Mit Langlaufskiern auf den Brocken

Zu jeder Jahreszeit ist der Brocken ein attraktives Ziel, und im Winter ganz besonders.
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  • Zu jeder Jahreszeit ist der Brocken ein attraktives Ziel, und im Winter ganz besonders.
  • hochgeladen von Kurt Wolter

Der Winter ist zwar noch nicht zu Ende, und vielleicht schaut er doch noch mal vorbei. Doch bisher zeigte er sich bei uns im Raum Hannover von seiner gemäßigten Seite, hatten wir doch trotz einiger Frosttage gefühlt keinen wirklichen. Zu einem richtigen Winter gehören eben auch mal höhere Minustemperaturen dazu und natürlich und erst recht das, was einen Winter eigentlich ausmacht, nämlich eine verschneite Landschaft. Doch von weißer Pracht konnte bisher keine Rede sein. Nur sporadisch und nur für kurze Zeit fielen ein paar Schneeflocken vom Himmel.

Doch wenn man auf eine Winterlandschaft wert legt, dann ist es von Hannover nicht weit bis zu einer solchen. Keine 100 Kilometer südöstlich davon liegt der Harz, und dort kann man in den meisten Jahren einen Winter erleben, so wie er eben sein muss und wie es sich für einen richtigen Winter gehört. Und nicht selten zeigt er sich in diesem 90 Kilometer langen Mittelgebirge von seiner allerschönsten Seite. So war es auch in diesem Januar. Grund genug, mal die Wanderstiefel und die Langlaufski vom Boden zu holen und sich auf den Weg dorthin zu machen. Natürlich gibt es im Harz bei den verschiedenen Ortschaften jede Menge Loipen, an denen man die Bretter unterschnallen kann. Wir haben uns dieses Mal für eine Skitour von Torfhaus zum Brocken hinauf entschieden.

In der Dunkelheit des frühen Morgens ist der große Parkplatz neben den himmelhohen Sendemasten und dem kleinen Abfahrtshang am Lift noch leer. Später wird er an diesem Bilderbuchwintertag so voll werden, dass nur noch mit Mühe eine Parkmöglichkeit zu finden sein wird. Und auch für etwas anderes lohnt ein frühes Aufstehen. Man ist im Wald noch vollkommen allein und begegnet zunächst keinem einzigen Menschen. Es sorgt einfach für ein gutes Gefühl, in der Einsamkeit einer solch schönen Natur unterwegs zu sein. Einzig und allein die gespurte Loipe weist auf eine Zivilisation hin. Doch die Spur ist am Morgen noch ungenutzt, was man an der lockeren Flugschneeauflage erkennen kann.
Und noch etwas lohnt das Frühaufstehen. Es ist der Morgenhimmel, der sich, nachdem wir das Wolkengrau des Torfhauses hinter uns gelassen haben, langsam hell einfärbt und bald in den schönsten und verschiedensten rötlichen Tönen zeigt. Man kommt sich fast so vor als sei man nicht in einer dichtbesiedelten Welt unterwegs, sondern irgendwo weit entfernt in den abgelegenen Wäldern Skandinaviens. Dazu kommt, dass die Temperaturen an diesem Tag so angenehm sind, wie wir ist selten erlebt haben. Bei minus 12 Grad regt sich im Wald kein Windhauch. Ideale Verhältnisse. Und auch wenn die Hände zunächst noch kalt sind, so werden sie doch durch die Bewegung der langausholenden Schritte und dem kräftigen Einsatz der Arme schnell warm. Die Bretter laufen, auch wenn es immer leicht bergauf geht, fast wie von allein.

Zunächst geht es den Goetheweg am Abbegraben entlang, der unter dem Eis fröhlich vor sich hin gurgelt. Bald tut sich der tiefverschneite Wald zur Linken auf und gibt den Blick über die weite Fläche des Torfhausmoores frei. Darüber zeigt sich unser Ziel, der Brocken mit seinem kahlen Haupt und den schwarzen Aufbauten darauf. Etwa sieben Kilometer bei 350 Höhenmetern sind es bis dorthin. Schon von hier aus kann man erkennen, dass die Landschaft dort oben zauberhaft sein wird, denn die Bäume sind in den Hochlagen noch viel dicker mit Schnee beladen.

