Der/die/das Nächste bitte!? .... oder das Leben in der unausweichlichen Warteschleife

Tick Tack ...! Die unendliche Warteschleife. Der Nächste bitte!!!
  • Tick Tack ...! Die unendliche Warteschleife. Der Nächste bitte!!!
  • hochgeladen von Anja Fiedler

Der Nächste bitte! Kennen Sie das auch? Wir alle befinden uns in einer ewigen und unausweichlichen Warteschleife. Wieviel Zeit unseres Lebens wir mit Warten verbringen! Aber das muss ja nicht immer negativ sein, oder?

Gedankenverloren blättere ich in der Zeitung. „Der Nächste bitte!“ ertönt es aus dem Lautsprecher der Arztpraxis, in deren Warteraum ich sitze. Meine Beine zucken, bereit zum Aufspringen. Aber der ältere Herr neben mir ist schneller. Erstaunlich, vorhin machte er doch noch einen so gebrechlichen Eindruck, als er langsam auf seinen Stock gestützt den Warteraum betrat. Wohlweislich er kam nach mir!! Ich will protestieren, aber der Herr ist in Sprintgeschwindigkeit verschwunden.
Ich seufze. Aber nach ihm bin ich dran. Dann bin ich wirklich die Nächste!! Warum? Weil im Warteraum außer mir niemand mehr sitzt!

Nach dem Besuch beim Arzt erledige ich einige Einkäufe im Supermarkt. Geduldig reihe ich mich in die Kassenschlange ein. Langsam aber sicher kommt die Kasse in Sicht. Endlich! Ich will gerade das erste Teil auf das Band legen, da stupst mich von hinten eine Frau mit gehetztem Gesicht an. „Lassen Sie mich vor? Ich habe nur zwei Teile!“ Ich nicke, obwohl ich auch nur fünf Teile habe. Also bin ich wieder die Übernächste und nicht die Nächste.
Beim Herausfahren aus dem Parkhaus nimmt mir jemand die Vorfahrt, dabei wäre ich doch die Nächste gewesen. Wieder nur die Übernächste! Und so geht es munter weiter. Beim Bäcker schlüpft noch schnell jemand vor mir durch die Tür und kauft natürlich das letzte Schoko-Croissant, das ich haben wollte. Zu Hause angekommen schnappt mir ein Nachbar dreist den Parkplatz weg, obwohl ich schon geblinkt habe.

Komischerweise bin ich bei unangenehmen Dingen oft schneller die Nächste als mir lieb ist. Sei es beim Zahnarzt, bei Prüfungen oder anderen unangenehmen Sachen.
Es liegt wohl daran, dass man in solchen Situationen anderen gerne den Vortritt lässt, während ansonsten jeder so schnell wie möglich der oder die Nächste sein möchte.

Der Lauf der Dinge und der ständige Wechsel machen uns alle zu Wartenden. Morgens warte ich auf das freie Bad, auf den nächsten Kaffee und das nächste fertige Toastbrot. Ich warte auf den nächsten freien Parkplatz, den nächsten freien Berater bei der Bank, aber auch auf eher unwahrscheinliche Dinge wie den nächsten Lottogewinn. Wir hängen alle gemeinsam in der immerwährenden Warteschleife. Wir können nichts dagegen tun!

Die Natur lebt es uns vor. Der nächste Frühling, Sommer etc. kommt bestimmt. Sterben Tiere, so steht der nächste Nachwuchs schon bereit. Blumen blühen und verblühen, aber nächstes Jahr erlangen sie wieder ihre volle Blüte. Bäume verlieren ihre Blätter, doch im nächsten Frühjahr sprießen wieder neue.
Ein Mensch geht, der nächste kommt. Dies ist der Kreislauf des Lebens. Wäre das nicht so, könnte auf lange Sicht kein Leben auf der Erde existieren.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf lässt sich doch manches leichter ertragen. Wir sitzen schließlich alle im selben Boot. Stammt vielleicht daher auch der Spruch:“Jeder ist sich selbst der Nächste!“? Gerade im Hinblick auf die heutige „Ellbogengesellschaft“ ist an diesem Spruch viel Wahres.

Jeder ist sich selbst der Nächste und möchte auch gerne immer sofort der Nächste sein. Doch gehört diese Art von Egoismus nicht zum Überleben dazu? Sicherlich, doch es kommt auf die Ausprägung an. Gesunden Egoismus muss jedes Lebewesen haben, um zu überleben. Aber ständiges Drängeln um den vorrangigen Platz, um immer der oder die Nächste zu sein, macht unbeliebt und einsam.

