Ostpreußischer Winter

Im Alter von 14 Monaten auf der Straße vor unserem Haus in Königsberg/Pr.
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Wenn wir heute in Norddeutschland auch nach Weihnachten noch auf ein wenig Schneefall warten müssen, so wäre so etwas im alten Ostpreußen nicht möglich gewesen - und ist es wohl auch heute noch nicht. Von Dezember bis weit in das Neue Jahr hinein war das Land tief verschneit und die Luft an niederschlagsfreien Tagen klar und knackig kalt. Solche Winter gehören zu meinen frühesten Erinnerungen. Wann immer möglich, wollte man im Schnee herum tollen, von der Mutter auf dem Schlitten gezogen werden oder im zweiten erlebten Winter auch schon mal helfen, aus einem kleinen Schneeball den Kopf für den Schneemann zu rollen. Augen, Mund und Knopfleiste wurden dann mit Kohlestücken aus dem Keller gesteckt und es war auch noch eine Mohrrübe aus dem eigenen Garten vorhanden, die dem Schneemann als Nase diente - Tuntel, wie die Nase in der Mundart hieß.

Selbst für den letzten Winter zu Hause finden sich im selbst gefertigten Taschenkalender meiner Mutter für 1945, der erhalten geblieben ist, noch die Eintragungen:
"Montag, 1. Januar: Omi mit Peter rodeln. Ich mit Udo draußen." sowie
"Montag, 8. Januar: Mit Peter rodeln."
Daran erinnere ich mich noch ganz genau. Gerodelt wurde auf einer abschüssigen Lichtung im nahen Königsberger Stadtwald. Trotz der immer bedrohlicher werdenden Lage sollten die Kinder noch ihren Spaß haben.

Dann aber ging es recht schnell: Kaum 14 Tage später hörte man ein fernes Grollen, das von Tag zu Tag lauter wurde - Kanonendonner von der sich nähernden Front. Für den 22. Januar lautet die Eintragung: "Räumungsvorbereitungen" und für den 24. Januar: "Versuch, nach Pillau zu kommen." Zwei Stunden warteten wir vergeblich auf einen Zug und mussten nach Hause zurück kehren. Am 26. Januar schrieb meine Mutter in ihren Kalender: "Nachts Artillerie-Beschuss und Bombenangriffe." Nun konnte nicht länger gewartet werden. Am 27. Januar 1945 verließen wir um 7 Uhr in der Frühe unser Haus und machten uns bei großer Kälte zu Fuß, mit Kinderwagen und Rodelschlitten, über die verschneiten Straßen auf ins 30 km entfernte Pillau, das wir dank meines Großonkels am folgenden Tag mit dem Schiff verlassen konnten.

Bürgerreporter:in:

Peter Perrey aus Neustadt am Rübenberge

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