Nach einer Weile erreichen wir den Kaiserweg, der von Bad Harzburg heraufkommt. Auf ihm sind im Mittelalter einst die deutschen Kaiser und Könige mit ihrem Gefolge von Goslar oder der Harzburg aus über den Harz zu ihren südlicheren Pfalzen hin gezogen. Der berühmteste Reitertross war wohl der des Salierkönigs Heinrich IV., der nach einem verlorenen Machtkampf mit dem Papst im Jahr 1077 seinen schweren „Bittgang nach Canossa“ antreten musste. Dort musste er auf den Knien im Schnee wartend büßen, bevor ihn Gregor VII. gnädig Einlass gewehrte und ihm schließlich Absolution erteilte.
Da haben wir es an diesem Tag im Schnee doch wesentlich einfacher, auch wenn es immer mal das eine oder andere etwas steilere Wegstück gibt. Doch auf dem Rückweg wird es an diesen Stellen besonders viel Spaß machen.
Kurz darauf verlassen wir den Kaiserweg schon wieder und wenden uns nach links, wo es, an den Felsen der Luisenklippe vorbei, zum Quietschenberg hinaufgeht. Dort zeigt sich die Natur von einer anderen Seite. Kahle graue Fichtenstämme überall, die in den inzwischen blauen Himmel ragen. Der Wald ist tot. Folge des Klimawandels und ein Werk des Borkenkäfers. Doch hier im Nationalpark Oberharz lässt man das Käfertier gewähren. Von allein wird sich auf den freigewordenen Flächen ein neuer Wald aussamen und entwickeln. Ein natürlicher Mischwald wird entstehen, der widerstandfähiger sein wird.
Am Eckersprung, an dem das kleine Flüsschen seinen Anfang nimmt, queren wir den Harzer Grenzweg, auch Kolonnenweg genannt. Auf ihm patrouillierten einst die Soldaten der Volksarmee, um die deutsch-deutsche Grenze zu bewachen. Doch das war Gott sei Dank einmal und ist nun schon, man glaubt es kaum, bald drei Jahrzehnte her. Aber die Erinnerungen daran bleiben. (Siehe auch: <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.myheimat.de/schierke/politik/festung-brocken-ein-berg-einst-unbesteigbarer-als-der-mount-everest-d2493836.html">Festung Brocken - Ein Berg einst unbesteigbarer als der Mount Everest</a>)

Nach der Querung wird es für eine Harzer Skitour nun so richtig steil. Wir müssen uns ordentlich ins Zeug legen, denn es geht am Königsberg zu den Bahngleisen der Brockenbahn hinauf. Und schnaufend zurückblickend wird der Ausblick dabei immer schöner, kommen wir doch über den Wald hinüber, und der Blick wird in Richtung Süden und Westen frei. Nun sehen wir von oben auf den Winterwald herab, durch den verschiedene Loipen führen und durch den wir gekommen sind. Wir erkennen verschiedene verschneite Bergrücken. Den Wurmberg bei Braunlage mit seinem Skigebiet. Den Rehberg bei St. Andreasberg und den langgezogenen Kamm des Ackerbruchberges mit der Hanskühnenburg, über den ich in der Woche darauf eine Skitour machen sollte. Man kann sich kaum sattsehen an der Schönheit dieser winterlichen Natur.
Und schön sind nicht nur die Weitblicke, sondern besonders nun auch die Natur um uns herum, denn die hat hier in etwa 1000 Metern Höhe unter den Felsklippen der Hirschhörner ihr Bild verändert. Nun laufen die Bretter nicht nur durch einen schönen Winterwald, sondern durch einen Märchenwald. Die lichter stehenden Fichten sind so dick mit Schnee beladen, dass sie ihre Äste weit hinunter biegen müssen. Ein wunderbarer Anblick.
Etwa zwei Kilometer folgen wir der Spur parallel den Bahngleisen. Und natürlich werden wir bald überholt. Schon von weitem haben wir das Schnaufen und Stampfen der Dampflock gehört, die hinter uns den Berg heraufkommt und die erste Fuhre an Touristen und Wanderern zum Brocken hinaufbringt. Schwarze und graue Dampfwolken ausstoßend müht sie sich bei drei Prozent Steigung an uns vorbei. Natürlich muss das im Bild festgehalten werden, ist doch die Schmalspurbahn ein beliebtes Fotoobjekt.
Schließlich erreichen wir die Brockenchaussee, die von Schierke heraufkommend die Bahngleise quert. Zweimal sind wir sie mit dem Rad gefahren. Auch das ist eine schöne Tour, allerdings wesentlich anstrengender. Dabei geht es 12 Kilometer lang nur bergauf, und an einigen Stellen extrem steil.
Auch für uns wird es nun steiler. Wir folgen der Chaussee, aber etwas abseits davon durch den Tiefschnee. Und dabei verändert sich das Landschaftsbild auf den letzten hundert Höhenmetern erneut. Die jetzt nur noch vereinzelt stehenden Fichten sind von kleinerem Wuchs. Und sie sind so dick mit Schnee bepackt, dass man sich wundert, dass sie unter dieser enormen Last nicht zusammenbrechen. Aber diesen extremen Verhältnissen sind sie gewachsen, sind sie doch an das raueste Klima in ganz Deutschland gewöhnt. Das zeigt auch die Baumgrenze, die bei etwa 1100 Metern Höhe liegt, so tief wie bei keinem anderen Berg unseres Landes.

