#allesdichtmachen - eine coronaunabhängige Chance zu mehr demokratischem Miteinander - Liefers, Spahn, Holzner

Jan Josef Liefers: "Ich möchte danke sagen. Danke an alle Medien, die seit über einem Jahr unermüdlich, verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben. Und dafür sorgen, dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung."

Die satirisch angelegte Schauspieleraktion #allesdichtmachen im Internet hat viel Aufsehen erregt, schaffte es sogar umgehend in die Schlagzeilen sämtlicher Medien. Die gesamte Bandbreite möglicher Reaktionen vom Bejubeln einer großartigen Aktion über den Vorwurf der Geschmacklosigkeit bis hin zum Vorwurf rechtsextremen Gedankenguts und schäbiger Menschenverachtung wurde unmittelbar nach Veröffentlichung virulent.

Dabei war die Aktion wohl nichts anderes als ein wenig durchdachter Ausdruck ungeheurer Frustration, die sich in der Coronakrise unter den Menschen aufgestaut hat. Nicht von ungefähr haben einige Schauspieler ihre Clips schon bald nach dem Shitstorm zurückgezogen. Nicht so Jan Josef Liefers, der Darsteller des beliebten Professors Boerne aus dem Münsteraner Tatort, der zum Gesicht der Aktion wurde. Soll man ihn dafür schelten? Ich meine, nein. Er steht zu seiner Teilnahme und flieht nicht, stellt sich stattdessen. Das hat wohl auch etwas mit Rückgrat zu tun. Aber noch mehr Respekt gebührt wohl Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister.

Der Wirbel um die Aktion hat auf jeden Fall ein Kommunikationsproblem unserer Gesellschaft offengelegt: Meinungsblasen haben für viele Menschen längst den Stellenwert von Wagenburgen bekommen, in der sie aus allen Rohren auf alles schießen, was sich der Wagenburg nähert und sie womöglich auflöst. Liefers drückt sich dazu so aus: "Das führt zu einer nahezu totalitären Argumentation, bei der es ums Rechthaben, auch ums Zerstören des anderen Standpunkts geht." Dieses Kommunikationsproblem wurde in der Flüchtlingskrise, insbesondere im Umgang mit Pegida, aber auch bei der Bewegung Querdenken, wie ich meine, mehr als deutlich. Gesprächsverweigerung wurde zur Tugend erhoben, einem demokratischen Miteinander überhaupt nicht würdig, ihm selbst sogar schadend. Polarisierung und Ausgrenzung waren die Folgen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn scheint die Gefahr erkannt zu haben, die von dem bereits salonfähigen Kommunikationsverhalten der Gesprächsverweigerung ausgeht, so dass er Jan Josef Liefers zum Dialog eingeladen hat, der jetzt auch stattfand.
Jens Spahn: "Ich finde die Kritik in den Clips teilweise geschmacklos und häufig zu undifferenziert. ... Die Videos sind professionell gemacht. Ich verstehe aber, wenn manche sie zynisch finden; dass es zum Beispiel für Angehörige beatmeter Patienten verletzend ist, wenn da ein Schauspieler durch Atmen in die Tüte scheinbar ein Beatmungsgerät imitiert. ... Es ist ja nicht so, dass ich alles, was wir machen, für perfekt halte. Was mich allerdings wirklich stört, ist die vielfach behauptete These, wir hätten in unserem Land gleichgeschaltete Medien, die nur die Regierung beklatschen. Das hat mich auch in Ihrem Video geärgert, Herr Liefers.“ Spahn plädiert bei seiner Kritik an der Schauspieleraktion zugleich für permanente Gesprächsbereitschaft, wenn er sagt: "Hinter jedem Tod steht ein Schicksal, das berührt. Persönlich halte ich aber nichts davon, den Tod als Argument einzuführen, um Diskussionen zu beenden."
Liefers darauf: "Natürlich sind die Videos in ihrer Verkürzung undifferenziert. Und damit natürlich auch zum Teil ungerecht. Das ist aber in diesen kurzen Clips und auf der Ebene von Satire gar nicht anders möglich. Natürlich weiß ich, dass sich viele Journalisten in diesem Land um Neutralität bemühen."
Spahn und Liefers reden miteinander, ich denke, für beide und die Demokratie ein Gewinn.

Wie man hört, wird Liefers auch der Aufforderung #allemalneschichtmachen der leitenden Oberärztin Carola Holzner am Universitätsklinikum Essen, in den sozialen Medien als "Doc Caro" bekannt, folgen, eine Schicht im Krankenhaus oder im Rettungsdienst zu übernehmen. "Sie haben eine Grenze überschritten, und zwar eine Schmerzgrenze", sagt Holzner und bezeichnet die Aktion #allesdichtmachen als zynisch und sarkastisch. "In der aktuellen Situation haben, abgesehen von den vielen Erkrankten auf der Intensivstation und in den Krankenhäusern, zynische Diskussionen, Sarkasmus und Ironie, meiner Meinung nach, nichts verloren", fügt sie hinzu.

Ich denke, wir Menschen müssen uns mehr auf die Argumentation anderer einlassen, um uns einer optimalen und von einer breiten Bevölkerung getragenen politischen Agenda zu nähern. Willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein, sollte ausgedient haben.

Bürgerreporter:in:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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