"Marktanteile gewinnt man in schwierigen Zeiten"

Ernennung zum Professor in der Fakultät für Maschinenbau an der Hochschule Augsburg, Übergabe der Urkunde am 27.04.2008 in Nördlingen | Foto: Technologie Centrum Westbayern
5Bilder
  • Ernennung zum Professor in der Fakultät für Maschinenbau an der Hochschule Augsburg, Übergabe der Urkunde am 27.04.2008 in Nördlingen
  • Foto: Technologie Centrum Westbayern
  • hochgeladen von Anna Riemann

Das Technologie Centrum Westbayern (TCW) in Nördlingen ist eine gute Adresse für junge Unternehmen und Firmengründer. Als zentrale Anlaufstelle bietet die im Technologiepark Westbayern beheimatete Einrichtung ein umfassendes Service- und Beratungsangebot. myheimat sprach mit TCW-Geschäftsführer Prof. Dr. Markus Glück über die Forschungsschwerpunkte des TCW, die Auswirkungen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Wirtschaftsstandort Bayern und seine Freude über die Ernennung zum Professor.

myheimat: Herr Professor Glück, Sie sind der Geschäftsführer des Technologie Centrums Westbayern (TCW). Können Sie kurz erklären, was hinter dem Namen steckt und was die Forschungsschwerpunkte des TCW sind?
Glück: Das Technologie Centrum Westbayern in Nördlingen hat drei Standbeine. Im Haus ist ein Gründerzentrum angesiedelt, in dem junge Unternehmen in mietbaren Räumen starten können. Das zweite Standbein ist unser Anwenderzentrum für Forschung und Entwicklung, in dem wir gemeinsam mit Firmen der Region und überregionalen Partnern Entwicklungsprojekte bearbeiten oder neue Technologien für diese praktisch demonstrieren. Dies bei Versuchen in unserem Institutsbereich, in Schulungen oder bei Fachtagungen. Unsere dritte Aufgabe ist die Nachwuchsentwicklung. Hierzu bauen wir einen Institutsbereich zu einem Studienschwerpunkt der Hochschule Augsburg. An dieser Außenstelle können Studenten Fachvorlesungen besuchen, Teile ihres Studiums absolvieren oder Fachpraktika und Diplomarbeiten bearbeiten. Diese Möglichkeit steht auch Studierenden an der Fritz-Hopf-Technikerschule in Nördlingen und Studenten anderer Hochschulen offen. Unsere Forschungsschwerpunkte sind die Messtechnik, die Sensorintegration in der Mechatronik, Verfahren der industriellen Bildverarbeitung, die Weiterentwicklung „intelligenter“ mechatronischer Antriebskomponenten, die sich selbst warten und im Betrieb optimieren. In Kürze werden wir noch einen Schwerpunkt der Robotik bekommen.
myheimat: Was ist Ihr persönliches Spezialgebiet?
Glück: Von Haus aus bin ich Elektrotechnik Ingenieur. Mein Lehrgebiet an der Hochschule Augsburg nennt sich „Innovationsmanagement und Technologietransfer in der Mechatronik“. Im Moment gebe ich Vorlesungen in der Sensortechnik, in der industriellen Bildverarbeitung, der Fertigungs- und Prozessautomation und Automobilelektronik. Ich konzentriere mich stark auf neue Themenfelder der Mechatronik und Funkdatentechnik. Früher war ich noch auf dem Gebiet der Infrarotmesstechnik (Wärmebilder) und der Mikrosystemtechnik aktiv. Das geht heute aus Zeitgründen nicht mehr. Die Wärmebildmesstechnik wird von Herrn Josef Wolf am TCW fortgeführt und von mir noch unterstützt. Für die Mikrosystemtechnik fehlen uns die Laborvoraussetzungen am Standort Nördlingen.
myheimat: Wie hat sich das Technologie Centrum Westbayern dieses Jahr wirtschaftlich entwickelt?