Kurz darauf erreichen wir vorbei am Brockenbahnhof den höchsten Punkt des Berges, 1141 Meter über dem Meeresspiegel. Für mitteldeutsche Verhältnisse ist das eine enorme Höhe, und attraktiv allemal. Deswegen, und natürlich wegen seiner ganz besonderen und sehr interessanten Geschichte, ist er der wohl am meisten besuchte Berg Deutschlands. Zwei Millionen Menschen sollen im Jahr heraufkommen. Doch diese gigantische Zahl täuscht zumindest gefühlt. Denn richtig voll habe ich es am Gipfel bei meinen bisher 36 Brockentouren noch nie erlebt. Nicht selten sind sogar nur wenige Menschen im Gipfelbereich, und in den Morgen- und Abendstunden ist man oft fast allein. Man hat also nur seltenst das Gefühl von einem Massenauslauf, und so ist es an diesem Tag erst recht. Nachdem eine Bahn einen Haufen Menschen ausgespuckt hat, verteilen die sich schnell in alle Winde. Die meisten zieht es wohl gleich in eine der Lokalitäten, in denen es wärmer ist.
Doch bei nur leichtem Wind und viel Sonne spüren wir trotz der eisigen Temperaturen am Gipfel keine Kälte. Das haben wir auch schon anders erlebt. Bei Sturmböen und minus 15 Grad lag die Temperatur gefühlt bei über minus 25 Grad. Da freut man sich dann, wenn man ein Plätzchen im Windschatten gefunden hat. Nur beim Fotografieren ohne Handschuhe werden an diesem Tag die Hände etwas kalt. Doch beim anschließenden Picknick auf den vereisten Bänken des kleinen Wolkenhäuschens und einem nur noch lauwarmen Tee mit Rum, werden sie schnell wieder warm.

Die Rückfahrt ist natürlich eine Freude, geht es doch zunächst immer bergab. Wem es parallel zur Brockenchaussee zu steil ist und wem die Fahrt zu schnell wird, kann im Tiefschnee immer mal wieder die Backenbremse einsetzen oder die Ski gleich abschnallen. An den Bahngleisen entlang läuft es dann, meist nur mit Armeinsatz, wie von alleine. Danach geht es von der Bahnkurve am Königsberg steil und weit hinunter. Je nach Schneeverhältnissen kann man die rasante Abfahrt wagen. Oft sind dabei allerdings Wanderer im Wege, die es zu umkurven gilt. Und das ist manchmal nicht so einfach.
Wir fahren am Bodesprung mit viel Tempo durch eine schöne Senke bis zum Dreieckigen Pfahl, an dem sich einst drei Länder trafen. Von dort gibt es nun mehrere Möglichkeiten. Wem 15 Kilometer Skiwanderung reichen, der nimmt den direkten Weg zurück nach Torfhaus. Ein anderer Weg führt zum Wurmberg, einer Richtung Braunlage, oder ein weiterer über die Felskuppe des Achtermanns und Oderbrück. Und zuvor am Königsberg gab es schon eine Abzweigung nach Schierke hinunter. Sie alle führen, wenn man seinen Wagen am Torfhaus stehen hat, dorthin zurück. So kann man sich nach Lust, Laune und Fitness verschieden lange Tagesstrecken aussuchen. Zwischen 10 Kilometern bis zu 40 Kilometer ist jede Länge dabei. Wir haben schon alles ausprobiert.
Aber egal welche Strecke man auch auswählt. Der schönste Teil einer Skitour oder auch Wanderung im Harz ist eben der im oberen Bereich des Brockens. Dort ist die Winterlandschaft oft nicht viel weniger als wie verzaubert, einer Märchenlandschaft gleich, und dort oben wähnt man sich dann in einer völlig anderen Welt. Man erlebt traumhafte Winterszenerien, die es in tieferen Lagen nicht gibt. Und das sind Erlebnisse die derjenige, der sie erfahren hat, nicht missen möchte und von denen er lange zehren wird.

Siehe auch:
<a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.myheimat.de/schierke/freizeit/der-harz-das-noerdlichste-mittelgebirge-von-seiner-schoensten-seite-d2819420.html">Der Harz - Das nördlichste Mittelgebirge von seiner schönsten Seite</a>

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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