Man denke an das göttliche Gebot:“Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“.
Das fällt mir manchmal wirklich schwer. Aber auch hier kommt es wieder auf die Auslegung an. Ich muss nicht alle Menschen mögen, aber ich sollte jeden respektvoll behandeln.
Der nächste freie Platz ist eigentlich für mich, doch ich biete ihn der alten Dame hinter mir an. Wenn ich Glück habe und im Lotto gewinne, kann ich meine Nächsten daran teilhaben lassen. Immer der Nächste zu sein macht nicht glücklich.
Und manchmal hat der Nächste Pech und der Übernächste Glück.
Stellen Sie sich vor, Sie ärgern sich über einen Vordrängler an der Kasse, dann sind Sie dran und auf einmal ertönt ein „BlingBling!“ und der Chef des Geschäftes steht vor Ihnen. Sie sind der 1000. Besucher und haben etwas gewonnen. Da hat es sich doch gelohnt erst der Übernächste zu sein und der Vordrängler ärgert sich schwarz!

Und irgendwie ist doch irgendwann jeder unausweichlich der Nächste. Ich finde mich einfach damit ab und harre der Dinge, die da kommen. Es macht wenig Sinn wie der Hamster im Rad den Alltag zu durchlaufen und dabei seine Gesundheit zu ruinieren.. Auch im langsameren Tempo komme ich voran, vielleicht bin ich dann sogar manchmal schneller die Nächste.

Wie wird das Wetter eigentlich nächste Woche? Und wer wird der nächste Fußballweltmeister?
Beliebte Themen der Presse sind auch immer der nächste Mann oder die nächste Frau von A-, B- oder C-Promis. Doch mit dieser Lektüre beschäftige ich mich ausschließlich bei Friseur- oder Arztbesuchen. Aber wissen sollte man es schon, denn es könnte eine Frage bei der nächsten Sendung „Wer wird Millionär“ sein.
Wann kommt die eigentlich? Ich fiebere immer bei jeder Frage mit und warte gespannt auf die nächste. Oft lauere ich auch regelrecht auf den nächsten Kandidaten, wenn der aktuelle einfach nur langweilig und farblos ist. Wenn ich der nächste Kandidat wäre, ja dann…. Aber sie nehmen mich ja einfach nicht! Vielleicht bei der nächsten Bewerbung.
Auch Sendeformate wie DSDS, Let`s Dance oder Ich bin ein Star….. leben von der Neugier der Zuschauer. Wer wird der nächste Gewinner und wer fliegt als Nächster heraus? Das macht den Reiz dieser Sendungen aus.

Es klingelt an der Tür. Ich öffne. Ein Mann versucht mir zu erklären wie dringend unser Dach erneuert werden müsse. Es könnte beim nächsten Sturm davonfliegen. Ja klar! Das hat mir letztes Jahr auch schon jemand erzählt und im nächsten Jahr bestimmt wieder. Genauso könnte nächste Woche mein Auto nicht mehr anspringen oder die Waschmaschine ihren Geist aufgeben. Wer weiß schon welcher Ärger einen als nächstes ereilt?

Nächste Woche habe ich vielleicht Termine! Wahnsinn! Der mit Abstand schlimmste Termin ist der Tierarztbesuch mit meinem Hund. Er hat, drücken wir es mal so aus, eine leichte Tierarztphobie. Es kann beim nächsten Termin nur schlimmer und leider nicht besser werden. Das fängt schon im Warteraum an. Hier reißt sich kein Tier darum der nächste Patient zu sein. Einige knurren, miauen, die anderen bellen oder sitzen ergeben da. Frauchen und Herrchen sind nicht minder nervös. Verstohlen mustert man sich gegenseitig und tauscht die jeweiligen Krankheitsgeschichten aus.
Na ja, ich habe ja noch Zeit bis nächste Woche. Hier hilft die Verdrängungstaktik.
Dann habe ich nächste Woche noch einen Friseurtermin. Mit der nächsten Frisur wird alles anders! Die Frage ist nur ob besser oder schlechter. Oder lasse ich die Haare doch so wie sie sind? Eine wirklich schwere Entscheidung.

