„Alles nur ein böser Traum?“

Hartmut M. sucht seinen Arzt auf. Er hat eine kräftig entzündete Hammerzehe am linken Fuß. Der Zehnagel muss entfernt werden. Um die Entzündung wirksam zu bekämpfen verschreibt der Arzt ein Antibiotikum mit der Maßgabe, es einmal täglich fünf Tage lang einzunehmen. Hartmut M. steuert die nächste Apotheke an, reicht das Rezept über den Tresen. Stirnrunzelnd liest es die freundliche Apothekerin und fragt, „In welcher Kasse sind sie denn?“.

Hartmut M. legt ihr die Versicherungskarte vor. Sie tippt die Daten der Karte in den Computer und macht Hartmut M. darauf aufmerksam, dass seine Kasse das verordnete Medikament nicht zahlen würde. Sie müsse ihm stattdessen ein Generikum, natürlich rezeptfrei, geben. Was denn ein Generikum sei, fragt Hartmut M. Ein Generikum, so die Apothekerin, sei ein Medikament, das mit dem Originalprodukt in dessen beanspruchten Heilungseffekt vergleichbar sei. In ihrem Fall, führt sie aus, gebe ich ihnen statt einer Wochenpackung Schweinekoteletts aus Biohaltung von Baltipro Hähnchenbrüste von Heuhof mit. Die antibakteriellen Wirkstoffe sind in beiden Medikamenten fast gleich. Und – das Braten nicht vergessen.

Fakt oder Fiktion? Natürlich ist das ein bewusst gesetzter Widerspruch, allerdings mit ernstem Hintergrund:

Alarmierende 1.734 Tonnen Antibiotika

Von „Horror-Zahlen“ in der Tiermast berichtete kürzlich n-tv. Danach sollen die Tierärzte hierzulande im letzten Jahr sage und schreibe 1.734 Tonnen Antibiotika verschrieben haben. Erst im letzten Jahr wurde zum ersten Mal eine Auswertung der in der Tiermedizin verwendeten Antibiotika durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erhoben. Dass der größte Teil der Antibiotika in den Körpern der Tiere in den Massentierhaltungen landete, ist unumstritten.

Was aber sagt diese Zahl schon aus, wenn es um Zig-Milliarden Euro zur Rettung maroder Länder in Europa geht. Dagegen sind 1.734 Tonnen Antibiotika Fliegendreck. Oder? 1.734 Tonnen Antibiotika lassen sich leicht aufwiegen mit 15.763 schlachtreifen Mastschweinen oder mit 1.156.000 schlachtreifen Hähnchen. Darf uns das egal sein?

Die Vergabe von Antibiotika in der Tierhaltung ist wegen möglicher gesundheitsschädlicher Folgen für die Menschen umstritten. Die chemische Manipulation der Tiere gilt auch als Indikator für deren nicht artgerechte Haltung in Mastställen. Allerdings schwächt das BVL ab. In einer Pressemitteilung hebt es hervor, das Resistenzen gegen Antibiotika sich sowohl in der Human- wie auch in der Tiermedizin entwickeln können. Doch hier geht es um Tiere, deren Fleisch wir essen. 60,5 Kilogramm Fleisch verzehrt jeder Bundesbürger im Mittel pro Jahr. Das sind fast zwei Drittel des Gewichts eines geschlachteten Schweins. 1950 waren es lediglich 26,2 Kilogramm. Diese Entwicklung ist insofern auch bedenklich, da hierzulande produziertes Fleisch zum subventionierten Exportschlager geworden ist. Es sei nicht auszuschließen, so heißt es, dass mit dem Fleisch antibiotika-resistente Keime exportiert werden. Diese Keime können hier wie anderswo für Menschen gefährlich werden.

Es ist zu fragen, wie die Verbraucher damit umgehen sollen. Fakt ist, wir befinden uns in einem Ernährungs- und Gesundheitskonflikt, der sich zur Krise ausweiten kann. Schon heute ist so mancher Behandlungserfolg bei Menschen mit Antibiotika infolge von Multiresistenzen in Frage gestellt. Die meisten Bürger sehen darüber hinweg, obwohl Informationen darüber mittlerweile fast täglich aus dem "Blätterwald der deutschen Presse prasseln" wie einst der „Saure Regen“. Sind die multimedial versorgten Bürger unempfindlich geworden? Warum schweigen sie statt aufzubegehren?

Was ist nur mit uns Deutschen los? Sind Krisen allein eine Erfindung der Medien nach dem Motto „Only bad News are good News?“ Sind Krisen ein Marketingtrick von Verlagen und Sendeanstalten, um Auflagen und Quoten zu erhöhen? Hat das Seelenleben von Bettina Wulff etwa einen höheren Stellenwert als die systematische biologische Manipulation durch kaum zu kontrollierende Massentierhaltung von Loden-Connection und Lebensmittelindustrie?

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

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