Im „Sch“wein liegt die Wahrheit

... v. li. Ulrich Schulz, Prof. Dr. Wolfgang Witte, Dr. Jürgen Borghardt ...
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Die Bürger von Bad Münder haben Sorgen. Das Kurbad der Kurstadt hat buchstäblich Löcher und muss aufwendig saniert werden. Doch die größte Sorge bereitet zurzeit der Plan des Bauern Alfred Wente aus Nettelrede. Er will zwischen Rehakliniken und Nettelrede einen Maststall für 1.200 Schweine bauen. Dass der Stall nur 800 Meter von den Kliniken stehen soll, bekümmert ihn offensichtlich nicht. Auch Gespräche mit ihm am runden Tisch mit Klinikleitung und Politik vor wenigen Jahren liefen ins Leere.

Trotz erheblicher Bedenken bei elf Einsprüchen gegen den Schweinestall musste der Landkreis Hameln-Pyrmont Wente die Baugenehmigung nach § 35 des Bundesbaugesetzes erteilen. Dieser Paragraph privilegiert Landwirte, im Außenbereich von Ortschaften auf eigenem Land zu bauen. Ein Autolackierer dagegen hätte keine Chance, im Außenbereich einen neuen Betrieb hochzuziehen, selbst wenn es sein eigenes Land wäre. Im Oktober letzten Jahres bekam der Landwirt grünes Licht für den Schweinestall von den Behörden. Seither baut er.

Mittlerweile haben sich Bürger gegen das Vorhaben organisiert. Am vergangenen Montag referierte ein hochkarätiger Mikrobiologe des Robert-Koch-Instituts Wernigerode vor vollbesetztem Martin-Schmidt-Saal in Bad Münder zum Thema MRSA. Professor Dr. Wolfgang Witte, anerkannter Experte, veranschaulichte rund 400 Teilnehmern in einem gut verständlichen Vortrag die Problematik der MRSA-Keime und wies auf die Gefahren für die nahegelegene Reha-Klinik hin.

Gerade in der Massentierhaltung werden Antibiotika systematisch an Groß- und Kleinvieh in Deutschland dem Futter beigemischt, um Erkrankungen der Tiere vorzubeugen. Tieren werden in der Regel dieselben Wirkstoffe verabreicht wie den Menschen. Aber wer glaubt, ein Tierarzt würde in einem 1.200-Schweine-Betrieb jedes einzelne Schwein untersuchen und ihm je nach Krankheit eine individuelle Menge Antibiotika verabreichen, irrt. Im Stall sind Bauer oder Helfer die tiermedizinische Instanz.

In der Regel werden in der Massentierhaltung einzelne kranke Tiere nicht mit Antibiotika behandelt, sondern alle Tiere werden über Tränkanlagen oder Futtertröge mit Medikamenten versorgt, egal ob sie krank sind oder nicht. Bei dieser Prozedur ist nicht auszuschließen, dass einige Tiere weniger Wirkstoffe aufnehmen als andere. Oft bleiben Reste in Futtertrögen oder Tränken als „Begrüßungsfutter“ für den nachfolgenden Besatz zurück. Nicht zuletzt das leistet der tierischen Produktion von resistenten Keimen Vorschub.

Aus dem Stall auf den Tisch: Multiresistente Keime sind in der Verzehrkette von Fleisch nicht auszuschließen. Aber schlimmer noch: Sie werden mit den tierischen Fäkalien auf Felder ausgebracht, in Biogasanlagen weiter erbrütet und dann ausgebracht, oder sie gelangen mit der Abluft der Tierfabriken an die Umwelt. Damit wären wir wieder in Nettelrede. Zwar versicherte die 1. Kreisrätin Petra Broistedt in der Versammlung, die Abluftanlage in Nettelrede würde 70 Prozent der Keime zurückhalten. Professor Dr. Witte hielt dagegen: „Auch 90 Prozent nutzen nichts!“

Dr. Jürgen Borghardt als Vertreter der Deister-Süntel-Kliniken unterstrich das unkalkulierbare Risiko für die Patienten der Kliniken. Dabei handele es sich vor allem um Leber- und Nierentransplantierte und um Krebsnachsorge-Patienten. Es sind Menschen, deren Immunsysteme ohnehin schon „am Boden“ lägen. „Wenn bei denen“, so Borghardt, „ein Infekt durch einen mit Antibiotika schwer oder gar nicht zu behandelnden, resistenten Keim eintritt, dann besteht tödliche Gefahr.“

Auch wenn Alfred Wente, der bislang überwiegend Feldfrüchte anbaute, mit seinem Bauvorhaben formaljuristisch im Recht ist, ist seine beharrliche Haltung unverständlich. Er sollte wissen, dass durch seinen Vorstoß die Kurstadt Bad Münder nur ins Hintertreffen geraten kann. Das Gemeinwohl würde empfindlich gestört. Auch könnte das Prädikat „Bad“ aberkannt werden.

Wente sollte sich daran erinnern, dass nicht zuletzt sein Betrieb durch Subventionen, also dem Geld auch der münderschen Steuerzahler, gefördert wird. Mit dem Beharren auf den Bau des Schweinestalls ist er im Begriff, Werte zu zerstören, die von den Bürgern in der Kurstadt über Jahrzehnte geschaffen worden sind. Also: einer gegen alle.

Es geht nicht darum, Wente in seinem wirtschaftlichen Handeln einzuschränken. Da gäbe es Alternativen. Recht haben, recht bekommen, recht behalten, das scheint seine Maxime zu sein. Recht bekommen nach einem Paragraphen im Baugesetz, der den Bau von Feldscheunen zur Aufnahme von Stroh und Heu oder Landmaschinen erleichtern sollte. An Tierfabriken hatten die Autoren damals nicht gedacht. Soll die Existenz der Kurstadt Bad Münder von Schweinen abhängen?

Zählt für Wente nur: Hast du Schweine, hast du Scheine?

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

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