Reaktivierung Rinteln-Stadthagen: So kann´s gehen

Moderner Besuch im Bahnhof Obernkirchen: Beim "Bahntag 2014" vermittelt der "Erixx Heideexpress" einen Eindruck von zeitgemäßem Schienenpersonenverkehr auf der Strecke. Übrigens, die bislang vom Förderverein Eisenbahn Rinteln-Stadthagen bewirtschaftete historische Gaststätte wird voraussichtlich ab 4. Oktober diesen Jahres von einer jungen Existenzgründerin mit einem pfiffigen Konzept weitergeführt.
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  • Moderner Besuch im Bahnhof Obernkirchen: Beim "Bahntag 2014" vermittelt der "Erixx Heideexpress" einen Eindruck von zeitgemäßem Schienenpersonenverkehr auf der Strecke. Übrigens, die bislang vom Förderverein Eisenbahn Rinteln-Stadthagen bewirtschaftete historische Gaststätte wird voraussichtlich ab 4. Oktober diesen Jahres von einer jungen Existenzgründerin mit einem pfiffigen Konzept weitergeführt.
  • hochgeladen von Förderverein Eisenbahn Rinteln-Stadthagen e.V. / B.Rohrsen

Erfolgreiches Beispiel "Haller Willem" / Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorher immer erforderlich

„Was kostet das und was hätten wir davon?“ sind die Kernfragen, die sich vor jeder Reaktivierung einer ungenutzten Eisenbahnstrecke stellen. Schließlich sind für die Strecke Rinteln-Stadthagen wohl Investitionen im grob geschätzten zweistelligen Millionenbereich nötig, damit die Gleise hohe Geschwindigkeiten erlauben, barrierefreie Haltepunkte entstehen und die Bahnübergänge mit modernster Technik gesichert werden; danach kommen dann noch jährliche Ausgaben für die Streckeninstandhaltung und den laufenden Verkehrsbetrieb. Ob dieser Aufwand später im Verhältnis zu den erhofften Vorteilen steht, bedarf auf jeden Fall einer sehr sorgfältigen Abwägung.

In Niedersachsen hat sich das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW) seit dem vergangenen Jahr daran gemacht, in einem dreistufigen Verfahren festzustellen zu lassen, welche von 78 niedersächsischen Strecken grundsätzlich für erneuten Personen- und Güterverkehr in Frage kommen. Dabei ist die Eisenbahn Rinteln-Stadthagen inzwischen auf Platz 6 von 8 näher untersuchten Strecken gelandet (die Presse berichtete). Wurden vor Jahren noch gute Gründe für die Einstellung des Personenverkehrs und letztlich die Stilllegung gesehen, sind die Rahmenbedingungen heute wieder ganz anders: Die Statistiken belegen eine jährlich steigende Nachfrage im Schienenpersonenverkehr, immer weniger junge Leute streben nach Führerschein und eigenem Auto, und Regionen mit guter Bahnverbindung in die Ballungszentren gewinnen an Lebenswert für Berufspendler und begegnen der Überalterung mit Neuzuzüglern, dazu können Touristen und Kurgäste bequem per Bahn anreisen. Auch bleibt die Region wegen der Möglichkeit eines Gleisanschlusses für ansiedlungswillige Betriebe attraktiv. Moderne Triebfahrzeuge und innovative Schallschutztechnik vermindern die Beeinträchtigungen für die unmittelbaren Streckenanlieger und hinzu kommen die nachweislichen ökologischen Vorteile der Bahn sowie die Entlastung der Straßen.

Durchgeführt wird die Untersuchung von der Niedersächsischen Landesnahverkehrsgesellschaft mbH (LNVG), die wiederum der Aufsicht des MW untersteht. Sie ist zuständig für alles, was mit öffentlichem Personenverkehr zu tun hat, von Verkehrsplanung, Investitionsförderung, Beauftragung („Bestellung“) der Eisenbahnverkehrsunternehmen, die nach Fahrplan die Personenzüge rollen lassen, und einiges mehr. Für die Eisenbahn Rinteln-Stadthagen wurde von der LNVG ein Betriebskonzept entwickelt, welches einen Stundentakt mit Fahrzeit von 25 Minuten und in Stadthagen den Umstieg in den Regionalexpress bietet. Für die Investitionen sind „Modellkosten“ von 29 Mio. Euro kalkuliert worden, von denen 75 % das Land Niedersachsen übernehmen würde; immerhin 7,25 Mio. Euro entfielen dann noch auf den Infrastrukturbetreiber. Bis vor drei Jahren war das die Rinteln-Stadthagener Verkehrsgesellschaft mbH (RStV) als Eigentümerin der Strecke, an welcher der Landkreis Schaumburg zu 50% und die Städte Rinteln, Obernkirchen und Stadthagen zu je 25%, 9,5% und 15,5% beteiligt sind. Seit 2011 ist die 20,4 Km lange Strecke an die Bückebergbahn Rinteln-Stadthagen GmbH (Bbb) verpachtet, die gegenwärtig als Infrastrukturbetreiber für den betriebssicheren Zustand, in Zusammenarbeit mit der Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH (RSE) in Bonn, verantwortlich ist.

