WENN DER NIKOLAUS ZWEIMAL KLINGELT

3 auf einen Streich: Vorne die Kapelle in Schlipsheim, links hinten die Pfarrkirche in Westheim und rechts oben die Kobelkirche.
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GEDANKEN ZU 2 NEUSÄSSER KIRCHENBAUTEN UND 3 HEILIGEN

Wenn der Nikolaus zweimal klingelt steht man im Stadtbereich Neusäß vermutlich gerade auf der Anhöhe westlich von Schlipsheim und das imaginäre Läuten der Glocken kommt von den Türmen der kleinen Kapelle auf dem Hügel und der großen Pfarrkirche in Westheim. Beide Gotteshäuser, die man von hier aus sieht, sind dem Patronat des Heiligen Nikolaus geweiht, aber es handelt sich genauer betrachtet zwar um zwei kirchengeschichtliche Promis gleichen Vornamens, deren Vita sich jedoch in vielen Punkten unterscheidet.

Die Kapelle in Schlipsheim firmiert unter dem Patrozinium des Augustiners Nikolaus vonTolentino, einem echten Shootingstar unter den Seelenhirten und Wundertätigen des 13. Jahrhunderts. Hatte er zu Lebzeiten als populärer Prediger schon jede Menge "Follower" in der katholischen Welt, wäre er heutzutage als überzeugter Veganer gewiß ein einflußreicher Influenzer für gesunde Ernährung in den Sozialen Medien. Unbestätigten Berichten nach schlug er einst das Kreuzzeichen über ein ihm provokant vorgesetztes Brathühnchen, worauf sich der eben knusprig frittierte Vogel buchstäblich ver“wundert“ und quicklebendig in die Lüfte erhob und auf Nimmerwiedersehen verschwand. Auf derlei spiritistische Fingerfertigkeit können militante Gegner des ungezügelten Fleischkonsums nur neidvoll blicken, wenn sie nächtens vermummt ein paar dem Tod geweihte schnelle Brüter aus einer qualvollen Massentierhaltung befreien. Das „Rosenwunder“, bei dem der vielseitig begabte Ordensbruder sein Brot in duftende Blumen verzauberte, erscheint hingegen volkswirtschaftlich mißlungen, denn in Anbetracht der damaligen schlechten Ernährungslage wäre eine umgekehrte Verwandlung deutlich hilfreicher für die hungerleidende Bevölkerung gewesen.

In Westheim drüben verehrt man hingegen einen wesentlich bodenständigeren Seligen namens Nikolaus von der Flüe, der es aber immerhin bis zum Nationalheiligen der Schweiz gebracht hat. Dieser in jungen Jahren recht unheilige Eidgenosse schlug zunächst eine durchaus weltliche militärische Laufbahn ein und erwies sich auch nach dem Krieg als männlich standhaft und zeugte mit der gebärfreudigen Gattin ruckzuck nicht weniger als 10 kleine Schweizerlein. Vom ständigen Windelwechseln und schlaflosen Nächten genervt, beschloß er fortan mit dem Segen der Angetrauten als Einsiedler ein asketisches Leben zu führen, bezog eine abgelegene Klause und nannte sich passenderweise „Bruder Klaus“. Dort ernährte er sich den sexfreien Rest seines Daseins nur noch von Wasser und Hostien, was den Drang nach körperlicher Vereinigung zuverlässig hemmte und als klerikale Nebenwirkung intensive Visionen hervorrief. Sein irdisches Leben hauchte er 20 Jahre später anno 1487 nach schmerzhaftem Todeskampf auf dem steinharten Boden seiner Eremitage aus.

Und wenn der Sprößling nun neugierig fragt, welcher dieser zwei Nikoläuse denn für das öffentliche Vorlesen des kindlichen Sündenregisters am 06. Dezember und der anschließenden Verteilung von Apfel, Nuss, Mandelkern und kleinen Star-Wars-Kriegern von Technic-Lego zuständig sei, lautet die Antwort: keiner der beiden! Der zauselige Rauschebart, der mit dem goldenen Buch in der Hand an die Türe klopft, ist natürlich der schlecht verkleidete Opa oder ein schlecht bezahlter BWL-Student, aber aufgemerkt liebe Kinder: deren historisches Vorbild ist der Bischof Nikolaus von Myra, der bereits im 3. Jahrhundert nach Christus massenhaft wunderwirkend durchs Morgenland wandelte. Der Hype um seine Person und ein paar Fakenews (früher Legenden genannt) machten ihn zum Schutzpatron von Dutzenden der unterschiedlichsten Gruppierungen, z.B. der Binnenschiffer, der Metzger, der Salzsieder, der Prostituierten und auch der Kinder. Hieraus leitete sich schließlich der o.g. Brauch ab, wobei der früher übliche Einsatz der Rute seit Erfindung der „Helikopter-Eltern“ auf dem Index steht und die peinliche Befragung unter dem Motto „ward Ihr auch alle immer brav“ aus Datenschutzgründen ab Dezember 2021 rechtlich untersagt ist.

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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