Zweiländermarathon Pfronten 2010: Das Berg-Nebel-Desaster oder 1000km für drei Minuten

10. Oktober 2010
09:00 Uhr
Schulzentrum, Pfronten
Kein schöner Anblick - Läufer nach einem missratenem Marathon.
  • Kein schöner Anblick - Läufer nach einem missratenem Marathon.
  • hochgeladen von Boris Braun

Es sollte ein Tag des persönlichen Triumphes werden, doch dann lief alles irgendwie schief. Doch blicken wir nochmal zurück: Meine erfolgreiche Teilnahme am Pfrontener Zweiländermarathon 2009 bei Traumwetter, toller Streckenführung und der erreichten Zielzeit von unter 3 Stunden 45 Minuten weckte relativ schnell den Wunsch in mir, "es jetzt mal wissen zu wollen" und im darauffolgenden Jahr schön langsam an den richtig guten Amateurzeiten zu kratzen. Ich spürte: 3:30 Stunden sind auf jeden Fall drin und eine 3:15 durchaus im Bereich des Schaffbaren. Also wurde das ganze Jahr fleißig trainiert mit einer Laufleistung von weit über 1000 Kilometern. Die ersten Tests in den letzten drei Trainingsmonaten gaben Anlass zur Hoffnung, dass die 3:15 knackbar waren. Ich stapelte vorsorglich ein wenig tiefer und sprach lieber von "irgendwas unter 3:30" - doch insgeheim spielte ich schon mit dem Gedanken, vielleicht als Altersklassenerster durchs Ziel zu laufen und zum ersten mal auch einen Sach- oder Geldpreis einzuheimsen.

Zwei Tage vorher meldete der Wetterdienst noch tolle Aussichten für den Sonntag im Tannheimer-Tal, die im Vergleich zum letzten Jahr neue Streckenführung ließ einen tollen Lauf in wunderbarer Natur erwarten und - keine Ahnung warum - die Bedeutung von 450 Höhenmeter Steigung bis Kilometer 20 auf dem Streckenprofil drangen irgendwie nicht so richtig weder ins Klein- noch Großhirn bei mir vor. Ich dachte nur: "Mei am Anfang geht's halt a bissl bergauf, aber dafür ist die zweite Hälfte dann entspannt abschüssig ..."

Sonntagmorgen, 08:50 Uhr: ca. 200 Läufer stehen am Startpunkt und warten verzweifelt, bis es losgeht. Denn jeder friert. Es hat gefühlte 5 Grad, alles verschwindet in einer dicken Nebelsuppe, doch jeder bleibt eisern bei kurzer Hose und T-Shirt, denn der Moderator macht nochmal deutlich: "Schpäteschtens nach dem Aufstieg habt's a trauuumhaftes Wätt-ter, verschprochn!" Ich hör noch mit halben Ohr, wie er vor der knackigen Steigung zwischen Kilometer 11 und 12 warnt, doch da fällt schon der Startschuss und ich gebe Gas. Die ersten zwei-drei Kilometer machen keinen Spaß, der Körper ist noch nicht warm, noch müde und erste kleine Steigungen treiben den Puls hoch. Doch das kenne ich und weiß, spätestens nach 6-7 Kilometer kommt der Flow und es läuft wie von selbst. Doch auch nach 10 Kilometern ist noch keine Besserung zu spüren. Ich schwitze zwar, doch gleichzeitig friert mich und der Nebel legt eine kleine Eisschicht auf Augenbrauen und T-Shirt. Es ist einfach nur anstrengend.

Dann kommt der besagte knackige Anstieg. Ich frage mich, ob der Moderator witzig sein wollte, denn "knackig" ist dieser Anstieg höchstens für einen Mountainbiker oder Bergläufer zu bezeichnen - ich hätte "senkrecht" als wesentlich treffender empfunden. Danach bin ich fix und fertig, muss Tempo rausnehmen, obwohl ich bereits jetzt viel Zeit verloren habe, und es geht weiter bergauf. Nach 15 Kilometern habe ich 12min Rückstand zu meiner Zielzeit und es geht weiter bergauf. Ich kann nicht mehr. Als es bei Kilometer Zwanzig immer noch bergauf geht und ich Kilometer um Kilometer Zeit verliere, mir schlecht ist und ich gleichzeitig friere, beschließe ich, den Marathon abzuhaken. "Du läufst jetzt noch bis Kilometer 30 bis nach Pfronten rein und die letzte Runde von 12 Kilometern sparst du dir!" Dieser Entschluss klingt plötzlich so unglaublich richtig und vernünftig, dass mir ganz wohl dabei wird.

Doch ab Kilometer 22 keimt nochmal die Hoffnung. Es geht bergab!! Ich bekomme wieder Saft in den Beinen und mache nochmal richtig Tempo. Die Strecke ist widerlich: Mitten auf einer Staatsstraße, viel Verkehr, mit immer eisigeren Temperaturen und jetzt auch noch massiv kalter Gegenwind, doch wenigstens nicht mehr bergauf. Ich habe inzwischen 18min Rückstand auf die 3:15 Stunden, aber denke mir, dass wenigstens die 3:30 jetzt noch drin sind. Diese Zeit finde ich, ganz der Selbstbescheißer, nun auch ziemlich respektabel - man muss ja nicht gleich nach den Sternen greifen - und halte das Tempo. Es läuft 12-13 Kilometer richtig gut, doch ein Blick auf die Uhr zeigt, dass ich keine einzige Minute gut machen konnte und jetzt ist auch noch die abschüssige Strecke zuende.

Aber Abbrechen gilt jetzt nicht mehr, ich bin bei Kilometer 35 und laufe die restlichen 7 Kilometer jetzt gefälligst noch zuende! Es geht noch ein paar Mal bergauf und meine Kilometerzeiten werden wieder rapide schlechter. Ich merke: Wenn ich mich jetzt nicht zusammenreiße, kann ich nicht einmal meine Zeit vom letzten Jahr toppen. Junge, Junge, Junge ...

Beißen auf den letzten Kilometern, der ständige Dialog im Kopf, der Engel und Teufel, der Ich-will-nicht-mehr gegen den Jetzt-reiß-dich-zusammen. Das Ziel ist in Sicht. Schaff ich noch 3.39 Stunden? Auch nicht mehr. Mit 3 Stunden 40 krieche ich ins Ziel, bin viel fertiger als letztes Jahr und schütte mit zittrigen Beinen und Händen eine Cola runter. 3 Minuten schneller als letztes Jahr, ich bin den Tränen nahe. Naja, es ist wenigstens vorbei - das einzig wirklich schöne an jedem Marathon ...

In der Dusche bekomme ich die Gespräche der anderen Läufer mit und die spenden zumindest ein kleinen wenig Trost nach all der Enttäuschung. Denn es ging wohl allen recht schlecht. Alle schimpfen über die eisigen Temperaturen, die extrem bergige Streckenführung und von jedem hört man ein "Ich bin ganz weit hinter meiner Zielzeit geblieben". Na, wenigstens etwas. Ab ins Auto und zurück nach Hause. Wie zum Hohn kommt nach einer halben Stunde Fahrt die Sonne raus und das Allgäu zeigt sich auf seinen letzten Metern von der schönsten Seite.

"Nie wieder!" denke ich mir und schaue zuhause gleich mal, wann der nächste Marathon in der Nähe stattfindet.

Wer mehr Infos zu diesem Lauf haben möchte, findet sie auf der Homepage vom Sparkassen Zweiländermarathon.

Bürgerreporter:in:

Boris Braun aus Friedberg

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