Auferstanden aus Ruinen - die St.-Georgs-Kirche von Zweedorf

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Die St.-Georgs-Kirche von Zweedorf

"Auferstanden aus Ruinen"

- so titelte 2011 eine Tageszeitung die Einweihung des kleinen Kirchleins von Zweedorf - Doch die Ruinen blieben unangetastet.

ZWEEDORF ein reichlich altes Dorf, das bereits in den Urkunden des Ratzeburger Domes ein Rolle spielte - wenige Kilometer südwestlich von BÜCHEN gelegen, hart an der Grenze Mecklenburgs zu Schleswig-Holstein. (Eine hölzerne Kirche in Zweedorf wird bereits 1335 erstmals urkundlich erwähnt. Sie gehörte zum Bistum Ratzeburg.)
Und mit dieser letzten Umschreibung wird das Drama der jüngeren Geschichte auch schon erkennbar. - Mit dem Ende des II.Weltkrieges und dem Abzug der westlichen Allierten wurde auch hier die "Demarkationslinie" zwischen den Besatzungszonen zusehens schärfer gezogen und bewacht. Und schon bald fand sich auch dieses Dorf in der (5km-)Sperrzone gegen den Westen wieder. Spätestens ab August 1961 konnten selbst DDR-Bürger nur mit einer lange vorher zu beantragenden Sondererlaubnis in einen genau zu benennenden Ort zu klar benannten Personen reisen. Selbst die Bewohner dieses Gebietes hatten nur ein sehr enges Bewegungsfeld und es konnte oftmals Stunden dauern, bis sie wieder in ihren Ort einreisen konnten - oder sie wurde innerhalb kürzester Zeit ausgewiesen, in einem anderen Teil der DDR untergebracht (dazu gibt es haarsträubende Darstellungen auf dem Buchmarkt!) - Aufgrund dieser Umstände wurden die Dörfer innerhalb der Sperrzone immer kleiner.
Die Kirchengemeinden erfuhren wie innerhalb der gesamten DDR eine zusätzliche Einengung; auch die willkürlichen Schikanen fielen hier durchaus noch einmal deftiger aus. - Rund um die Zweedorfer Kirche lässt sich das in einigen Details ganz gut darstellen.
Das Kirchlein von Zweedorf hat den Krieg trotz seiner Altersschwäche überstanden doch war es längst renovierungsbedürftig, der Zahn der Zeit nagte. Die Gemeinde war klein und finanziell überhaupt nicht gut ausgestattet. Trotzdem gab es immer wieder Weg, das Notdürftige zu erledigen. Der zuständige Pfarrer hatte zunächst seinen Dienstsitz in der östlich von „Schwanheide“ (Grenzbahnhof) gelegenen Nachbargemeinde GRESSE. Später hatte der Pastor von BOIZENBURG (südlich von Zweedorf) die Aufgabe hier seinen Dienst mit zu versehen. Aber auch für die Pastoren galt es, Passierscheine für das Sperrgebiet zu beantragen und es war nicht immer selbstverständlich, dass die längerfristig geltenden Papiere auch bei jedem „Einreiseversuch“ zum Erfolg verhalfen. - Nach dem sich herausstellte, dass in der Zweedorfer Kirche angeblich auch einmal ein Flüchtling versteckt hielt, als er auf den Weg in den Westen eine letzte Etappe einlegte, war dieses Kirchlein, samt dem dazu gehörenden Pfarrhaus den Grenzorganen ein Dorn im Auge. - Um 1976 wurde dann die zuständige Pfarrstelle (in Boizenburg) vakant und das war für die Organe wie ein Einladung zum schnellen Handeln. Unter dem Deckmantel der Baufälligkeit wurden Kirche und Pfarrhaus zusammengeschoben und in im nahen Dorfteich versenkt. Aus einer wachen Ahnung heraus, hatten die Zweedorfer schon frühzeitig wesentliche Dinge „ausgelagert“ - zB. Abendmahlsgeschirr – eine der beiden Glocken hängt heute noch bei der winzigen Kapelle von Schwanheide. – Für die Beschwerdeführung dieses (auch im Sinne der DDR-Gesetze) widerrechtlichen Abrisses eines denkmal-geschützten Gebäudes handelte sich der neue Pastor Alfred Scharnweber einen Tag unbegründeten Knast ein.
