Sozialpolitik versus Ökologie?

Toter Ackerboden, durch schwere Landmaschinen und Traktoren verdichtet, so dass Regen kaum eindringen kann, sondern an der Oberfläche wegfließt - in (begradigte) Bäche und Flüsse, was bei starkem Regen zu Überschwemmungen führt .
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  • Toter Ackerboden, durch schwere Landmaschinen und Traktoren verdichtet, so dass Regen kaum eindringen kann, sondern an der Oberfläche wegfließt - in (begradigte) Bäche und Flüsse, was bei starkem Regen zu Überschwemmungen führt .
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These: Wo die natürlichen Lebensgrundlagen schwer geschädigt oder schon zerstört sind, da ist Sozialpolitik nicht mehr möglich.

Dagegen wurde von einer Facebook-Freundin eingewendet: „Andersrum wird ein Schuh daraus: Eine vernünftige, gerechte Sozialpolitik macht es möglich die Umwelt wieder in Ordnung zu bringen. Dafür müssen wir uns nur die sogenannten Wirtschaftswunderjahre zum Vorbild nehmen: Noch 1947/48 lag Deutschland in Trümmern, 40 % der Bevölkerung brauchten Hilfe, bereits 1950 überstieg das Realeinkommen das Vorkriegsniveau. Anfang der 1950er Jahre betrug die Zahl der Arbeitslosen noch 2 Millionen, bereits 1955 wurden die ersten Gastarbeiter angeworben. Dies alles war möglich weil es eine echte, ausgewogene Sozialpolitik gab. Das ist m. M. nach durchaus auf den Umweltschutz übertragbar: Wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind, haben Menschen Sinn und Zeit für andere Dinge.“

Meine Antwort war «Du schreibst: „Noch 1947/48 lag Deutschland in Trümmern...“ Das stimmt. Ich habe damals im Hamburger Pressehaus gearbeitet und die Trümmer gesehen. Am schlimmsten hatte es Altona getroffen. Dort hatte nach dem Angriff ein Feuersturm gewütet. Zerstört waren damals in Deutschland Städte, Fabrik-, Hafenanlagen, die Infrastruktur. Auch in Schleswig Holstein, nach Ostpreußen meine zweite Heimat, waren Lübeck und Kiel noch voller Ruinen. Die Landwirtschaft und die Natur hingegen waren weitgehend verschont geblieben.

Ich habe nach 45 eine Zeit lang bei Oldenburg i. H. auf einem Gut gelebt, wo traditionelle, zu 90% ökologische Landwirtschaft betrieben wurde; lediglich Saaten waren da und dort knapp. Man lebte von den eigenen Erzeugnissen und verkaufte die immer noch reichlichen Überschüsse. Oder gab sie Bedürftigen. Auch der Pfarrer, der alle paar Wochen aus Flensburg zu Besuch kam, trampte mit vollem Rucksack wieder nach Hause. Wir müssen also den Schuh wieder umdrehen: Die Kriegsschäden und die heutige ökologische Situation sind völlig verschieden. Dementsprechend anders muss heute gehandelt und – gelebt werden...»

Sie antwortete: „Ich will keineswegs die Kriegsschäden und die derzeitige ökologische Situation miteinander gleichsetzen, ich will lediglich darauf aufmerksam machen dass auch oder gerade mit leeren Kassen eine vernünftige Sozialpolitik nötig und auch möglich ist. Wenn die Menschen den Kopf voll haben mit ihren eigenen Sorgen, dann haben sie wenig Sinn und Energie um sich um ökologische Zusammenhänge zu kümmern, darum wünsche ich mir dass die Grundbedürfnisse durch eine vernünftige Sozialpolitik in angemessener Weise abgedeckt sind, nicht mehr und nicht weniger. Wenn das geschehn ist, beginnen Menschen sich um ihre Mitwelt zu sorgen und handeln auch entsprechend.“

Meine Antwort: «Ich weiß, wie schwierig es ist oder war – da hat sich ja einiges geändert –, die Sinne für ökologische Probleme zu schärfen, besonders dort, wo körperlich schwer gearbeitet wird und/oder Armut ist und Menschen so abgestumpft sind, dass sie nicht einmal auf die eigene Gesundheit achten. Die Bergleute nahmen es hin, als sei es ihr Schicksal, dass ihre Frauen die Wäsche nicht raushängen konnten, wenn der Wind Rußwolken von der Zeche in ihre Siedlung blies, sie selber Staublungen bekamen und früher in Rente gehen mussten oder früher starben als Andere, weil die Kohlenbarone sich weigerten, ihre Schlote mit Filteranlagen auszurüsten. Das geschah erst nach massiven Protesten von „Ökospinnern“ – als solche sind wir lange Zeit tituliert worden, am heftigsten von Betroffenen. Heute bleibt, was die Atemluft betrifft, das Problem «Feinstaub», verursacht durch Kohlekraftwerke ohne Kraftwärmekopplung, durch Öl- und Kohleheizungen und durch den Straßenverkehr, vor allem in den Städten.

Aber der Bergarbeiter von damals fährt, wenn er noch am Leben ist, heute einen 2-Liter-Wagen und spuckt Blut. Führe er einen sparsamen Kleinwagen und würde er seine Schrebergartenparzelle ausschließlich mit heimischen Gewächsen statt mit immergrünen Exoten bepflanzen, dann wäre dies ein kleiner, wichtiger Beitrag zur Regeneration und Erhaltung der Natur und unserer Gesundheit.

Ein anderes Beispiel dafür, dass Armut nicht zwangsläufig zu ökowidrigem Verhalten führen muss: Hier in Recklinghausen lebte ein Obdachloser, der viele Jahre lang aus eigenem Antrieb Müll, der am Stadtrand herumlag, zusammengetragen und säckeweise zur Entsorgung abgeliefert hat. Ein Immigrant. Wir nannten ihn Willi.

So ließen sich viele Beispiele nennen, um solche einfachen ökologischen Zusammenhänge plausibel zu machen.

Je mehr der Mensch unter der Herrschaft von Industrialismus und Kapitalismus sich der Natur, auch der eigenen, entfremdet, desto weniger wird er sie achten. Not-wendig ist deshalb ist eine ökosoziale bzw. sozialökologische Politik .

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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