Glück: Das TCW hat sich im siebten Jahr seines Bestehens prächtig entwickelt. Vor allem gelungen ist im Jahr 2008 der Anschluss an die bayerische Forschungs- und Hochschullandschaft. Wir konnten auch eine Menge neuer überregionaler Unternehmen für Projektkooperationen gewinnen. Äußerst positiv entwickelt hat sich auch unser Geschäftsfeld „Seminare, Schulungen und Personalentwicklungsmaßnahmen“, die teilweise aus dem Cluster heraus, oft aber auch mit überregionalen Firmen und Referenten unter der Federführung von Manuela Jenewein bedeutsam vorangebracht werden konnten. Insgesamt war es für uns ein schwieriges Jahr voller bedeutsamer Umwälzungen (v. a. der Anschluss an die Hochschule Augsburg) und zum ersten Mal ohne öffentliche Förderung für den Zentrumsbetrieb. Wir sind sehr zufrieden und schauen zuversichtlich in die nahe Zukunft.
myheimat: Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter Ihnen. Sie hielten am TCW eine Kindervorlesung, Staatssekretärin Dagmar Wöhrl war zu Gast und Antennenexperte Prof. Dr. Keith Palmer hielt eine Gastvorlesung. Welcher Gast hat Sie am meisten beeindruckt?
Glück: Das lässt sich nicht ganz einfach beantworten. Technisch sicherlich Prof. Dr. Palmer aus Südafrika sowie Studenten der TU München beim letzten Technologieforum Robotik. Persönlich haben mich vor allem ein paar regionale Stifterpersönlichkeiten tief beeindruckt. Mutige, innovative, geradezu energiegeladene Unternehmerpersönlichkeiten wie zum Beispiel Gustav Ohnhäuser, Rudolf Grenzebach, Helge Motzer (Tigra), Prof. Dr. Anton Kathrein und Dietmar Harting.
myheimat: Welche Bedeutung hat das Technologie Centrum für den Wirtschaftsstandort Nördlingen, insbesondere was den Arbeitsmarkt betrifft?
Glück: Ich glaube, eine sehr hohe, von vielen noch unterschätzte Bedeutung. Die Gründerimpulse sind in Boomzeiten (2006-08) immer etwas untergeordnet. In 2002-04 waren sie aber beachtlich! Und in Kürze wird dies sicher wieder so sein. Wir konnten neue Firmen ansiedeln. Zum Beispiel die Hock Unternehmensgruppe (Thermo-Hanf Dämmstoffe) und D+P Dosier- und Prüftechnik. Wir konnten beim Erhalt einiger Unternehmen in der Vergangenheit mitwirken. Heute sind wir ein Bildungsstandort. Fachkräfteausbildung und Nachwuchssicherung, ein Ziel unserer Hochschulaktivität. Neue Technologien konnten demonstriert und zugänglich gemacht werden, z. B. die Wärmebildmesstechnik (im Winter auch für Privatpersonen) und die Funk basierende Schwingungsanalyse. Die Mechatronik konnte als eigenständiger Studiengang an der Fritz-Hopf-Technikerschule bayernweit erstmalig begründet und nun 2008 dauerhaft etabliert werden; dies auch mit unserer Unterstützung. 14 Diplom- und Facharbeiten habe ich schon am TCW betreut, dazu etwa 20 Technikerschüler bei Facharbeiten. Sie kamen größtenteils in regionalen Firmen unter und wurden zum Teil schon für deren Aufgabenstellungen ausgebildet.
myheimat: Wie wirkt sich aus Ihrer Sicht die weltweite Finanzkrise auf den Wirtschaftsstandort Bayern aus?
Glück: Auf Bayern sind die Auswirkungen beachtlich. Die Landesbank, die Automobilproduktionen von Audi und BMW und die Vielzahl an Zuliefererfirmen haben sicher zu kämpfen. Die Luftfahrttechnologie kann sich sicher festigen. Trotzdem werden die Herausforderungen enorm sein - auch in unserer Region. Viele Familien- und Mittelstandsunternehmen sind aber gerade unsere Stärke und bestens aufgestellt, um starke Partner zu sein. Zum Beispiel Grenzebach steigt bei KUKA ein und nutzt den Aufwind der Solarbranche. Verbundfaserwerkstoffe und neue Produkte sind mehr denn je gefragt. Auch hier sind viele Unternehmen bestens platziert. Was einzelne Unternehmen in der Region angeht, fehlt mir der detaillierte Überblick. Zudem wäre es fatal, weiter über die herannahende Krise jetzt und öffentlich zu spekulieren. Wir müssen wachsam sein, uns weiter steigern und können sicherlich auch mit etwas Zuversicht diese Herausforderung meistern. Marktanteile gewinnt man schließlich in schwierigen Zeiten, darauf gilt es sich jetzt zu konzentrieren.
