Vor hundert Jahren: In den Baracken am Quai d´Orsay. Und heute? KOMMT ZUSAMMEN in Offenbach!

23. März 2012
19:00 Uhr
Hauptbahnhof, 63069 Offenbach am Main
Guillaume Apollinaire (geb. Wilhelm Albert Vladimir Apollinaris de Kostrowitcky) verstand sich als Autor. Als Kunstkritiker prägte er wesentlich die beiden kunsthistorischen Stilbegriffe des "Orphismus" und "Surrealismus". Seine "Calligramme" erkunden auf humorvolle, plakative und auch konsequent experimentelle Art Grenzgänge zwischen Bild und Schrift. | Foto: Quelle: Wikimedia Commons
  • Guillaume Apollinaire (geb. Wilhelm Albert Vladimir Apollinaris de Kostrowitcky) verstand sich als Autor. Als Kunstkritiker prägte er wesentlich die beiden kunsthistorischen Stilbegriffe des "Orphismus" und "Surrealismus". Seine "Calligramme" erkunden auf humorvolle, plakative und auch konsequent experimentelle Art Grenzgänge zwischen Bild und Schrift.
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  • hochgeladen von Reinhild Paula Margarethe Kuhn (geb. Weber-Lucks)

Vor hundert Jahren wurde der legendäre "SALON DES INDÉPENDANTS" zum 28. Mal in den Baracken am Quai d´Orsay eröffnet, berichtet Guillaume Apollinaire in einem Zeitungsbericht.

Anfang des letzten Jahrhunderts zählte die heute im eleganten 7. Arrondissement gelegene Pariser Uferstraße offenbar zu den eher heruntergekommenen Gegenden. Das war doch eine gute Idee der *Société des Artists Indépendants*, dort ihre Ausstellung zu eröffnen. Apollinaire schreibt 1912 :

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DER SALON DES INDÉPENDANTS

Die Vernissage findet morgen in den Baracken am Quai d´Orsay statt – ein erster Überblick

Wenn die Unabhängigen morgen ihre Ausstellung eröffnen werden, kann ich von mir sagen, dass ich seit sieben Jahren die zeitgenössische Kunst in verschiedenen Publikationen verteidigt und dabei gerade in der Kolumne dieser Zeitung Wahrheiten vertreten habe, die sich sonst kaum jemand getraut hätte niederzuschreiben.

Diese Wahrheiten blendeten manchmal wie ein scharfes Licht. Ich hatte jedoch die Genugtuung zu wissen, dass sie eine kleine Elite erleuchteten. Man gewöhnt sich schnell an helles Licht. Meine Flammen haben wieder andere Fackeln angezündet. Heute bin ich nicht mehr allein, um die jungen französischen Schulen zu verteidigen.

Aber auch in Zukunft werde ich nicht aufhören, von allem zu sprechen, was die Aufmerksamkeiten der Künstler und des Publikums verdient.

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Weiter berichtet Apollinaire am 20. März 1912:

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Der Salon gehört zu den wichtigsten vieler denkwürdiger, von der *Société des Artists Indépendants* organisierter Ausstellungen. Signac hat mir einmal von den Anfängen dieser Künstlergesellschaft erzählt, deren Präsident er heute ist. Es ist eine Geschichte - und sein Held war ein Polizeipräsident, der in seiner Freizeit zu malen pflegte.
Eine genauso heroische Rolle spielte ein junger Kunstkritiker, der als einziger die neu gegründete Gesellschaft besuchte. Sein Name ist Arsène Alexandre. Neulich sahen wir ihn den Salon des Indépendants zum 28. Mal besuchen.

Der diesjährige Salon ist sehr bedeutsam. Da sich jeder Künstler auf drei Werke beschränken musste, suchte jeder nur die besten Sachen auszustellen. Der Salon stellt somit in seiner Gesamtheit einen beträchtlichen Fortschritt dar. Dessen Bedeutung nur dem Kritiker entgehen wird, der den offiziellen Status des Künstlers für wichtiger erachtet als sein Talent. Man wird beim Besuch der Räume verschiedene, klar unterscheidbare Tendenzen bemerken.

Picassos Einfluss ist am deutlichsten zu spüren, obwohl er weiter umgewandelt worden ist. Selbst Künstler, die ganz und gar von diesem Einfluss durchdrungen waren, haben in den letzten zwei Jahren Anstrengungen unternommen, so dass ihre Persönlichkeit nun durch strenge Disziplin, der sie sich unterworfen haben, verwandelt und gestärkt hervorgegangen ist. Der Einfluss von Matisse scheint vollkommen verschwunden zu sein. Das muss man eigentlich bedauern…

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Dieses ist ein historischer Beitrag zu der von MUT & LIEBE in Offenbach am Main am 23. März 2012 um 19 Uhr im Hauptbahnhof ins Leben gerufenen Veranstaltung KOMMT ZUSAMMEN.
Eine richtig gute Idee. Nur schade, dass wir in 100 Jahren nicht mehr mit dabei sein können, wenn 2112 am Offenbacher Hauptbahnhof der Frühling ausbricht und die urbanen Großtädterinnen und Großstädter nach draussen lockt. Morgen dabei sein ist aber Anfang.

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Zum *ANFANG* bemerkte Alexander Rodtschenko, ein Zeitgenosse Apollinaires, ebenfalls vor genau 100 Jahren, 1912, als er sich als Student in Kasan noch in der Malerei ausprobierte:

KLARE GEDANKEN UND MUT - jeder hat das alles gehabt, und zwar immer. Anfangen - das ist schwieriger als vollenden. Den Anfang bestimmen, heisst schon die Lösung für das Ende haben, da es im Leben weder Anfang noch Ende gibt, und da es nicht leicht ist, aus dem Leben ein Stück herauszuziehen. Der Anfang gibt den Ton und den Stil des ganzen Werkes an, oft ist sogar schon im ersten Satz das Talent des Autors deutlich zu sehen.

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Bürgerreporter:in:

Reinhild Paula Margarethe Kuhn (geb. Weber-Lucks) aus Kassel

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