Und dann ist da nächsten Mittwoch noch der Elternabend. Da geht es um die nächsten anstehenden Ereignisse. Wer backt Kuchen für das nächste Schulfest? Welche Themen beinhalten die nächsten Klassenarbeiten? Bei manchen Eltern gewinne ich den Eindruck, dass es ihnen nicht um ihr Kind geht, sondern darum sich bei der nächsten Veranstaltung in den Vordergrund zu stellen und zu profilieren. Hauptsache sie sind auf dem nächsten Pressefoto. Alles ist bereits ohne Rücksicht auf das Kind vorgeplant. Schrecklich! Das sind genau die Eltern, die ihr Kind von einem Termin zum nächsten hetzen. Spielen? Dazu ist keine Zeit mehr, die nächsten Tage und Woche sind verplant. Hier ist wieder das Hamsterrad, in das auch schon die Kinder hineingezwungen werden. Warum muss immer alles vorausgeplant werden? Wieso kann ich nicht einfach mal abwarten, was am nächsten Tag passiert? Vielleicht ist schönes Wetter und man kann spontan schwimmen gehen. Diese Spontanität geht total verloren, wenn ich mich nur auf das Nächste konzentriere. Ich kann nichts mehr selber steuern. Das ist keine Warteschleife mehr, sondern eine Rennschleife.
Wichtig ist das Maß. Ich muss viele Dinge planen, aber ich sollte nicht mein ganzes Leben verplanen. Wo bleibt da das Überraschende und die damit verbundene Lebensfreude? Warum sind viele Leute so genervt, unfreundlich und rücksichtslos?
Weil sie keine Zeit mehr haben! Weil sie genau wissen, was als Nächstes kommt!

Aber glücklicherweise können wir manche Ereignisse nicht steuern und erahnen. Wir haben keinen Einfluss auf das Wetter am nächsten Tag und auf die Natur allgemein. Der Vulkanausbruch auf Island hat gezeigt, dass die besten Flugpläne nichts nutzen.
Die Aschewolke hat die Flughäfen und Flugzeuge zum Stillstand verbannt. Keiner wusste, wann der nächste Flug geht. Erstaunlicherweise ging das Leben weiter.
Wie gut, dass wir Menschen nicht alles steuern können! So werden wir immer wieder zum Innehalten gezwungen. Wir sehen die Welt geht nicht unter, nur weil wir den nächsten Termin verpassen.

Oh! Gerade fällt mir ein, dass ich noch bei meinem Stromanbieter anrufen muss.
Meine Kontodaten haben sich geändert. Noch gut gelaunt wähle ich die Nummer. Nach einigen Minuten verschwindet die gute Laune jedoch schlagartig. Ich hänge in der Warteschleife! „Der nächste freie Berater nimmt ihr Gespräch sofort an.“ Ich bin die Nächste, aber wann? In zehn Minuten oder vielleicht erst in einer Stunde? Nach zwanzig Minuten gebe ich entnervt auf. Immer das gleiche mit diesen Hotlines! Man gewinnt den Eindruck, dass dort ein einziger armer Mensch sitzt, der die Flut von Anrufern allein bewältigen muss. Servicewüste Deutschland! „Bei uns sitzen Sie immer in der ersten Reihe!“ Ich sitze auch gern in der zweiten oder dritten Reihe, wenn ich vernünftig behandelt und ernst genommen werde! Aber als Kunde kann man ja wechseln. Der nächste Anbieter wartet schon. Oft fällt mir auf, dass man bis zum Vertragsabschluss ausnehmend freundlich behandelt wird. Aber sofort nach der Unterschrift auf dem Vertrag, erlischt das Interesse. Der Kunde ist gewonnen und der nächste Neukunde wartet schon.

Auch die Banken verlieren immer mehr an Vertrauen. Ich habe den Eindruck, dass bei der Beratung nicht die Kundeninteressen im Vordergrund stehen, sondern die Interessen der Bank. Immer mehr Automaten und immer weniger Menschen. Die persönliche Beratung ist nur noch selten gegeben. Kundenbetreuung wie am Fließband. Da haben wir wieder das Motto:“Der Nächste bitte!“ Aber bitte im Schnelldurchlauf! Schnell die Anlage, Versicherung oder den Bausparvertrag an den Kunden verkaufen und dann weiter mit der nächsten Beratung. Schade! Ich warte lieber länger darauf, dass ich die Nächste bin und bekomme dafür eine persönliche und an meinen Bedürfnissen orientierte Beratung.

Aber wir alle können die Welt doch etwas besser machen. Ich fange bei mir selber an. Ein wenig mehr Geduld und einfach einen Gang zurückschalten. Das fällt mir zwar oft sehr schwer. Aber ich versuche es. Der Tag ist blöd gelaufen? Der nächste wird bestimmt besser!

In diesem Sinne bin ich schon gespannt was mir der nächste Tag bringt!

Der Nächste bitte!!!!

Bürgerreporter:in:

Anja Fiedler aus Pulheim

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