"GÖTTERDÄMMERUNG" ÜBER STEPPACH

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Der Bismarckturm auf dem grünen Hügel über Steppach ist einer von vielen und doch etwas Besonderes, denn er ist der einzige seiner Art, der in Schwaben errichtet wurde. Fürst Otto von Bismarck (1815 – 1898), der preußische Ministerpräsident und spätere Reichskanzler, wurde schon zu seinen Lebzeiten vom deutschen Volk verehrt. Insbesondere nach dem Sieg im Nachbarkrieg gegen Frankreich entwickelte sich um den "Eisernen Kanzler" ein wahrer Personenkult, der sich nach dessen Tod noch verstärkte. In patriotischer Euphorie wurden im gesamten deutschen Raum Bismarckgesellschaften gegründet, die über das ganze Land verteilt Denkmäler zu seiner Huldigung errichten ließen. Neben Brunnen und Standbildern waren dies vor allem die bekannten Bismarcktürme, die vorwiegend über Spendengelder finanziert wurden. Geplant war die Errichtung von 410 solcher Bauwerke, davon wurden 240 realisiert und tatsächlich stehen heute noch 173 davon in Deutschland, sowie in anderen europäischen Ländern und ehemaligen Kolonialstaaten.

Die konservative Deutsche Studentenschaft setzte sich für eine einheitliche Architektur der „Säulen“ ein, auf deren Spitze eine Feuerstelle installiert werden sollte, um dort an gewissen Tagen, z.B. am 01. April, dem Geburtstag des Kanzlers, lodernde Freudenfeuer zu entzünden, die dann als glorifizierende Lichterkette das ganze Land überziehen sollten. 167 Bismarcktürme wurden dementsprechend auch mit einer Befeuerungseinrichtung ausgestattet. Für eine einheitliche Optik der Türme wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der Architekt Wilhelm Kreis mit seinem düsteren Entwurf „Götterdämmerung“ gewann. Diese martialisch anmutende, steinere Feuersäule wurde nach dem Vorbild des Entwerfers bis zum Jahr 1911 insgesamt 47mal errichtet und einer dieser „Mustertürme“ steht heute noch in Steppach.

Der Bau des Bismarckturms hoch über Augsburg wurde im Jahr 1901 begonnen und vier Jahr später konnte das Monument festlich eingeweiht werden. Der 20 Meter hohe Turm verschlang sagenhafte 50.000 Goldmark an Baukosten, die über diverse Spendenaktionen wie dem Verkauf von sog. „Spendenkarten“ aufgebracht wurden. Als Baumaterial wurde in Steppach Tuffstein aus der Gegend von Urach verwendet. Auf der oberen Plattform befand sich ursprünglich die vorgesehene eiserne Feuerschale, in der zur verregneten Einweihung und später zum Geburtstag des Kanzlers riesige Feuer mit meterhohen Flammen entfacht wurden.

Den 2. Weltkrieg überstand der Steppacher Turm wie durch ein Wunder unbeschadet, obwohl er für militärische Zwecke mißbraucht wurde und Augsburg Ziel massivster Luftangriffe war. Die Feuerschale wurde vermutlich in diesen Jahren abmontiert. Nach Kriegsende blieb der Turm nochmals geöffnet, aber im Jahr 1958 wurde er schließlich für 25 lange Jahre geschlossen. Von 1981 bis 1983 wurde er umfangreich saniert und von da an der Öffentlichkeit als beliebter Aussichtsturm zugänglich gemacht. Das steht ihm auch wesentlich besser als sein früheres Dasein als loderndes Mahnmal irgendwelcher nationalistisch veranlagter altvorderen Vereinigungen. Von März bis Oktober kann man ihn von 9 bis 19 Uhr besteigen und die phantastische Aussicht auf die Skyline der Schwabenmetropole auf sich wirken lassen, wobei die Stunden der Dämmerung dafür immer noch die beeindruckendsten sind. Heutzutage ist das ein kostenloses Vergnügen, während nach der Eröffnung im Jahr 1905 die Besteigung 10 Pfennig für Erwachsene und ein Fünferl für Kinder kostete.

Der Bismarckhügel ist heute ein beliebtes Ziel für Spaziergänge mit und ohne Vierbeiner, er dient als Picknick- und Federballplatz und verkommt leider in pandemiefreien Zeiten allzu oft zur Partyzone an Feiertagen wie Silvester oder der Nacht zum 01. Mai. Mancher Besucher wird sich vielleicht an die Zeiten erinnern, als es in schneereichen Jahren am Osthang sogar einen Schlepplift für Wintersportler gab.

Historische Bilder des alten Turms mit der Feuerstelle findet man z.B. im Buch „Steppach, ein Ort im Wandel der Zeit“ aus dem Context Verlag.

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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