Dem Infrastrukturbetreiber steht das sog. Trassenentgelt zu, eine Art Maut für Bahnfahrzeuge. Das ist ein mit der LNVG verhandelter fester Betrag je gefahrenem Kilometer, den die wiederum von der LNVG beauftragten Verkehrsunternehmen zu entrichten haben, wenn sie ihre Triebwagen auf die Strecke schicken. Bei den gelegentlichen Museumsbahnfahrten ist die Einnahme daraus überschaubar, aber wenn die LNVG einen Stundentakt 7 Tage in der Woche bei einem Eisenbahnverkehrsunternehmen bestellt, ergibt sich durchaus eine stolze Summe. Die Streckenreaktivierung wäre schon aus finanziellen Gründen für das Schaumburger Land sinnvoll, wenn aus dem Trassenentgelt nicht nur die nötigen Investitionskredite zurückgezahlt werden können, sondern es auch noch für die Zinsen und die Streckenunterhaltung reicht. Das so etwas funktionieren kann, hat der Landkreis Osnabrück vorgemacht: Nach Reaktivierung der 23 Km langen Eisenbahnstrecke Dissen/Bad Rothenfelde – Osnabrück behält die Verkehrsgesellschaft Landkreis Osnabrück GmbH (VLO) sogar jährlich einen Überschuss von mehr als einer halben Million Euro im Spartenergebnis „Haller Willem“; nachzulesen in den im Bundesanzeiger online veröffentlichten Jahresabschlüssen.

Bei aller Finanzakrobatik ist aber am wichtigsten, dass die betroffenen Kommunen sich zusammentun und einen breiten Konsens erreichen. Denn bei realistischer Betrachtung fallen bei einer Reaktivierung außer den oben genannten Kosten auch weitere Ausgaben an, die nicht förderfähig sind; für eine faire Einbindung der Busunternehmen sind Lösungen zu entwickeln; möglicherweise kommt sogar eine innovative Anbindung des neuen Klinikums in Vehlen per Seilbahn in Betracht. Die Streckenreaktivierung ist eine wahre Herkulesaufgabe.

Die Bbb konnte gemeinsam mit dem Förderverein Eisenbahn Rinteln-Stadthagen die Strecke bisher mit touristisch interessanten Dampfeisenbahn- und Schienenbusfahrten bei Tempo 30 befahrbar halten; dazu hat sich im denkmalgeschützten Bahnhof Obernkirchen mit Bahnhofsfesten, Wohnraummodernisierung und laufenden Umbauarbeiten zur gewerblichen Vermietung der Gaststätte allerhand getan. Das Gleiche gilt auch für den Lokschuppen und Wasserturm in Rinteln mit deutlichen Verbesserungen in der Bausubstanzerhaltung. Ein wirtschaftlich herausragender Erfolg ist die Ansiedlung der Firma Ahrens in Stadthagen, die viele neue Arbeitsplätze und regelmäßige Schotterzüge auf ca. 4 Km Strecke der Eisenbahn Rinteln-Stadthagen eingebracht hat. Gleichwohl muss ehrlich gesagt werden, dass damit ein nachhaltiger Betrieb der gesamten Strecke auf Dauer noch nicht gewährleistet ist. Es muss aber andererseits auch gesehen werden, dass ein Rückbau der Strecke ebenso Geld kostet und laufender Unterhaltungsaufwand für Durchlässe und Entwässerungsanlagen entstünde. Und auch eine Nachnutzung als Fahrradweg auf Teilen der Strecke mit notwendiger Unterhaltung von Brücken würde erhebliche Investitions- und Pflegeausgaben erfordern. Insofern ist also eine Gegenrechnung aufzumachen und die eingehende Prüfung der Reaktivierung macht wirklich Sinn.

„Die Osnabrücker würden es jedenfalls heute wieder genauso tun“, ist aus Osnabrück zu erfahren. Der Haller Willem wird von Pendlern wie auch von Touristen gut angenommen, und mittlerweile sind entlang der Strecke diverse Wohneinheiten neu entstanden.

Text & Fotos: Burkhard Rohrsen / weitergehende Infos unter

http://www.allianz-pro-schiene.de/infografiken/umw...
https://www.allianz-pro-schiene.de/publikationen/d...
Jahresabschluss 2012 der Verkehrsgesellschaft Landkreis Osnabrück (http://www.bundesanzeiger.de)
http://www.allianz-pro-schiene.de/verkehrspolitik/...
Der Fahrgast 2/2005 Seite 25 „2000 neue Wohneinheiten im Einzugsbereich der Bahnhöfe“
http://raumkom.de/files/seilbahnen_hochglanzbrosch...
http://www.der-schaumburger-ferst.de
http://www.vvowl.de/index.php?haktiv=5&uaktiv=43
http://www.bueckebergbahn.de

Bürgerreporter:in:

Förderverein Eisenbahn Rinteln-Stadthagen e.V. / B.Rohrsen aus Rinteln

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