Asiatische Puppenkiste, hinduistische Tempelreliefs und Spuren des Krieges - Reise durch Vietnam mit Angkor Wat

Halong-Bucht
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In Hanoi beginnt die Studiosus-Gruppenreise durch Vietnam mit einem Altstadt-Bummel zum Jadeberg-Tempel, Literaturtempel und Hoan-Kiem-See. Eine Bootsfahrt durch die Halong-Bucht mit ihren mehr als 1000 Karstfelsen samt Abstecher in eine Perlenfarm markiert die nächste Etappe. Abends steht staatlich subventioniertes Wasserpuppentheater in Hanoi auf dem Programm. Anfangs ziemlich kitschig und eher plumpe Einführung von Figuren, steigert sich die Darbietung vor allem dank der ab der Hälfte der Spieldauer zu erkennenden Geschichten merklich.

Kuriose Spezialitäten auf dem Teller

Im hoffnungslos romantischen bzw. kitschigen Schneider-Städtchen Hoi An gibt’s neben der japanischen Brücke und dem chinesischen Handelshaus einen Maßanzug. Nach der zweiten Anprobe ist der schwarze Anzug mit Kaschmir-Anteil kaufwürdig. Im Vy's Market Restaurant kommen bei einem opulenten Buffet Spezialitäten auf den Tisch, bei denen ich mich sogar mehr traue als die Vietnamesin in unserer Gruppe. Ich probiere vier Seidenwürmer (weich, genießbar, aber kein Leckerbissen), Schweinehirn (weich, wie Innereien, scharf gewürzt – gar nicht mein Fall, aber ich esse mein Probierhäppchen tapfer), Schweineohrensalat (muss nicht sein), Qualle (gar nicht so glitschig, diese winzigen Stückchen, viel besser als Tintenfisch), Froschschenkel (wie sehr zartes Hühnchen, lecker!) und einen halben Entenembryo (schmeckt nach Dampf und etwas eirig, belanglos). Alle skurrilen Dinge, die ich mir auf's Teller geschaufelt oder geben lassen habe, habe ich vollständig verzehrt.

Der nächste Tagesausflug geht zu den Tempelruinen von My Son. Das UNESCO-Weltkulturerbe der Cham ist sehenswert, inklusive Folklore. Das Kräuterdorf Tra Qué samt Fußbad ist eigentlich nicht erwähnenswert – wenn da nicht der Koch wäre. Früher in Hotelküchen tätig, versteht er sich hier nun als Entertainer und füllt diese Rolle grandios aus. Vier Touristen dürfen mit ihm Omelette zubereiten, aber streng nach seiner Anweisung. Wehe, man hebt den Deckel an, bevor man seine Zustimmung hat – dann gibt’s auf die Finger.

Ausflug in die Geschichte Vietnams

In Da Nang schauen wir uns Exponate der Cham im Museum an, ehe wir den wirklich wolkenverhangenen Wolkenpass mit Ziel Hué überqueren. Dort besichtigen wir das Grab von Kaiser Minh Mang sowie die Zitadelle mit dem Kaiserpalast. Ein Häppchen orange gefärbtes Fleisch vom Straßenstand? Ach, der Händler muss es erst noch grillen. Taufrisch sieht sein "Grill" aber nicht aus. Schmeckt nicht, esse ich nicht auf. In Saigon bummeln wir zum Notre Dame Vietnams und zum traditionsreichen Hauptpostamt, in dem tatsächlich noch ein professioneller und inzwischen steinalter und durch TV-Reportagen berühmt gewordener Briefschreiber arbeitet. Außerdem geht es ins chinesische Viertel mit dem buddhistischen Thien-Hau-Tempel. Abstand halten vor den unzähligen in viel zu engen Käfigen gehaltenen Vögeln, die man freikaufen kann. Vietnam ist Vogelgrippe-Territorium. Niemand nennt Ho-Chi-Minh-Stadt bei ihrem offiziellen Namen, obwohl Onkel Ho allerorts verehrt wird – die Einheimischen sagen weiterhin Saigon.

