Briefe und die Geschichten dazu

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Eine Lesung, die berührte. In der Generation derjenigen, die den 2. Weltkrieg erlebten, zogen ganz sicher Filme durch den Kopf. Bei den zahlreichen, jüngeren Zuhörern sahen die Bilder sicher anders aus. Nicht nur bei einem der Vortragenden liefen tief berührt an der einen oder anderen Stelle Tränen.

Norbert Saul hatte in den Spätnachmittag eingeführt. Wie tief die Inhalte der wohl ca. 1000 Feldpostbriefe ihn beschäftigt haben, konnte man zwischen seinen Worten hören. Er war es auch, der bewusst machte: Briefe und Karten waren vor 100 Jahren die einzige Möglichkeit der Kommunikation. Es gab noch kein Telefon, kein Handy, kein Fernsehen.

Horst Henze, wie Norbert Saul vom Museumsverein Seelze, übernahm es dann bei der Lesung, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Postkarten- und Brieftexten herzustellen. Durch diese Darstellung bekamen die Namen der Briefschreiber und Empfänger unmittelbare Nähe: Sie waren aus Kirchwehren, Velber, hatten Bezug nach Almhorst.

Rainer Künnecke dann, der in den Tagen zuvor noch als Obentraut auf Zeitreise gegangen war, zeigte seine Vielseitigkeit als Sprecher. Mit ihm wurden die Jahre um 1914, in denen ca. 1.500 Seelzer Soldaten waren, sehr lebendig. Immer wieder erklang in den vorgelesenen Briefen der Wunsch nach Antwort, nach Nachricht aus der Heimat. Post dauerte im Normalfall 4-5 Tage – aber was war ein Normalfall. „Es ist wieder Sonntag und ich denke an Velber…..“, „Zwei Hammel werden alle zwei Tage für 200 Mann geschlachtet“, „Schickt doch Pakete mit Speck, Schmalz und Streichhölzern“ – nur einige Schlaglichter aus den Texten. Da gab es auch Menschen, die mit immerhin 46 Jahren noch unbedingt in den Krieg wollten: Wilhelm Hahn nahm als Feldwebelleutnant seinen 16-jährigen Sohn mit.

Tiefes Durchatmen war auch zu hören, als der Satz fiel, dass Stollberg im Felde konfirmiert wurde. In einem anderen Brief stand, dass Friedrich nur überlebt hatte, weil ein Schuss zwar sein Gesangbuch durchschlagen hatte, aber in der Brieftasche hängen blieb.
Und am Ende, nach viel Applaus trotz der harten Kost, geschah dann das, was man in dieser Ausstellung immer wieder erleben kann: Die eigenen Familiengeschichten mussten einfach raus. Sie mussten angesprochen werden. So löste sich die Zuhörerschaft, die für einen fast überfülltes Museum gesorgt hatte, nur sehr langsam auf.
Es waren nur noch wenige da, da ging ein Besucher zum Auto, holte seine Gitarre herein und spielte das Lied, das den Eindruck hinterließ, nur für diesen Nachmittag gemacht zu sein. Dann verschwand er wieder – namenlos.

Die Ausstellung zum 1. Weltkrieg ist sonntags noch bis Ende Oktober zu sehen.

Bürgerreporter:in:

Evelyn Werner aus Seelze

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