Schon gleich nach der Wende, aber begann ein Zweedorfer unermütlich, sich für die Neuerichtung der Kirche einzusetzen. Mit viel Geduld und sogenannter Bauernschläue und auch viel „auf die Nerven gehen“ kam er schließlich Schritt für Schritt seinem Ziel so nahe, dass es schon wie eine Art biblische Tragik nach dem Vorbild des Mose aussieht, dass er ein Jahr vor der Einweihung des schlichten praktischen Baus verstirbt.
Aber er und die Zweedorfer und die Freunde dieses Dorfes haben es geschafft. Mit einer nicht geringen Ähnlichkeit haben sie einen modernen, innen wie außen nüchtern Bau errichtet – nicht aus Ruinen, sondern komplett neu. Sogar den Glockenturm konnte man noch dazu zaubern. Und am Ende wurde die Wette der Zweedorfer mit der Landeskirche gewonnen: Nicht mehr als 80.000 Euro hat das Bauwerk gekostet. Finanziert aus vielen namhaften Spenden (Sachspenden, Arbeitsstunden und auch Finanzmittel). Unterstützt wurde dieses Vorhaben nicht nur durch die wenigen Gemeindeglieder (knapp 200 gibt es nur), sondern auch von Menschen, die „eigentlich mit Kirche nichts am Hut haben“, aber dieses Vorhaben als sehr wichtig ansahen. - Sogar Glocken gibt es im kleinen Turm – aus Hamburg, dort waren sie irgendwie durch eine Umbaumaßnahme übrig geblieben und suchten nur einen neuen Ort.
Einen besonderen Schatz stellt die Innenausstattung dar.
Der Altar verwirrt die Betrachtenden nur auf den ersten Blick. Die Holzbildhauerin Barbara Wetzel (*1969) wurde für diese Arbeit gewonnen und inzwischen auch mit Preisen geehrt. Kleine Leitern tragen zwei Platten die wie ein halber Ring wirken.Und stellt man diese Halbringe „lang“ zusammen, dann kommt es zu dem Buchstaben „S“ oder zu einem Fragezeichen. Doch werden diese beiden Halbringen mit beiden Enden zusammengestellt, passt in den inneren Freiraum, ein Gestell, das ebenfalls einen Ring zeigt, der an einer Stelle gebrochen erscheint. Die zum Freiraum passende Schale dient der Taufe stammt von der Keramikerin Ute Dreist aus Crivitz. Das Gestell der Taufe wirkt besonders unruhig oder besser „lebendig“, denn die Stäbe und Verknüpfungen sollen Menschen und ihre Beziehungen untereinander. - Genauso haben die tragenden Leitern der Altarteile ihre Erklärung: sie leiten zur so genannten „Jakobsleiter“, genau dieses Sinnbild übernimmt auch das Lesepult (Ambo). Den Vorteil des Raumes schmücken an den Wänden bedruckte Stoffbahnen; Sie geben dem Bonhoeffer-Gedankenbild der „guten Mächte“ Raum.
Wenn jetzt noch von einer Küchenzeile im Eingangsbereich und einer Hochzeitstür an der Südseite die Rede ist, dann dürfte deutlich werden, wie vielseitig das Gotteshaus genutzt werden kann und wird.
Es mag unfair scheinen, die Fenster ganz am Schluss zu erwähnen, doch das könnte für jedes Detail der Kirche gelten. Der Künstler Thomas Kuzio (*1959) schuf sieben Seitenfenster mit Sandstrahlmotiven und zwei Altarfenster mit Aufglasmalerei und Airbrushtechnik.

Anmerkung zu den gezeigten Fotos:
Sie entstanden am 26.12.2013 - also am 2ten Weihnachtstag, im Anschluss an den sogenannten Verbandsgottesdienst! - für den einzigen Weihnachtsschmuck (Stern) fand sich nicht der Schalter, der das gewünschte Aufleuchten ermöglichen könnte.

Bürgerreporter:in:

Christel Pruessner aus Dersenow

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