myheimat: Das Technologie Centrum Westbayern arbeitet unter anderem mit der Hochschule Augsburg zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus und welche Bedeutung hat für Sie die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft?
Glück: In unserem Technikbereich, der sich zu einem An-Institut (einer Außenstelle) der Hochschule Augsburg dank der Unterstützung von 10 Unternehmen in unserer Stifterinitiative wandelt, werden in Kürze Praxisunterrichte und Wahlfächer angeboten. Studierende aus der Region können Teile ihrer Studien vor Ort in höchst interessanten Forschungsthemen und Firmenkooperationen absolvieren. Ein Labor für Bildverarbeitung entsteht. Ein Robotik Democenter wird in Zusammenarbeit mit KUKA errichtet; für Lehr- und Forschungszwecke. Blockunterrichte in Automobilelektronik und auf dem Feld des Technologiemanagements werden evtl. nach Nördlingen verlagert. Auch neue Formen der Zusammenarbeit der Hochschule mit unserer Technikerschule und den lokalen Firmen werden begründet. Erste Projekte laufen bei Grenzebach, Ohnhäuser und Kathrein. Weitere sind in Vorbereitung. Nördlingen wird auch in Zukunft Austragungsort von Fachtagungen sein. Umgekehrt kennt man die Möglichkeiten, die der Standort Nördlingen und Nordschwaben bietet, mittlerweile auch bis München, Nürnberg, Regensburg und Rosenheim. Wir sind anerkanntes Mitglied im bayerischen Innovationscluster „Mechatronik & Automation“ und haben einen Projektverbund TEA der Transfereinrichtungen im Großraum Augsburg begründet, in dem wir eine maßgeblich gestaltende Rolle einnehmen, gemeinsam mit der Hochschule Augsburg der TU München, der Universität Augsburg und 6 Partnereinrichtungen.
myheimat: Sie sind neben Ihrem Beruf als Geschäftsführer auch noch als Dozent an der Augsburger Fachhochschule in der Fakultät Maschinenbau tätig. Wie lassen sich diese beiden Aufgaben vereinbaren?
Glück: Es ist eine Herausforderung, ja. Zunächst lässt sich die Aufgabenfülle nicht in 40 Stunden Regelarbeitszeit bewältigen. Aber bisher konnte ich mir meine Begeisterung für diesen Beruf und die TCW Arbeit noch sehr gut erhalten. Natürlich habe ich um mich starke Teams aufgebaut und Aufgaben an kompetente Mitarbeiter weiterdelegiert. Eine Beurlaubung von einigen Stunden während der Semester habe ich auch erhalten. Im Gegenzug verzichte ich auf Teile meines TCW Gehalts. In Augsburg habe ich nur eine halbe Professorenstelle. Das heißt Mittwoch und Freitag sowie ab und zu am Donnerstag sind Pendelfahrten und Einsätze in Augsburg fester Programmpunkt. Langweilig wird es mir nicht.
myheimat: Und zu guter Letzt noch eine persönliche Frage: Was war für Sie das interessanteste Erlebnis 2008?
Glück: Ganz persönlich sicherlich meine Ernennung zum Professor. Ein Ziel, das ich mir schon vor meinem Dienstantritt 2002 in Nördlingen gesetzt hatte. Privat die Einschulung meiner zweiten Tochter Sandra. Mit am interessantesten war meine Mitwirkung als Juror beim Roboter Wettbewerb der First Lego League - an dem übrigens auch eine Gruppe des Theodor-Heuss-Gymnasiums teilnahm - und meine erste Kindervorlesung. Mir macht es einfach Spaß, mit Jugendlichen interessante Projekte anzupacken!

Bürgerreporter:in:

Anna Riemann aus Augsburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.