Burgpark Peine - Die Ausgrabungen 1998

Historische Landkarte um 1639. Östlich neben "Peyne" liegt noch "Haselrede" eine heutige Wüstung
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Der Peiner Burgpark

Abgesehen von Überlieferungen im Stil der berühmten Eulensage, sowie dürftigen bildlichen Darstellungen, war wenig über die mehrfach umgebaute 1816 endgültig abgerissene Peiner Burg bekannt. Die auf eine Gründung des späteren Reichstruchseß Graf Gunzelin von Wolfenbüttel (um 1170 - 1254) zurückgehende Stadt Peine liegt auf einer von drei Seiten mit Sumpfland umgebenen, erhöhten Landzunge, an deren Spitze sich in strategisch günstigster Lage die einstige Burg befand, die sich in den Schriftquellen bis in das frühe 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Ein komplexer Verteidigungsgürtel aus Wällen und Gräben umschloss die der Topographie angepasste Stadtanlage.
In den knapp zwei Jahrhunderten seit der Schleifung der Burg erfuhr der sogenannte Schlossberg regelmäßig moderne Ein- und Aufbauten. Anlässlich eines Stadtgründungsjubiläums war bereits in den 70er Jahren eine hochgelegene Kasematte im Burgwall notdürftig aufgemauert worden. Weitere, noch vorhandene originale Relikte der Burganlage schlummerten wie in einem Dornröschenschlaf im sogenannten Amtmann-Ziegler-Garten. Dieses Areal am historischen Aufgang von der Altstadt zum Schloss sollte umgestaltet werden. Da die verwilderte Gartenanlage aber auch wichtige historische Mauerreste überlagerte, initiierte der Ratsbeschluss eine archäologische Grabung, die im Sommer 1998 zu umfangreichen Erdbewegungen am Fuße der Festung führte.

Die Ausgrabungen der Relikte im Amtmann-Ziegler-Garten

Beim vorsichtigen Befreien von Schutt und Erde zeigte sich die sorgfältig gearbeitete Sichtmauer. Die aus vielen präzise gearbeiteten Segmenten bestehende Mauer gehört zu der um 1660 aufwendig modernisierten Burganlage mit hakenförmigen Eckbastionen. Die freigelegte Steinfassade offenbarte, daß man zahlreiche Steinmetze vor Ort hatte. Die einzelnen Segmente sind mit den verschiedensten individuellen Zeichen dieser Handwerker gekennzeichnet. Schlichte, gradlinige Zeichen, Kreuzformen oder hausmarkenähnliche Symbole wechseln von Quader zu Quader. Spätere Abgleiche mit den rezenten Kennzeichnungen im alten Burgkeller der ehemaligen Weinhandlunge Zehner und später Euling ergaben Übereinstimmungen, die eine zeitgleiche Erbauung belegen.
Mit fortschreitenden Baggerarbeiten tauchte schließlich auch unter der Straße “Am Amthof” der erste von zwei steinernen Brückenbögen auf. Die in späterer Zeit untermauerten Bögen standen ursprünglich nahezu frei, von der eigentlichen Burg getrennt durch eine hölzerne Zugbrücke. Der Eulingsche Weinkeller, Teil der historischen Burganlage, diente mit seinen Schießscharten einst zur Kontrolle der strategischen Schwachpunkte Brücke und Graben.

Gräben waren bedingt schiffbar

Die Gründungen von Brücke und Festungsmauer bestehen ans großformatigen Schwellbalken, die auf eingerammten Spitzpfählen ruhen. Durch Grundwasserabsenkung ist die hölzerne Schwellung völlig verrottet, was umgehende statische Sicherungsmaßnahmen in Form von modernen Betonunterfangungen erforderlich machte. Unter den freigelegten Brückenbogen fand sich eine verborgene Steg-Anlage aus starken Eichenbohlen um die herum eiserne Bootshaken und der Fehlguss eines Feuerrohr-Rohlings (Frühe Handwaffe) im Schlamm deponiert waren. Die wohl unabsichtlich verloren gegangenen Bootshaken belegen einmal mehr das Befahren des alten Grabensystems durch mutmaßliche Flach-Boote.

