Seelzes Stadtbrandmeister Jürgen Rosummek: Nur als Taucher hat sich noch keine Frau ausbilden lassen

Jürgen Rosummek | Foto: Jürgen Rosummek

Jürgen Rosummek ist Stadtbrandmeister der Seelzer Feuerwehr. Im E-Mail-Interview stellt er die Arbeit der Ortsfeuerwehren vor, berichtet von seinen positiven Erfahrungen mit den knapp 70 Kameradinnen und verrät, was Schüler und Jugendliche alles bei der Jugendfeuerwehr lernen.

Herr Rosummek, Sie sind Stadtbrandmeister der Seelzer Feuerwehr. Was zeichnet Ihre Feuerwehr aus?

Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Seelze setzt sich aus elf Ortsfeuerwehren und rund 450 ehrenamtlichen Einsatzkräften zusammen. Unterstützung erhalten wir im Bedarfsfall von der Werkfeuerwehr Honeywell. Die Mitgliedszahlen sind seit Jahren stabil, und Fluktuationen werden durch jährliche Grundlehrgänge (Truppmannausbildung) ausgeglichen. Trotz angespannter Arbeitsmarktlage sind alle Ortsfeuerwehren schlagkräftig, schnell vor Ort, hoch motiviert und sachgerecht ausgestattet. Einzelne Ortsfeuerwehren haben Sonderaufgaben. So ist Lohnde für die Wasserrettung zuständig, Döteberg ist spezialisiert auf die Tierrettung, in Seelze sind die Sonderfahrzeuge wie Drehleiter und Gefahrgutausrüstung stationiert, Dedensen betreut schwerpunktmäßig einen Teil der Autobahn 2, Almhorst und Gümmer stellen mit der Werkfeuerwehr den Atemschutzrettungstrupp usw. So ergänzen wir uns zweckmäßig.

Und wo zwickt es?

Die technischen Lehrgänge für Atemschutzgeräteträger und Sprechfunker an den feuerwehrtechnischen Zentralen der Region werden seit Jahren in zu geringer Zahl angeboten. Der Bedarf ist deutlich höher als die Zuteilung, das ist auf Dauer nicht tragbar. Zumal die Anforderungen an die Qualifikation der Kräfte und die Aufgaben der Ortsfeuerwehren kontinuierlich wachsen und spezieller werden.

Wenn sich ein Schüler überlegt, ob er zur Freiwilligen Feuerwehr gehen soll: Mit welchen Argumenten würden Sie dafür werben?

Mit der unglaublichen Vielseitigkeit eines Engagements bei der Feuerwehr. Bei uns kann sich jeder, der sich ehrenamtlich für Menschen in Not einbringen will, nach seinen Fähigkeiten und Neigungen weiterbilden. Dabei können vielerlei Fähigkeiten und Qualifikationen erworben werden. Das reicht von physikalischen Grundlagen über Wissen aus dem chemischen Bereich, der Ersten Hilfe, der Unfallrettung über Fernmeldewesen, Umweltschutz, Gemeinschaftserlebnisse, aber auch Disziplin, Zielstrebigkeit und gesunder Ehrgeiz sind erreichbare Ziele.

Wieviele aktive Frauen sind in Seelze im Dienst? Werden sie von den männlichen Kollegen akzeptiert?

Knapp 70 Kameradinnen aller Altersgruppen wirken in den Ortsfeuerwehren im aktiven Feuerwehrdienst mit. Die Erfahrungswerte sind durchweg gut. Alle weiblichen Mitglieder durchlaufen die reguläre Ausbildung, bringen sich mindestens so gut ein wie die männlichen Kameraden und besetzen bei entsprechendem Interesse die gleichen Einsatzfunktionen. Wir haben weibliche Atemschutzgeräteträger, Kraftfahrer, Funker und Maschinisten. Nur als Taucher hat sich noch keine Frau ausbilden lassen. Gerade weil es keine Unterschiede in der Ausbildung und im Engagement gibt, konnten sich vielleicht früher vorhandene Vorbehalte nicht halten. Unsere Frauen sind voll akzeptiert.

