Hainhofen damals
AB IN DIE UNTERKLASSE!

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Ein schmerzhafter Start in den Schulalltag 1959

An den Tag meiner Einschulung in die Volksschule Hainhofen habe ich nur eine einzige Erinnerung, doch dazu später. Mein Vater war ein "Flüchtling", das war auf dem Dorf ähnlich schlimm wie evangelisch zu sein, und mit diesem Migrationshintergrund gehörten wir eher der Unterschicht an. Aber in die "Unterklasse" kamen auch die wenigen Bessergestellten im Dorf, denn das war einfach das Klassenzimmer, in dem gut sortiert im unteren Stockwerk die unteren vier Klassen in den zweckmäßigen Kombimöbeln mit Klappsitzen, Ranzenhaken, Griffelgruben und integriertem Tintenfaßhalter hockten, um in erster Linie "brav" zu sein und zu "folgen". Da der Tatzenstecken noch ganz selbstverständlich zur Innenausstattung gehörte wie der Gekreuzigte an der Wand, war es durchaus angebracht, dem tugendhaften Leitbild der Altvorderen, welches gerade den 2. Weltkrieg hartnäckig überdauert hatte, kreuzbrav Folge zu leisten.

Wie man auf dem Foto sieht, wurde man auch in den niederen Einkommensklassen für diesen Tag sprichwörtlich "erstklassig" ausstaffiert. Den stufigen Haarschnitt gabs vom Herrn Gröner in Ottmarshausen oder noch etwas schmerzhafter vom gefürchteten rollenden Frisör Länger verpasst. Die Schultüte und den wunderbar nach Leder riechenden Ranzen hatten die Eltern für hart verdiente D-Mark im Kaufhaus Kritschker in Westheim erstanden. Der XXL-Wischlappen für die Schiefertafel war in Heimarbeit produziert worden, ebenso wie die engmaschig gestrickte Jacke mit den schillernden falschen Perlmuttknöpfen. Das alltagsuntaugliche feine Stoffhöschen stammte aus regionaler Fertigung des ortsansässigen Labels RuHa-Moden, hinter dem sich unser Schneidermeister Rupert Hackl verbarg. Für die neuen Sandalen reichte der Film nicht mehr, aber die erwarb man zusammen mit einem Gratis-Lurchi-Heft beim Schuster Liepert in Westheim, wenn sie nicht als Erbmasse von älteren Geschwistern übernommen worden waren.

Vor unserem ersten jungfräulichen Schritt durch die Schulpforte mußten wir uns am Kirchberg draußen wie üblich brav in Reih und Glied aufstellen und genau da kommt meine Erinnerung ins Spiel: Der Horsti von der Schmutter drunten war ein ganz schüchterner, um nicht zu sagen verstockter Bub, und er hatte wohl gehörige Angst vor dem Leistungsdruck und dem Tatzenstecken. Da half auch das ganze aufmunternde Zureden sämtlicher anwesenden Erziehungsberechtigten und Erzieher nichts, er weigerte sich stocksteif, sich in die Prozession der Debütanten einzureihen. Da nahm ihn das schneewittchenschöne „Frollein“ Leonhard entschlossen bei der Hand, um ihn mit sanftem Druck durchs Tor zu ziehen, aber guckst-Du-nicht ... hatte er sie schon herzhaft schmerzhaft in ihre zarten Finger gebissen. So war der Horsti wohl der erste Erstklässler, der seine ersten Hosenspanner bereits bekam, bevor überhaupt das Schulglöcklein das erste Mal für ihn geschlagen hatte. Ich habe meine erste pädagogische Watschen rekordverdächtig erst in der vierten Klasse bekommen. „Hat noch keinem geschadet“, lautete die moralische Rechtfertigung damals und schließlich ist ja aus allen „was geworden“ … Bürgerreporter zum Beispiel!

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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