Ohne die Gruppe mache ich mich mit einem lokalen (staatlichen) Tour-Anbieter auf nach Cu Chi, den alten Tunnelsystemen der Vietcong. Rund 20 Meter kann man in der Hocke durch die Tunnel kriechen, die für die Touristen merklich verbreitert wurden. Der Rauch der Kochkammern wurde viele Meter weiter an die Erdoberfläche abgegeben. Belüftet wurden die unterirdischen Anlagen mittels „Termitenhügeln“. Sollten die Amerikaner tatsächlich mal einen Eingang der Vietcong-Tunnel entdeckt haben, tappten sie meist in eine Falle. Ein durch eine Landmine zerstörter Ami-Panzer dient als Klettergerüst. Alles interessant, aber irgendwie hatte ich mir noch mehr unterirdischen Aufenthalt ausgemalt. Makaber: Es gibt einen Schießstand, an dem die Besucher auf Vietcong-Kämpfer schießen können. Wird besonders gern von pietätlosen Amis besucht, aber ein Teil meiner äußerst international aufgestellten Tagesgruppe untermauert, dass nicht nur Touristen aus dem Land der Weltpolizei eine fragwürdige Auffassung von „Geschichte erleben“ haben.

Warum ist Angkor Wat eigentlich kein Weltwunder?

Vier Tage im Reiseverlauf gehören Kambodscha, konkret Siem Reap. Also der Stadt bei Angkor Wat – einem gigantischen und faszinierenden Weltkulturerbe der Khmer. Man kauft sich direkt neben dem Panorama Museum – einem der wenigen von Nordkorea im Ausland finanzierten Gebäude einen Ausweis mit Foto für ein oder mehrere Tage für den kompletten Komplex. Als leichten Einstieg in die Welt der hinduistischen Khmer-Kultur besuchen wir die Rolous-Gruppe („Tempel des heiligen Bullen“) und den Bakong-Tempel, der zum Prototyp für den Tempelbau wurde. Im Hotel weihen uns beim Buffet am Pool Apsara-Tänzer(innen) in ihre lange einstudierte Kunst ein. Insbesondere die detaillierten Handbewegungen erfordern jahrelanges Üben. Die Apsaras zeigen unter anderem einen Fischertanz mit Reusen sowie Szenen mit Hanuman.

Am nächsten Tag ist Angkor Wat dran. Steinmetze meißelten Vishnus Heldenepen vier Jahrhunderte lang in Stein. Die dritte Etage des Hauptbauwerks ist ein aktives buddhistisches Kloster. Eine imposante Anlage, keine Frage. Der Nachmittag gehört Angkor Thom mit dem Bayon-Tempel. Das Besondere an dieser Tempelanlage: Der Herrscher-Boddhisattva blickt von jedem der 54 Türme in vier Himmelsrichtungen, wodurch Angkor Thom als uneinnehmbar galt. Die Reliefs sind sehr detailliert, auch mit Szenen aus dem Volk – wie dem Schweinekampf, sowie mit Cham fressenden Krokodilen. Am nächsten Morgen besuchen wir mit Banteay Srey eine Tempelanlage mit Szenen aus dem Ramayana und dem Mahabharata, ehe wir ein Dorf mit Schul- und Pumpenprojekt besuchen. Die Qualität des Englisch-Unterrichts ist noch ausbaufähig. Der späte Nachmittag gehört Ta Prohm, einer Stätte mit Tomb Raider Atmosphäre. Denn der Dschungel verleibt sich die Tempel und Mauern ein; Würgefeigen und Urwaldriesen überwachsen die verwitterte Anlage.

