Redebeitrag Frank Kosching (Die Linke) in der Kreistagssitzung vom 11.3.2013 zur Fusionsentscheidung

Archivfoto von Frank Kosching

Verfahren undemokratisch, Ergebnisse mangelhaft

Osterode (red). Historische Weichenstellungen sind fast immer umkämpft und umstritten. Solange es dabei fair zugeht, ist das kein Problem. Die Fusionsfrage, die vollendete Tatsachen für viele Jahrzehnte schaffen wird, ist ein trauriges Exempel dafür, wie eine Kreistagsmehrheit rigoros durchregiert und dabei die Bürger aus den Augen verliert.

Noch im Mai 2012 versprach Herr Rordorf, die Bürger sollten das letzte Wort haben – zwar erst ganz zum Schluss, wenn alles verhandelt und nichts mehr veränderbar sei, aber sie sollten die Kreistagsentscheidung durch ein Bevölkerungsvotum ergänzen. Davon wollen die Grünen – die einstige Partei der „Basisdemokratie“ – heute nichts mehr wissen.

Der Kreistagsbeschluss vom 18. Februar Richtung Göttingen und Goslar war eine Farce. Natürlich war zu diesem Zeitpunkt mit Göttingen schon alles ausgehandelt. Vor allem aber wollte niemand von Rot-Grün, schon gar nicht Herr Geißlreiter, noch ernsthaft mit Goslar sprechen. Was diesbezüglich nach dem 18. Februar passierte, dazu schreibt die SPD-Landtagsabgeordnete Petra Emmerich-Kopatsch in Facebook folgendes:

„Schade, dass Osterode keine Argumente für eine Fusion Goslar - Osterode wollte, sondern nur ein Abschluss -Alibi-Gespräch ... Es wird am 11.3. Beschluss Fusion Göttingen - OHA geben. Ich bedauere das und alle Fraktionen im Kreistag Goslar auch. Wir haben OHA alles im Verhältnis 40:60 angeboten. Personal, Finanzen usw. Erhalt der Schulstandorte, der FTZ, Sitz des ersten Kreisrats in Osterode. Entwicklung des Gesundheitssektors, des Tourismus, eigentlich alles, was wir bieten können. Und wir brauchen Osterode nicht, um uns zu entschulden. Wir waren fair und ehrlich bei der Sache. Und einstimmig für OHA.“

Soweit Frau Emmerich-Kopatsch.

In der Sache ist die Lage nicht weniger mangelhaft:

Bei den Finanzverhandlungen zwischen der Stadt und dem Landkreis Göttingen bahnt sich keine abschließende Lösung an. Die Antwort von Herrn Geißlreiter auf die Anfrage von Kreistagsabgeordnetem Gückel (CDU) zeigt, dass die Situation hier nicht abschätzbar ist. Die Stadt verlangt 39 Mio. Euro und mehr, also 6 Mio. Euro und mehr als aktuell vereinbart. Eine deutliche Erhöhung der Kreisumlage kann nicht ausgeschlossen werden, zumal eine abschließende landesgesetzliche Regelung bis zum Fusionsstichtag nicht zu erwarten ist. Sollte Göttingen kreisfrei werden, bräche die vermeintliche Legitimation für den Zusammenschluss mit Osterode wie ein Kartenhaus zusammen. Ein sogenannter Kragenkreis um die Stadt herum, wie ihn Prof. Hesse im fortgeschriebenen Gutachten auf Seite 318 vorschlägt, ist skurrile Hilflosigkeit, mehr nicht.

Die vielzitierte Redundanzleitstelle in Osterode wird dauerhaft keinen Bestand haben. Die Berufsfeuerwehr hält dieses Modell für inakzeptabel. Eine Finanzierung durch die
Krankenkassen wird daher unwahrscheinlich sein.

Die Ausgestaltung der Berufsschullandschaft im neuen Landkreis ist völlig offen. Das Problem wurde vertagt bis nach der Fusion.

Im übrigen bleibt leider das richtig, was wir schon vor einem Jahr und davor gesagt haben: Sehr lange Wege, die zu Lasten der Immobilen, chronisch Kranken, Alten und
Langzeiterwerbslosen gehen. 100 km von Zorge nach Hannoversch Münden. Eine räumliche, politische und soziale Marginalisierung des West- und Südharzes – in der Folge: die schon jetzt schwachen Teilräume des Landkreises Osterode werden bei einem Beitritt zu Göttingen ein für allemal abgehängt. Daran ändern auch querschnittsorientiert vorgehaltene Dienstleistungen der Verwaltungsaußenstelle Osterode nichts. Die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger werden durch die übergroßen Entfernungen de facto eingeschränkt. Demokratie wird abgebaut, denn der Altkreis Osterode wird im neuen Kreistag nur noch stark unterrepräsentiert vertreten sein.

Meine Damen und Herren, ich appelliere an Ihr Gewissen. Verhüten Sie in der nun folgenden Abstimmung einen verhängnisvollen Fehler

Foto: Archiv Bernd Jackisch

Bürgerreporter:in:

Bernd Jackisch aus Bad Lauterberg im Harz

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