Wenn Schlüssel Türen öffnen

Norddeutschland, gerade in Küstennähe, ist flach. Sehr flach.
So sind Kirchen fast immer das herausragende Gebäude eines Dorfes oder einer Stadt. Nicht immer sind es die Kirchtürme, denn gerade in Ostfriesland stehen sie oft neben der Kirche. Sie sind dann oft anders gestaltet, als ein üblicher Kirchturm. Sie sind „nur“ Glockenturm. In vielen Fällen tragen sie sehr alte Glocken.
Landet man an so einer Kirche, so stellt man schon am Äußeren fest, dass viele von ihnen viele Jahrhunderte alt sein müssen. Oft sind sie aus Felssteinen ganz oder zum Teil errichtet. In manchen Fällen ist das Portal sogar aus Felssteinen erbaut.
So eine Kirche macht einfach neugierig. Gerade in Ostfriesland jedoch haben viele Kirchen keine festen Öffnungszeiten. Das ist jedoch absolut kein Hindernis, wie eigene Erlebnisse zeigen.
Fast immer gibt es einen Hinweis auf den Pastor. In einer ganz kleinen Gemeinde öffnete dieser die Tür nur einen spaltbreit: Er sei gerade dabei, sich anzuziehen und habe noch keine Hose an. Er wäre auf dem Sprung zu einem Geburtstag. – Und dann gab er einen ganz großen Schlüssel sofort heraus. So einen Schlüssel, der selbst schon viele Geschichten erzählen könnte.. Und er sagte noch: „Werft ihn einfach in meinen Briefkasten, wenn ihr fertig seid.“
Bei einer anderen Kirche war gerade jemand auf dem dazu gehörigen Friedhof dabei, Blumen zu gießen. Eine Frage nach dem Kirchenschlüssel ergab die Antwort: „Da geht ihr rechts um die Ecke und nach 100 Metern seht ihr ein rotes Haus. Da klingeln. Da wohnt der Pfarrer.“ Nach dem kurzen Weg hatten wir den Schlüssel in der Hand und der Pfarrer entschuldigte sich, dass er nicht mitkommen konnte. Er müsse zu einem Trauergespräch. Auch hier sollten wir den Schlüssel in den Briefkasten werfen.
In einem anderen Fall fanden wir den Gemeindekindergarten. Dort war gerade der Lektor. Er entschuldigte den Pastor. Der hätte sicher gern selbst den Schlüssel heraus gegeben, aber er komme erst in wenigen Minuten wieder. Aber wenn wir Interesse hätten, würde er selbst uns gern die Besonderheiten der Kirche zeigen. So sprachen wir kurz danach neben der jahrhundertealten Taufe stehend darüber, warum das Seil, das den Deckel hält, mit Karabinern unterbrochen ist. Nach Jahrhunderten war es vor kurzer Zeit gerissen.
Auch die nächste Kirche war geschlossen. Hier ergab die Frage nach dem Schlüssel, dass jemand sofort von seinem Hof mit dem Moped los fuhr und den Pastor holte. Der Pastor kam also mit dem Fahrrad angerast, entschuldigte sich wegen seines „Aufzuges“. Er wäre gerade Garten tätig. Aber, wenn er nun schon mal da sei, könne er auch eine kleine Führung machen – wenn wir wollten. Die kleine Führung dauerte über eine Stunde und eigentlich wollte niemand das interessante Gespräch beenden. Der Pastor hatte sogar besondere Handschuhe angezogen, Gegenstände aus dem Tresor geholt....
Als wir Abschied nahmen, kamen neue „Neugierige“ denen er sich sofort annahm.
In einem anderen Ort kamen wir erst so gegen 20 Uhr an. Wir fragten nach dem Weg. Und es war gerade der Pastor, den wir angesprochen hatten. Wir kamen ins Gespräch. Wir hatten gar nicht nach dem Weg zur Kirche gefragt. Er hätte uns seine Kirche auch noch um diese Zeit gezeigt. Wir verzichteten aber, weil am nächsten Morgen ab 8 Uhr ohnehin die Möglichkeit bestand, sie zu besuchen. Dort begrüßte uns unser Gesprächspartner sofort mit Freude.
Und dann kamen wir noch zu einer Kirche, die tatsächlich jeden Tag stundenlang geöffnet ist. Wir kamen 5 Minuten zu spät. Aber wir sahen jemanden, der irgendwie „wie Kirche“ aussah. Wir sprachen den Mann an, er drehte sich um, schloss uns die Kirche auf und zeigte sie uns in aller Ruhe über eine halbe Stunde lang.
Es könnten in allen Fällen die Namen der Menschen und der Kirchen hier stehen. Sie haben sich allein schon wegen der besonderen Kirchen mit interessanten Orgel, Altären, Kanzeln oder auch Taufen in das Herz gegraben. Aber in allen Fällen wird die Selbstverständlichkeit, mit der man uns "seine Kirche" öffnete oder auch einfach den Schlüssel zu einem Weltkulturerbe anvertraute, eine ganz besondere Erinnerung sein.
Hatte sich da noch ein wenig mehr geöffnet als eine Tür???!

Bürgerreporter:in:

Evelyn Werner aus Seelze

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