St. Peter-Ording - eine Erinnerung

Diese Postkarte stammt aus den 1960er Jahren.
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  • hochgeladen von Horst Becker

Nach einer Woche Aufenthalt in der Strandklinik in St. Peter-Ording (SPO) bin ich in meiner freien Zeit bereits einige Stunden zu Fuß im Ort unterwegs gewesen. Dabei hat mich ein Spaziergang etwas nachdenklich gemacht.

 

Ich bin nicht zum ersten Mal hier in SPO. Bereits im zarten Alter von 11 Jahren hatte man mich hierher „zur Erholung“ geschickt. Man kann es sich heute kaum mehr vorstellen, aber ich war zu dieser Zeit (1969) ein Leichtgewicht und sollte hier ein wenig aufgepäppelt werden. Und darüber hinaus sollte die frische Nordseeluft natürlich meine chronischen Krankheiten lindern.

Das muss man sich folgendermaßen vorstellen: Meine Eltern brachten mich in ihrem OPEL Kadett zum Hauptbahnhof nach Hannover, von wo alle an diesem Tag angereisten Sprösslinge per Bahn in Anwesenheit einer Begleitperson nach SPO gebracht wurden. Nach dem tränenreichen Abschied am Eingang des Bahnhofes (für Kinder und Eltern sicherlich gleichermaßen schwer) war ich nun plötzlich alleine unter fremden Menschen.

Der Aufenthalt im Kinder-Erholungsheim Dr. Drenckhahn hatte feste Regeln. An einigen Wochentagen gab es bestimmte Aufgaben zu erledigen, mittwochs beispielsweise war nachmittags Schuhe putzen angesagt. An anderen Tagen wurden Postkarten und Briefe geschrieben. Viel Abwechslung gab es nicht. Wenn das Wetter es erlaubte, wurden (in Zweier-Reihen) Spaziergänge unternommen. Meist in Verbindung mit dem Besuch eines großen und schönen Spielplatzes am Rande eines Kiefernwäldchens.

Einmal in der Woche durfte man zuhause anrufen. Im Flur hing ein riesiges, für uns Kinder kaum erreichbares schwarzes Telefon an der Wand. Davor standen dann mehrere Kinder hintereinander in einer Schlange und warteten mehr oder weniger geduldig, bis sie endlich an der Reihe waren und mit den Eltern sprechen konnten. Was überwiegend lautstarke Heimweh-Attacken auslöste.

Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Verpflegung damals in dem Heim: morgens Frühstück, mittags und abends Milchsuppe mit Mehlklößchen. Sechs Wochen lang. Man sollte ja zunehmen. Ich habe seit 1969 keine Milchsuppe mehr gegessen (und das wird bis an mein Lebensende so bleiben).

Wenn ich das aus heutiger Sicht betrachte muss ich sagen: es war keine schöne Erfahrung. Aber geschadet hat es mir wohl auch nicht.

Ja, und nun stand ich gestern Nachmittag nach über einem halben Jahrhundert (!) wieder vor dem Heim. Ich war ziemlich überrascht, denn ich hatte es mir noch so wie damals vorgestellt. Das Gebäude verbirgt sich hinter einer mannshohen Hecke, ungepflegt und mit riesigen Lücken. Ich hörte ein Kind weinen und es lagen mindestens 20 Kinderfahrräder auf einem Haufen. Ein großes Schild sagte mir, dass ich tatsächlich vor diesem Kinderheim stand. Aber mit dem Kinderheim von damals hat es wohl nicht mehr viel gemeinsam.

Das Bild zeigt eine Postkarte aus der damaligen Zeit.

Bürgerreporter:in:

Horst Becker aus Wohratal

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