62 Quo vadis Quellenforschung ?

Jümmer vorwärts, Heimatbund Niedersachsen e.V.
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Wenn die Quellenselektion seltsame Blüten treibt, sind häufig Spekulationen subjektiver Natur der Hintergrund. NS zum Artikel 61 Offener Brief an das Institut für Historische Landesforschung.

Zu Beginn des Jahres 2009 hatte ich den Vertreter dieses Institutes, Herrn Ohainski schriftlich gebeten, bei künftigen Neuauflagen seiner programmatischen Werke „Niedersächsisches Ortsnamenbuch I“ und „Niedersächsische Orte bis zum Ende des ersten Jahrtausends“ für Ronnenberg den Beleg „968 Runibergun“, Widukinds Sachsengeschichte als Ersterwähnung aufzunehmen und mir diese Vormerkung zu bestätigen. (s. auch Text der Vorlage vom 16.1.2009 im Anhang)
Dagegen erhielt ich auf meine vielfachen Erinnerungen lediglich nackte Eingansbestätigungen ohne Sicht- oder gar Bearbeitungsvermerk bzw. eine Absage an Runibergun 530, obwohl dieses Datum nicht angesprochen war. Mit der gestrigen Antwort, einem Dreizeiler nun mit Sichtvermerk outet sich erstmalig der Autor.
Zitat:
„hiermit bestätige ich Ihnen, daß Ihre Ausführungen zu Ronnenberg, denen ich mich nicht anschließen kann, und Ihren Brief an das Institut für Historische Landesforschung zur Kenntnis genommen habe.“

Dieser Satz dokumentiert nicht nur, dass Herr Ohainski einer sachlichen Diskussion ausweicht, auch die von mir erbetene Vormerkung einer Quellenergänzung bleibt weiterhin unbeantwortet.

Karl-Fr. Seemann

/Anhang
Karl-Fr. Seemann, Ronnenberg

Ronnenbergs erste urkundliche Erwähnung 968 / Widukind von Corvey

Widukind von Corvey, der Autor der Sachsengeschichte Res gestae Saxonicae bezeichnet den Ort der ersten Schlacht in der Auseinandersetzung der Merowinger mit den Thüringern
um 530 mit Runibergun in loco qui dicitur Runibergun.
Als Beleg für eine Ersterwähnung ist diese Lokalisierung untauglich, sagt die Wissenschaft und begründet das mit dem zeitlichen Abstand von 400 Jahren zum Kriegsgeschehen, denn
erst um 930 hat Widukind an seiner Geschichte gearbeitet.
Eine erzählende Quelle also? Zwangsläufig haben sich wohl die Autoren jüngerer Berichte die Frühzeit so vorgestellt wie die Ihnen bekannte Gegenwart. Aber was ist dann mit dem historischen Kern, der wohl jeder Erzählung zugrunde liegt? Könnte es nicht in diesem Fall
die Lokalisierung sein?
Die Historiker sehen in Widukind also den Berichterstatter der Ottonischen Zeit und verweisen darauf, daß der klerikale Widukind den zu seinen Lebzeiten bereits bedeutenden Kirchenort Runibergun nahe Corvey, den er aus eigener Anschauung kannte, fälschlicherweise als den Ort der ersten Schlacht ausgewiesen hat.

Daß der Kirchenmann Widukind das Kirchenzentrum Runibergun gekannt hat, gilt demnach als unbestritten. Daß im übrigen dieses Runibergun mit unserem Ronnenberg identisch ist, liegt angesichts der unmittelbaren Nähe zu Corvey nahe und wird belegt durch die etwa 50 Jahre später erschienenen Quedlinburger Annalen, die auf Basis der Sachsengeschichte bzw. Widukinds unterstelltem Irrtum die Schlacht im Merstemgau festmachen. Diese Jahrbücher
stammen aus dem Umfeld des Quedlinburger Stifts, dem die Äbtissin Mathilde
bis zu ihrem Tode 999 vorgestanden hat. Der unbekannte Verfasser, der die Kaisertochter Mathilde noch persönlich gekannt haben muß, begann seine Arbeit kurz nach Mathildes Tod.

Widukind von Corvey selbst war ein jüngerer Zeitgenosse Ottos I (reg. 936-973), der den Kaiser überlebte. Seine Sachsengeschichte verfasste er im Kloster Corvey. Zu Zeiten des Abtes Folkmar, gestorben 942 soll er dort als Mönch eingetreten sein. Als üblichen
Zeitpunkt für einen solchen Schritt kann ein Alter von 15 Jahren angenommen werden. Es war im 10.Jh. üblich, daß der hohe sächsische Adel seine jüngeren Söhne als Mönche im Kloster unterbrachte. Widukind darf also als Angehöriger des Hochadels angesehen werden, dem eine gewisse Nähe zu Kaiser Otto I nachgesagt wird, aber auch zu Mathilde I, der Gattin Heinrichs I, die von dem legendären Sachsenführer Widukind in karolingischer Zeit abstammen soll. Die enge Bindung Widukinds zur Ottonischen Monarchie wird durch seine Geschichtsschreibung unterstrichen.

Das nächste Datum ist belegt. 968 legte Widukind seine Sachsengeschichte der Tochter
Ottos I , Mathilde, seit 966 Äbtissin von Quedlinburg, zu Füßen. (Matthias Springer/Die Sachsen) Seine Motive deckt er in einem Widmungsschreiben auf, das offensichtlich erhalten ist. Und damit schließt sich der Kreis. Die Res gestae Saxonicae I, 15 erwähnt den Namen Runibergun aus dem Blickwinkel der Widukind bekannten Gegenwart, während der Verfasser der Quedlinburger Annalen, der über die von Widukind beschenkte Mathilde von der Sachsengeschichte wusste, mit der Datierung Merstemgau die Identität mit Ronnenberg bestätigt.

Ronnenberg, 16. 01. 2009
Karl-Fr. Seemann

NS
Vorabdruck eines Textbausteines der in Arbeit befindlichen Ortschronik.

Bürgerreporter:in:

Karl-Fr. Seemann aus Ronnenberg

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