Das doppelte Trumanchen

Doctored by Udo Perrey.

Aus gegebenem Anlass, der aber hier keine Rolle spielen soll, übersandte mir mein Bruder neulich die Kopie einer Ansicht, die er im Familienarchiv gefunden hatte - zumindest hat er das behauptet. Das Bild entstand aus Anlass der Postdamer Konferenz, die vom 17. Juli bis 2. August 1945 auf Schloss Cecilienhof im schönen brandenburgischen Potsdam stattfand. An dieser Konferenz nahmen die "Großen Drei", die Vertreter der Siegermächte des 2. Weltkriegs teil und die erwartet man natürlich auch im Zentrum eines jeden historischen Bilddokuments.

Wie erstaunt war ich deshalb, auf diesem Familienschatz fünf statt drei Personen im Fokus zu sehen. Doch langsam kam die Erinnerung wieder: Winston hatte mich doch damals mitgenommen. Er brauchte dringend mindestens eine halbe Portion zur Unterstützung, denn seine beiden Verhandlungspartner, Truman und Stalin, waren auf dem besten Wege, ihn zum Verlierer der Tagung zu machen. Doch so leicht ließ sich ein Präsident Truman - wenngleich noch ein Neuling auf der Weltbühne - nicht an die Wand spielen. Wie man sieht, erschien er als gerissener Amerikaner kurzerhand im Doppelpack: als "doppeltes Trumanchen" - eine Idee, die ihm bei der Lektüre von Erich Kästners "Doppeltem Lottchen" gekommen war. Ein guter Politiker studiert seine Feinde eben sorgfältig, auch wenn sie gerade am Boden liegen.

Der Herr in der weißen Jacke ist ein Sonderfall. Es ist "Väterchen Stalin". Ich erinnere mich, wie er uns Kindern - es dürfte ca. zwei Jahre nach der Konferenz gewesen sein - in eben diesem 'Outfit' (er hatte wahrscheinlich nur ein Jackett) zur nachmittäglichen Filmstunde im Saal des örtlichen Gasthauses vorgeführt wurde. Was war das doch für ein netter väterlicher Freund, der angeregt mit Kindern plauderte, die ihm zuvor voller Freude Blumen geschenkt hatten! Auch er hatte vermutlich "den Feind" studiert, d. h. Goebbels' Tagebücher aufmerksam gelesen. Man sieht auf unserer Aufnahme, wie traulich er zu mir hinüber schaut, während seine Eskorte die Maschinenpistole schon im Anschlag hält.

Aber da hat sich im internationalen politischen Bereich seither nicht viel geändert: Obama schaut auch immer so freundlich, wenn er vor dem Brandenburger Tor steht.

Bürgerreporter:in:

Peter Perrey aus Neustadt am Rübenberge

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