Der Burggraben floss in einer Breite um 10 - 15 m durch den späteren Amtmann-Ziegler-Garten, auf dessen Rasenplatz sich noch heute sein Verlauf deutlich abzeichnet. Beim Anlegen eines Suchschnittes wurden zwei Grabenufer unterschiedlicher Zeitstellung festgestellt. Etwa 2 in vor dem am weitesten hervorragenden Mauersockel fand sich eine primitive Uferböschung, die mit armdicken Spitzpfählen gefaßt war. Nur einen knappen halben Meter davor verläuft eine weitere, weitaus aufwendigere Uferbefestigung, die ohne Zweifel zu der um 1660 ausgeführten Anlage gehört. Hier waren zum Teil in fachwerkartiger Technik große Vierkantpfähle eingerammt, die mit Bohlen hinterlegt bzw. verbunden waren. Bei der Neuanlage der Burg hatte man den vorhandenen mittelalterlichen Burggraben nahezu vollständig ausgehoben. Alle Gräben wurden “Upgegraven undt upgeruniet” und mit einem Schiff fuhr man den Sand aus dem Stadtgraben. Ein weit in den neuzeitlichen Burggraben gegrabener Suchschnitt ergab dann auch kaum nennenswerte Funde, sondern nur einiges, erstaunlich gut erhaltenes Holzgeschirr neben zumeist polychrom bemalten Keramikscherben und Ofenkachelresten mit Glasur.
Durch gezielte Suche konnte auch die älteste Uferbefestigung des Burggrabens erfasst werden. In einem etwa einen Meter breiten Streifen unterhalb der Ufereinfassung von 1660 folgte eine Kulturschicht, die geradezu überquoll von verschiedenen Hinterlassenschaften aus dem mittelalterlichen Burgbetrieb.
Die Burg war in Kriegszeiten für die Peiner Bevölkerung letzte Zuflucht und Hoffnung, wenn feindliche Heerscharen die Vorstadt geplündert, die Tore eingerannt und in den Stadtkern eingedrungen waren. Man nahm bewegliche Habe und die Barschaft mit auf den erhöhten, stark befestigten Burgberg, überließ sein Heim den herannahenden Gegnern oder setzte es selbst in Brand. Die Feinde verschanzten sich in den Ruinen und näherten sich der Burg bis in den Bereich des heutigen Marktplatzes. Von dort aus unternehmen sie ihre Vorstöße auf das sogenannte “Eulennest”. Ihnen gegenüber lagen hinter Palisade, Wall und Graben die Belagerten, die auf die bisweilen trickreichen Versuche der Angreifer, die Burg zu stürmen, mit ebenso großem Einfallsreichtum reagierten.

Das Eulennest im Kugelhagel

Schwierigstes Hindernis für die Angreifer war der breite Burggraben, in dem man unmöglich mit schwerem Gerät oder Rüstung agieren konnte. Also versuchte man das Wasser abzuleiten oder ihn mit Stroh und Weidenbündeln zu füllen. Reste davon fanden sich reichlich im Uferbereich des mittelalterlichen Grabens. Auch Laufgräben wurden ausgehoben, in denen man vor der von der Brustwehr zurückfeuernden Burgbesatzung geschätzt war. Als man sich bei der Belagerung 1522 fast Auge in Auge gegenüberstand, schleuderte die Besatzung Dachziegel der Burggebäude auf alle Angreifer, die sich näherten. Diese feuerten ihrerseits aus Zielbüchsen auf jeden, der sich auf der Brustwehr zeigte. Es ist möglich, daß ein im Grabenufer gefundenes Bleigeschoss im Zusammenhang mit dieser Belagerung steht. Sicher sind jedoch eine schwere Steinkugel und ein geplatztes Hohlgeschoss aus Gusseisen, wohl Relikte der Stiftsfehde. Sie wurden am Grabenufer vor der Sockelmauer in situ gefunden. Am Mauerwerk abgeprallt waren beide Kugeln direkt nebeneinander im schlammigen Ufer versunken. Bei der Freilegung verströmte der Inhalt der geplatzten Brandbombe einen Geruch von Öl und Schwefel. Ihre “brandgefährliche” Füllung war mit Holzspänen durchsetzt. Offenbar hatte sie ihr Ziel (Dachstuhl?) nicht erreicht und lediglich die Burgmauer lädiert. Über den Beschuss und Fall des mächtigen Turmes “Güntzel” gibt es anschauliche Schilderungen. Etwa 300 Kanonenkugeln aus 16 schweren Geschützen feuerten die Braunschweiger auf ihn ab, ehe er fiel, aber nicht wie vom Angreifer erhofft in den Graben, sondern in den Burghof, wohin ihn die Besatzung (mindestens 800 Landsknechte) mit Ketten und Seilen zog.
Zwischen dem hochgelegenen Gewölbe der kleinen Kasematte und dem Aufgang zum heutigen Amtsgericht wurden ebenfalls Wildwuchs und Schutt beseitigt. Dabei konnten die Grundmauern eines kleinen, rechteckigen Gebäudes freigelegt werden. Der Gebäuderest liegt unmittelbar an der ehemaligen Zugbrücke. Es handelt sich um die Reste des Torwachenhauses. Im Umfeld gefundenes, gelbgrünliches Rautenglas, das einst von Bleiruten gefaßt war und die dazugehörigen Reste von gedrehten Windeisen zeigen, wie einst die Fenster der Wachstube aussahen.
Unerwartet aufwendig und zugleich voller Überraschungen gestaltete sich die Freilegung eines anschließenden Schachtsystems, das aus Natursteinquadern sorgfältig gemauert war. Da seine Funktion zunächst völlig unklar war, wurden Schutt und Sand per Hand herausgeholt. In fast 5 m Tiefe entschädigte der unerwartete Blick in einen verborgenen Gang, der annähernd zwei Jahrhunderte von niemandem mehr gesehen, geschweige denn betreten worden war. Da der Tunnel in Richtung Außenmauer führte, begann in den folgenden Tagen die Suche nach dem verschütteten Austritt. Dieser fand sich schließlich unmittelbar über der Mauergründung in Form eines kleinen, einst wohl verdeckten Ausflusses. Offenbar sammelte man das Regen- und Schmelzwasser der Dachflächen der angrenzenden Burggebäude im tiefen Schacht und leitete es in den Burggraben.