Haben Seelzes Ortsfeuerwehren eigentlich Schwerpunkte in ihrer Arbeit?

Ja, sicher. Grundsätzlich sind alle Ortsfeuerwehren für einen effektiven Ersteinsatz ausgerüstet und ausgebildet, schnell vor Ort und verfügen über beste Ortskenntnis. Darüber hinaus ist über entsprechende Einsatzplanungen sichergestellt und mit der Leitstelle in Hannover abgestimmt, dass bei Bedarf unverzüglich Verstärkung durch weitere, spezialisierte Ortsfeuerwehren zum Einsatz kommt. In Niedersachsen sind die freiwilligen Ortsfeuerwehren in Grundausstattungswehren, Stützpunkt- und Schwerpunktwehren gegliedert. In Seelze bilden Dedensen und Letter je einen Stützpunkt, während die Ortsfeuerwehr Seelze ein sogenannter Feuerwehrschwerpunkt ist. Entsprechend umfangreich und für den überregionalen Einsatz geeignet ist die Ausrüstung. Außerdem sind die Seelzer Ortsfeuerwehren in vier Einsatzzüge organisatorisch gegliedert.

Die Ortsfeuerwehr Gümmer feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Was zeichnet die Gümmeraner Feuerwehrleute aus?

Die Seelzer Ortsfeuerwehren, speziell aber auch die Ortswehr Gümmer, zeichnet ein hohes Maß an Eigeninitiative aus. So wurde das Feuerwehrhaus in Eigenarbeit renoviert, erweitert und ausgebaut, ein Mannschaftstransportfahrzeug wurde angeschafft und Gümmer unterhält eine von drei Kinderfeuerwehrgruppen.

Jederzeit kann es passieren, dass Ihre Leute in Situationen mit extremen psychischen Belastungen geraten. Wie sind Ihre Leute darauf vorbereitet?

Unsere Führungskräfte sind in der Regel sehr erfahren und entsprechend besonnen. So werden, soweit möglich, gerade junge Einsatzkräfte nur mit Fingerspitzengefühl mit belastenden Situationen konfrontiert. Aber auch mittels Einsatznachbesprechungen bis hin zum Einsatz von Notfallseelsorgern soll das Erlebte im Bedarfsfall verarbeitbar werden. Und natürlich auch im Rahmen der Ausbildung versuchen wir, uns auf Außergewöhnliches vorzubereiten.

Im vergangenen Jahr wehten einem Cabriofahrer auf der Autobahn 20000 Euro aus dem Wagen. An welche kuriosen Fälle können Sie sich erinnern?

Die Tierrettungen haben enorm zugenommen. Das reicht von der erschöpften Taube über ausgesetzte Ratten, eine zugeflogene Fledermaus, einen durch Eis verhinderten Haubentaucher bis hin zum Igel im Lichtschacht. Oftmals könnte couragierte Eigeninitiative der Bürger einen Feuerwehreinsatz in solchen Fällen entbehrlich machen.

Mal abgesehen von der Feuerwehr: Was macht Seelze lebenswert?

Seelze liegt zentral und doch ländlich. Es ist nirgendwohin weit, egal ob Bahnhof, Flughafen, Autobahnen, Hannovers City, Deister, Steinhuder Meer. Alles ist dicht dran.

Und was könnte besser werden?

Die finanzielle Situation der Stadt macht mir Sorgen. Auch müssen Lösungen für die zunehmende Verkehrsdichte gefunden werden wie zum Beispiel der Verlauf der L390.

Seit zwei Jahren schreiben Bürgerreporter auf myheimat.de, dem Mitmachportal der Leine-Zeitung. Was halten Sie von dem Projekt? Können Sie sich vorstellen dort über (Übungs-)Einsätze, Aktivitäten (z. B. Tag der offenen Tür) oder über Ihre Jugendfeuerwehr zu berichten?

Ich halte diese Idee der Leine-Zeitung für sehr gut. Schon jetzt nutzen unser Ortsfeuerwehren dieses Forum. Aber da geht sicher noch etwas...

myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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