Der Mittagshitze in Kambodscha entrinnen wir durch Mittagessen, denn sie ist für Aufenthalte an der Sonne unerträglich. Wir probieren noch aus Zuckerpalmen gewonnenen Zucker und ich schlürfe ein Khmer-Dessert (süße Milch, Jackfruit, grüne Gelatine-artige Reisnudeln oder so etwas ähnliches) mit Cashew-Shake. Zudem werden wir durch eine Produktionsstätte der Kunsthandwerker von Artists Angkor und die Parfümerie Senteurs d'Angkor geführt (was in Vietnam und Kambodscha so alles als wohltätige Ausbildung angepriesen wird, nur weil die schuftenden Azubis ihre harte Ausbildung nicht bezahlen müssen). Okay, die Mango-Creme für den Körper roch wirklich zu gut, um dafür nicht noch die letzten Dollars auszugeben.

Und sonst so? Weitere Eindrücke aus Vietnam und Kambodscha

Bäuerinnen verkaufen in vietnamesischen Metropolen Früchte auf zwei Waagschalen. Man erkennt sie daran und am typischen Hut. Kinder sind sehr gut erzogen. Manchmal sprechen sie dich höflich und lächelnd an, nur um Englisch zu üben. Reiseleiter Herr Bai sagt etwas zu einer Schulklasse vor dem Ho-Chi-Minh-Mausoleum in Hanoi und alle grüßen und winken uns zu. Überhaupt winken in Vietnam viele Kinder und Jugendliche, wenn sie uns (im Bus) sehen. Dahinter steckt kein Kalkül. Fallen Kleinkinder – die überall toben dürfen – hin, stehen sie unabhängig vom Publikum wieder auf anstatt zu flennen. Trinkgeld ist unüblich, nur in Städten im Restaurant sowie im Tourismus und bei Massagen sind gängig.

Massagen gibt es ebenso wie Essgelegenheiten in jeder Straße dutzendfach. Sie sind mit wenigen Dollar pro Stunde ziemlich günstig, allerdings erwarten die Masseurinnen Trinkgeld. Männliche Masseure scheint es nicht zu geben. Männern, die sich einer Behandlung unterziehen, wird bei einer Ganzkörpermassage auch in seriös wirkenden Spas oftmals zumindest Handentspannung angeboten. Gilt für beide Länder. Die vietnamesische Massage zeichnet sich durch einige ungewöhnliche Elemente wie Handkantenschläge auf die Stirn aus. Die Khmer-Massage im Nachbarland hingegen beinhaltet etliche Elemente der Thaimassage (knackende Finger und Zehen), garniert mit Schlägen. Wohltuend ist anders.

Der Verkehr in den Großstädten Hanoi und Saigon ist die Hölle. Auf 9 bzw. 10 Millionen Einwohner kommen zirka 5 Millionen Motorroller. Eigenes Berufsfeld: Parkplatzwächter für Motorroller, die meist in Scharen auf dem Gehweg abgestellt werden. Autos, Busse und Lastwagen gesellen sich auf der Straße hinzu, deutsche Modelle sind jedoch selten. Auf importierte deutsche Wagen wird gemäß Reiseleiter eine Luxussteuer von 200 Prozent erhoben. Zebrastreifen und Ampeln haben nicht wirklich eine Bedeutung. Bei Rot sollten Fußgänger unbedingt stehen bleiben, aber Grün heißt hier nicht automatisch „Gehen“, sondern erhöht allenfalls die Chancen, nicht überfahren zu werden. Trotzdem unbedingt nach links und rechts schauen! Eine stark befahrene Straße zu überqueren ist für Einzelpersonen, die westliche Verkehrsverhältnisse gewohnt sind, sehr schwierig. Die ersten Straßenüberquerungen meistern wir in der Gruppe mit örtlichem Reiseleiter, der die Autos stoppt. Zur Premiere darf es prompt der Kreisverkehr an der Oper von Hanoi sein. Es ist ratsam, sich den Schwarm-Effekt zu Nutze zu machen. Motorroller halten deswegen aber nicht an, sondern sie umfahren den Schwarm oder den einzelnen Passanten. Obwohl Vietnam in der Statistik der Verkehrstoten ganz oben vertreten ist, haben wir in acht Tagen keinen Unfall gesehen. Stattdessen wage ich mich in Saigon mit Helm auf den Rücksitz eines Moto-Taxis. Entspannter als angenommen, da der Fahrer aber auch sehr vorsichtig unterwegs war. Transportiert wird auf Motorrollern, die hoffnungslos überladen werden, übrigens ALLES; von Blasinstrumenten, die im linken Arm des Fahrers stecken bis hin zu Leitern, deren mittlere Sprossen den Kopf des Fahrers umgeben. Wahnsinn!

