"Hier lässt es sich hervorragend leben und arbeiten": Interview mit Landrat Stefan Rößle

Landrat Stefan Rößle Rößle mit seinen beiden Kindern Maike und Elena | Foto: Landratsamt Donau-Ries
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Zum Jahersende sprach Landrat Stefan Rößle mit uns über die wirtschaftliche Situation in Nördlingen.

mh-bayern-Team: Die Energie-Allianz ist beschlossene Sache und auch die Unternehmen stehen in der Verantwortung: Bis 2020 soll der Energieverbrauch um 20 Prozent gesenkt werden, gleichzeitg die Nutzung regenerativer Energien um 20 Prozent gesteigert werden. Wolfgang Haschner, Regionalgeschäftsführer der IHK, sagte in diesem Zusammenhang, dass sich die nordschwäbische Wirtschaft ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt sehr bewusst sei. Was ist in Nördlingen diesbezüglich geplant?

Stefan Rößle: Die Bauinnung Donau-Ries mit Sitz der Geschäftsstelle in Nördlingen war ja einer der Motoren für die kostenlose Energieberatung für Landkreisbürger/innen. Ich habe den Impuls des Geschäftsführers Robert Lang mit aufgenommen. Seit vielen Jahren gibt es jeden 3. Donnerstag im Monat in der Bauinnung die Landkreis-Energieberatung.

In der Regel alle vier Jahre veranstalten wir die Donau-Ries Ausstellung, die vom Konzept her ihresgleichen sucht. Das nächste Mal findet sie 2011 wieder in Nördlingen statt.

Bereits zum zweiten Mal wird mit der Halle E eine große Sonderschau speziell dem Thema Energie gewidmet sein. Hier werden sich viele unserer Energie-Allianz-Partner präsentieren. Auch wird wieder an allen Ausstellungstagen ganztägig eine Energieberatung durch die Landkreis-Kooperation stattfinden.

Der Landkreis plant umfangreiche Sanierungsmaßnahmen für die weiterführenden Schulen im Bereich Fassadensanierung und Dachsanierung. In Nördlingen wird 2011 an der Berufs- und Wirtschaftsschule sowie am THG investiert. Ebenso wird auf einen weiteren verantwortungsvollen Einsatz erneuerbarer Energien gesetzt.

Seitens der Energie-Allianz-Partner sind vielfältige Schulungs- und Informationsangebote angedacht. Das reicht von Handwerkerqualifikation bis zu Informationsveranstaltung zu aktuellen Themen. Wie weit diese direkt in Nördlingen stattfinden werden, ist offen. Unser Netzwerk bezieht aber den gesamten Landkreis - und damit natürlich die gesamte in Nördlingen ansässige Klientel mit ein.

Darüber hinaus sind ALLE gehalten, sich an dem Landkreisziel 20/20/20 zu orientieren bzw. zu dessen Erreichung aktiv zu beteiligen. Die Stadt Nördlingen kann mit ihrem Stadtrat denselben Beschluss für ihre Stadt fassen und damit Partner der Energie-Allianz mit eigenen Projekten bzw. einem eigenen Konzept für die Stadt Nördlingen werden.

mh-bayern-Team: Die spürbare Erholung der regionalen Wirtschaft bereits zu Jahresbeginn konstatierte Franz Leinfelder, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Donau-Ries. Ist die Vermutung, dass das Tal der Wirtschaftskrise auch bei den Nördlinger Gewerbetreibenden endgültig durchwandert ist, richtig?

Stefan Rößle: Das am 08.11.2010 stattgefundene Betriebsleitergespräch hat deutlich gemacht, dass bei einem großen Teil der Rieser Betriebe der Aufschwung wieder kräftig eingesetzt hat. Auch die Aussichten für die kommenden Monate werden von den meisten Betriebsleitern äußerst positiv beurteilt.

mh-bayern-Team: Trotz Widerstände beharren Sie auf Ihr Entschuldungskonzept und konnten auch schon einige Erfolge verbuchen. Wie soll es damit nächstes Jahr weitergehen und warum setzen Sie nicht auf den bequemeren Weg der Verschuldung?

Stefan Rößle: Natürlich setzte ich im nächsten Jahr auf die Fortführung des Entschuldungskonzepts. Der eingeschlagene Weg ist wichtig und richtig. Erste Erfolge sind erkennbar. Musste 2007 noch für Darlehnszinsen rd. 1 Mio. € aufgewendet werden, so sind es 2010 etwas über 500.000 €, also eine Reduzierung um fast die Hälfte. Daraus wird bereits ersichtlich, dass durch eine nachhaltige Entlastung beim Schuldendienst mittelfristig finanzielle Freiräume geschaffen werden, die nicht zuletzt auch den Kommunen über die Kreisumlage zu Gute kommt. Wohin der Weg in die Verschuldung führt, haben wir am Bundeshaushalt gesehen, wo nunmehr mittels einer Schuldenbremse die Umkehr anvisiert wird, ganz zu schweigen von den Staatshaushalten, die über einen Rettungsschirm aufgefangen werden müssen. Natürlich darf es nicht zu einem „Totsparen“ kommen. Aber wir konnten in der Vergangenheit stets die ausgeglichene Balance zwischen Entschuldung und Investition herstellen und ich bin mir sicher, dass das auch im Jahr 2011 gelingen wird

