Rezension: John Grisham - Der Gerechte

Buchcover von John Grishams "Der Gerechte" | Foto: (c) Heyne Verlag
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John Grisham hat mit „Der Gerechte“ einen neuen Anwaltsroman vorgelegt, der trotz etlicher klassischer Elemente deutlich vom typischen Stil des Bestseller-Autors abweicht. Ungewohnt aufgebaut, geradlinig erzählt, aber eben erfrischend anders.

Im Klappentext wird deutlich: So ein Typ wie Protagonist Sebastian Rudd wäre der Autor selbst gerne geworden. Rudd ist ein Rechtsanwalt, der die Tricks der Justiz und die Medienmanipulation der Polizei kennt. Der Einzelgänger krallt sich Fälle, die seine Kollegen nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Denn Rudd ist der Überzeugung, dass jeder Angeklagte das Recht auf einen fairen Prozess hat – unabhängig von seiner Schuld oder Unschuld. So kämpft er beispielsweise für einen jungen, perspektivlosen Herumtreiber, den bereits die ganze Stadt als Mörder vorverurteilt hat. Außerdem vertritt er einen Mafioso, der auf seine Hinrichtung wartet. Dann wäre da noch ein unbescholtener Rentner, der bei einem völlig irrsinnigen Polizeieinsatz im falschen Haus einen Polizisten in Notwehr angeschossen hat, während das schießwütige SWAT-Team seiner Frau und seinem Hund rücksichtslos das Lebenslicht ausgeblasen hat. Einen jungen Martial Arts-Schläger setzt Rudd ebenfalls auf seine Mandantenliste. Den Latino will Käfigkampf-Fan Rudd zum Profi aufbauen. Der erste Kämpfer, dessen Finanzierung sich auszahlen könnte, wenn da nicht eine Sache passieren würde, die eine vielversprechende Karriere schnell beendet.

Was haben alle diese Mandanten miteinander zu tun? Erst einmal gar nichts, doch ungewöhnlich ist die Anzahl der Fälle für einen Grisham-Roman. Den ersten Prozess gewinnt Rudd bereits nach rund 80 Seiten. Dann wird der Mafiosi eingeführt. Im dritten Fall des Buches führt Rudd, dessen Kanzlei ein kugelsicherer Van mit Dosenbier im Kühlschrank ist, die regionale Polizei und ihre Inkompetenz vor. Und plötzlich verknüpft Grisham die in sich eigentlich abgeschlossenen Fälle. Da handelt Rudd mit Politikern die Strafe für einen Mandanten im Austausch für Informationen herunter und schlägt parallel eine Entschädigungssumme jenseits des gesetzlichen Limits für einen anderen Mandanten heraus. Um seinen Schützlingen zu Gerechtigkeit zu verhelfen und gegen Ignoranz, Beweismittelmanipulation und Klüngel zu verteidigen, greift er auch selbst bisweilen zu unlauteren Mitteln.

Geht Sebastian Rudd in Serie?
Sein treuer Verbündeter ist Partner – sein Fahrer, Bodyguard und einziger Freund. Die Liste seiner Feinde ist lang: Politiker, die Polizei – ausgenommen die ehrlichen, die ihn im Geheimen mit Informationen versorgen –, die Bevölkerung ganzer Kleinstädte und unzufriedene Mandanten. Darunter befinden sich etliche Berufsgangster, denen ein Menschenleben wenig bedeutet und die sich für unangreifbar halten. Nicht zu vergessen seine lesbische Ex-Frau, die Rudd für jedes Versagen als Vater vor Gericht zerrt, um ihm auch noch die spärliche Vater-Sohn-Zeit zu untersagen. Rudds familiäre Entwicklung stellt quasi den roten Faden dar.

Der Aufbau von „Der Gerechte“ ist in vielerlei Hinsicht vom Erzähltempo- und Stil über die eingeflochtenen privaten Szenen bis hin zur Verquickung unterschiedlicher Episoden beinahe wie eine TV-Serie angelegt. In sich abgeschlossene Fälle spielen im weiteren Verlauf der Geschichte wieder eine Rolle. Zudem flechtet Grisham die Tücken des amerikanischen Justizsystems und die Winkelzüge dieser bisweilen korrupt anmutenden Welt von Fall zu Fall so ein, dass der Leser nicht mit seitenlangen Vorträgen überstrapaziert wird. Trotz oder gerade wegen des eher pragmatischen Erzählstils ein Pageturner mit einem Rechtsverfechter, der sich nicht unterkriegen lässt und den ignoranten Mächtigen auf der vermeintlich guten Seite des Systems quasi den Mittelfinger zeigt.

Titel: Der Gerechte
Autor: John Grisham
Verlag: Heyne
Informationen zum Buch: Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 416 Seiten, erschienen im März 2016
ISBN: 978-3-453-27068-8

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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