Tonpfeifen, Tierknochen und Trinkgelage

Aus der Verfüllung des Schachtsystems konnten neben Scherben von Flaschen, Keramik und Tonpfeifen des späten 17. bis frühen 18. Jahrhunderts bemerkenswerte Einzelfunde geborgen werden. Mindestens fünf schlanke Hundeschädel und weitere Tierknochen wurden im Aushub beobachtet. Ein stark verrostetes Klappmesser mit verzierten Griffschalen aus Knochen war nutzlos geworden, nachdem die Spitze offenbar abgebrochen war. Letzteres gilt auch für einen doppelseitigen Knochenkamm, dem etliche Zinken fehlen. Grobe und feine Zahnung lassen einen Läusekamm vermuten, was auf hygienische Probleme unter der Burgbesatzung hindeutet. Als wahre Fundgrube entpuppte sich die schon erwähnte Verfüllung der sogenannten Torwachenstube am Brückenübergang.
Unzählige Fragmente von Salbentöpfen, Tonpfeifen, Wein- und Medizinflaschen aus Glas waren in einer etwa 30 cm starken Fundschicht deponiert.
Diese sind hinsichtlich der breit gestreuten Provenienz typisch für das einst in einem “Dreiländereck” gelegene Fuhsestädtchen Peine. Vergleichsfunde aus Braunschweiger Grabungen, bei denen spezifisch gekennzeichnete Landesprodukte wie eben Tonpfeifen, Bouteillen usw. erfaßt wurden, belegen die Praxis einer “vorschriftsmäßigen” Versorgung aus landeseigener Produktion dieser einst massenhaft gefertigten Konsumgüter. Mit dem Bergen dieser jüngsten Gebrauchsgüter von der Peiner Burg endete schließlich auch die vorläufige Spurensuche auf dem geschichtsträchtigen Fundplatz.

Ein Burgpark für die Bürger

Nach Abschluss der Fundsicherung erfolgte im Rahmen eines Pressetermins vor Ort die Vorstellung der Fund und Befunde. Weiterhin wurden die Mauerreste teilweise wieder aufgemauert, Beleuchtung installiert und Schutzgeländer angebracht. Eine Beschilderung durch Info-Tafeln erläutert Besuchern die Bedeutung der Anlage. Im Bereich des einstigen Burggrabens legte man eine ausgedehnte Rasenfläche an. Am Tag der Niedersachsen im Jahre 2000 wurde die fertige Anlage als Burgpark bezeichnet letztlich ganz offiziell eingeweiht. Der Park ist inzwischen nicht nur fester Anlaufpunkt der historischen Stadtführungen in Peine, er wird auch intensiv genutzt. Sommerliche Freiluft-Aufführungen finden oft sehr großen Zuspruch; ferner nutzen auch Privat-Personen die altertümliche Ruinen-Kulisse gern als Foto-Hintergrund zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Konfirmationen.

Bürgerreporter:in:

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