mh-bayern-Team: 2010 wurde in Nördlingen eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um dem drohenden Fachkräftemangel vorzubeugen: Die Kooperation zwischen dem Technologie-Centrum Westbayern (TCW) und der Hochschule Augsburg wurde enger. Welche weiteren Maßnahmen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind geplant?

Stefan Rößle: Derzeit laufen intensive Vorbereitungen, diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen und entsprechend auszubauen. Hierbei gilt es, verschiedene Handlungsoptionen auszuloten um abschließend die optimale Lösung für alle Beteiligten zu finden. Der Landkreis Donau-Ries, die Stadt Nördlingen und die Geschäftsführung des TCW arbeiten hier eng zusammen. Die Hochschulinitiative wird ein zentraler Schwerpunkt im Jahr 2011. Zusammen mit der Hochschule Augsburg und der regionalen Wirtschaft wollen wir Fördermittel generieren und Teile einer Hochschulausbildung am TCW in Nördlingen anbieten.

mh-bayern-Team: Nach wie vor ist die Wirtschaftsstärke des Donau-Ries-Landkreises beachtlich. Auch in diesem Zusammenhang kann der Geburtenrückgang und damit verbunden der Fachkräftemangel, der jetzt schon spürbar ist, künftig problematisch werden. Welche Maßnahmen - abgesehen von der verstärkten Kooperation des TCW mit der Hochschule Augsburg - wurden zur Gegensteuerung ergriffen?

Stefan Rößle: Zuerst ist es notwendig, die Betriebe für die Problematik zu sensibilisieren. Dies geschieht durch diverse Veranstaltungen, durch eine in den Medien erschienene Serie von Artikeln, und durch Informationen in diversen Arbeitskreisen und in den verschiedenen Organisationen.

Darüber hinaus arbeiten wir intensiv an Prozessen, wie dem lernenden Landkreis, einer kreisweiten Imagekampagne und natürlich dem Bündnis für Familie. Die von Ihnen geschilderten Herausforderungen des demographischen Wandels müssen von der Gesamtheit der Landkreisbevölkerung, von allen Betrieben und von sämtlichen politisch Handelnden erkannt und gemeinsam angegangen werden. Wichtig ist, dass möglichst alle Verantwortlichen, also Firmenchefs genauso wie Bürgermeister/innen und Gemeinderäte erkennen, dass der Bevölkerungsrückgang eine große Gefahr für unser gesamtes Gemeinwesen ist. Chancen, dem entgegenzuwirken sehe ich darin, unsere Stärken wie gute Arbeitsplatzsituation, günstige Mieten und Baugrundstücke, niedrige Kriminalität, hohes Freizeitangebot und vergleichsweise intakte Umwelt besser zu kommunizieren. Das kann viele junge Menschen dazu bewegen, hier zu bleiben und gleichzeitig Zuzug von außen generieren. Wir wollen vor allem mit der Imagekampagne ein positives Signal geben: hier lässt es sich hervorragend leben und arbeiten.

mh-bayern-Team: Muss angesichts des Fachkräftemangels in Sachen Familienfreundlichkeit ein Umdenken sowohl in der Bevölkerung als auch bei Unternehmen einsetzen, damit sich die Lage in Zukunft nicht zuspitzt?

Stefan Rößle: Ja, ich denke schon! Denn die Suche nach qualifiziertem Personal wird für die Firmen im Donau-Ries zunehmend schwieriger werden. Und das ist kein Luxusproblem, sondern droht zu einer echten Wachstumsbremse für unsere wirtschaftliche Entwicklung zu werden.

Weil die Gründe für den zunehmenden Fachkräftemangel vielschichtig sind, müssen wir auch mit unterschiedlichen Strategien versuchen, dem entgegenzuwirken.

Dabei gewinnt Familienfreundlichkeit immer mehr an Bedeutung. Ich habe den Eindruck, der Umdenkprozess hat in vielen Unternehmen schon begonnen. Es gibt bereits einige gute Beispiele für familienfreundliche Maßnahmen in unserer Region, aber wir sehen hier durchaus noch Entwicklungspotential. Um dieses Potential ausschöpfen zu können, müssen wir natürlich etwas tun.

Unter dem Dach des Lokalen Bündnisses für Familie haben sich deshalb verschiedene Arbeitsgruppen das Ziel gesetzt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in unserer Region weiterzuentwickeln und die Familienfreundlichkeit unseres Standorts zu verbessern und zu kommunizieren.

