibt es den Güllebonus. Ist die Gülle möglicherweise schon mehr wert als das Fleisch der Tiere, die sie produzieren. Seit ich mich mit dieser Geschichte befasse, ist mir der Appetit vergangen. Ich kaufe bewusster ein. Billigfleisch aus Supermärkten hat auf meinem Küchentisch nichts mehr verloren. Der Widerstand von MUT ist ein Widerstand von klugen Menschen. Sie verdienen jedwede Unterstützung.

Wie viel Heimat darf es sein?

Über die Vermaisung unserer Landschaft ist viel geschrieben, gesprochen, versprochen und gelogen worden. Aber anscheinend haben die deutschen Bauernpolitiker eine Maise. Jetzt wollen sie die Randstreifen von Maismonokulturen mit Blühstreifen aus Sonnenblumen umgeben. Das ist noch weniger als ein Placebo für den Michel. Das ist saudumm. Mit solch hanebüchenem Unsinn sollen die Bürger abgelenkt werden von absehbaren Kollateralschäden aus Massentierhaltung, Maismonokulturen und Biogasanlagen. Unsere Biosphäre ist im Begriff, gründlich versaut zu werden. Allein was für katastrophale Auswirkungen auf Böden und Trinkwasser infolge dosierter Anreicherung mit Giften aller Art zu erwarten sind, wird immer deutlicher. Das hat auf die Entwicklung aber noch keinen großen Einfluss. Daher ist es wichtig, dass Bürger da, wo politische und administrative Kompetenz abgängig sind, Lärm schlagen.

Es gibt eine Redewendung: „Wenn die Klugen immer mehr nachgeben, wird die Welt nur noch von Dummen regiert.“ Gleichwohl sollten die Klugen sich ihrer Mitverantwortung bewusst sein und sich einmischen. Denn Heimat ist nicht das, was zwischen Schweineställen, Maismonokulturen und Methangasfabriken übrig gelassen wird. Heimat ist mehr.

P.S.: Ich habe bewusst zwei Bilder von glücklichen Hühnern und Schweinen gewählt, um an den Wert traditioneller bäuerlicher Kultur zu erinnern.

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

8 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.