Essen gibt es im Abstand von wenigen Metern jederzeit. Die vietnamesische Küche ähnelt der chinesischen, wobei Sojasauce durch Fischsauce ersetzt wird und die Vietnamesen auf Glutamat verzichten. Erfreulich ist die Toiletten-Situation in Vietnam: Sowohl öffentliche Toiletten als auch der Abort in Restaurants und auf Rastplätzen sind in der Regel sauber und gut ausgestattet. Dennoch ist insgesamt kaum ein Umweltbewusstsein vorhanden. Abfall wird zwar unter Umständen gesammelt, dann aber in den Graben, Fluss oder sogar ins Weltnaturerbe Halong-Bucht gekippt. Vietnam würde ich als Schwellenland einstufen. Die Leistungsbereitschaft der fleißigen und anpassungsfähigen Menschen ist enorm, absolute Armut wie im benachbarten Königreich Kambodscha haben wir in acht Tagen Aufenthalt nicht gesehen. Vietnam hat eine wechselhafte Geschichte mit China, orientiert sich zumindest wirtschaftlich und kulinarisch auch am Reich der Mitte. In der Küche macht sich mit Mango-Lassi und dem sehr erfrischenden Lemon-Lassi auch indischer Einfluss bemerkbar. Im eher indisch geprägten Kambodscha schmeckt es mir persönlich deutlich besser, der Cashew-Milchshake ist eine Wucht.

Die Staatsform in Vietnam ist zwar der Kommunismus, der sich hier aber prima mit freier Marktwirtschaft verträgt. Absicherung im Alter? Selbst verantwortlich sind Vietnamesen und Kambodschaner, die auf ihren Familienverbund zählen. Der Nationalstolz ist in Vietnam nicht zu übersehen. Ho-Chi-Minh wird über alle Maßen verkehrt. Vor seinem Mausoleum in der Hauptstadt Hanoi bilden sich gigantische Schlangen. Nicht nur zahlreiche Schulklassen mit einheitlicher Kopfbedeckung und roten Shirts mit gelbem Stern (Nationalflagge) reihen sich darin ein. Flaggen wehen überall von den Dächern. Rote Schilder mit gelber Schrift geben aktuelle Parolen der Kommunistischen Partei wieder.

Etwas Besonderes ist auch der Ahnenkult in Vietnam mit traditioneller Bestattung gemäß Daoismus. Von Bauern in Nordvietnam auf dem Land trotz Partei-Verbots praktiziert, findet der Grabkult inzwischen auch bei reichen Städtern Gefallen. Eigentlich sind nur Urnen erlaubt. Wie funktioniert die traditionelle Bestattung nun? Nach fünf Jahren exhumiert der älteste Sohn die Leiche, die in einen Minisarg kommt. Später wird der Verstorbene im Hausschrein direkt am Nassreisfeld beigesetzt, der zwei Mal im Jahr mit Gaben wie Reisschnaps geschmückt wird. Der Todestag ist in Vietnam wichtiger als der Geburtstag. Es wird mindestens der verstorbenen fünf Generationen gedacht.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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