Zu deren bisherigen Aktivitäten gehörten u.a. eine Unternehmensbefragung, eine Ferienbetreuung als Kooperationsprojekt, Infotage zum Thema „Wiedereinstieg in den Beruf“ und eine Veranstaltung mit der Überschrift „Familienfreundliche Personalpolitik lohnt sich wirklich“.

Der Landkreis unterstützt diese Aktivitäten natürlich. Ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg, denn nur gemeinsam mit vielen starken Partnern können wir etwas voran bringen.

mh-bayern-Team: Der Landkreis Donau-Ries gilt bereits als familienfreundlich und hat einige Weichen gestellt, um Beruf und Familie vereinbaren zu können. Das zeigt sich unter anderem daran an dem vergleichsweise hohen Anteil an Vätern, die in Elternzeit gehen. Welche weiteren Maßnahmen wurden in Nördlingen 2010 auf den Weg gebracht?

Stefan Rößle: Vorneweg muss ich natürlich betonen, dass es unser Ziel ist, die Familienfreundlichkeit in allen Städten und Gemeinden unseres Landkreises weiterzuentwickeln.

Auch in diesem Zusammenhang möchte ich unser Erfolgsmodell „Lokales Bündnis für Familie“ erwähnen, in dem die Stadt Nördlingen aber auch zahlreiche weitere Organisationen und Unternehmen aus Nördlingen Bündnispartner sind.

Im Jahr 2010 haben wir gleich zwei sehr erfolgreiche Veranstaltungen in Nördlingen durchgeführt: Im März fand im Klösterle das erste Bündnisplenum mit etwa 160 Teilnehmern statt; gut besucht war im Mai dann auch die Veranstaltung „Familienfreundliche Personalpolitik lohnt sich wirklich“ im TCW.
Im Bündnisprojekt Leseland Donau-Ries engagieren sich viele Nördlinger Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich und lesen an Schulen und Kindergärten vor. Im Juli fand für die Lesepaten in der Nördlinger Stadtbibliothek eine Schulung statt.

Ebenfalls in Nördlingen findet der Kurs „leichter durch den Alltag“ statt, dessen Organisatoren allesamt Bündnispartner sind.

Koordiniert und unterstützt werden diese Projekte durch den Familienbeauftragten des Landkreises, der übrigens im Juni dieses Jahres den Nördlinger Haupt- und Finanzausschuss über die Bevölkerungsentwicklung und die Lebenslagen von Familien in Nördlingen informierte. Weiterhin war er mit Arbeitsgruppen und zu Beratungsgesprächen häufig vor Ort in Nördlingen.
Denn auch die Stadt Nördlingen hat sich ja bereits auf den Weg gemacht zu (noch) mehr Familienfreundlichkeit. Der Landkreis wird sie auf diesem Weg auch weiterhin partnerschaftlich begleiten und unterstützen.

mh-bayern-Team: Donau-Ries hat seit diesem Jahr einen Regionalmanager. Wird auch die Nördlinger Wirtschaft von Clemens Heiningers Arbeit profitieren?

Stefan Rößle: Mit dem am 01.08.2010 gestarteten Regionalmanagement wird die bessere Vernetzung bestehender Initiativen im Landkreis ermöglicht. Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft, das Thema Bildung als eine Zukunftssäule der Kreispolitik und ein verstärktes "Geopark Ries kulinarisch"-Regionalmarketing stellen die Schwerpunkte des Regionalmanagements dar. So profitieren auch die Nördlinger Unternehmen zum einen von der Kooperation und Vernetzung mit Bildungseinrichtungen, zum anderen von einem verbesserten Standortimage.

mh-bayern-Team: Die Sparkassen-Fusion zwischen Donauwörth und Nördlingen, die Sie stets befürwortet haben, ist gescheitert. Wird das Thema in Zukunft, vielleicht schon 2011, wird neu aufgerollt? Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Ansicht nach für eine gelungene Fusion gegeben sein?

Stefan Rößle: Die Fusion war politisch leider nicht von allen Partnern gewollt. Von daher machen erneute Verhandlungen diesbezüglich kurzfristig keinen Sinn. Man muss das Ergebnis akzeptieren. Beide Banken sind solide, ertragsstark und werden jetzt auch für die weitere Zukunft selbständig weiter arbeiten. Ich bin überzeugt, dass die Kooperationen zwischen beiden Sparkassen, so wie sie bereits jetzt z. B. bei der Ausbildung bestehen, weiter ausgebaut werden.

Voraussetzung für eine evtl. später doch noch gelingende Fusion ist der Wille aller Beteiligten, tatsächlich auch zu kooperieren. Dazu gehören neben den Verantwortlichen auf Sparkassenseite auch die Stadtparlamente.

mh-bayern-Team: Vielen Dank für das Interview, Herr Rößle!

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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