Schneemannbauen, Schneeballschlachten und Snowboarden – Clemensias Spaß an der kalten Materie lag nicht nur daran, dass sie aus einer heißen Gegend kommt und vorher noch nie damit in Berührung gekommen war. Die junge Afrikanerin, die seit acht Jahren in der namibischen Hauptstadt Windhoek als eine von rund 300 schwarzen Schülerinnen und Schülern im Rahmen eines Patenschaftsprogramms die Deutsche Höhere Privatschule (DHPS) besucht und dort im Oktober 2008 mit hervorragenden Noten ihren namibischen Schulabschluss gemacht hat, nahm mit allen Sinnen und großer Offenheit alles Neue wahr, was das fremde Gastland ihr bot. Ihren Austausch nach Deutschland hat sie einer deutschen Lehrerin an ihrer Schule zu verdanken, die ihre Kontakte in die bayerische Heimat spielen und Clemensias Herzenswunsch wahr werden ließ. Von der ersten Minute an war das Mädchen in die bis dahin ungekannte Gastfamilie integriert – der gleichaltrige Gastbruder Jakob bekam sogar eine namibische Zopffrisur verpasst. Denn nicht nur der Elf-Stunden-Flug von Windhoek nach München, den Air Berlin gesponsert hat, war eine aufregende Premiere in ihrem Leben – manches hatte sich Clemensia kaum vorstellen können, obwohl sie in ihrer Heimat auch in der Großstadt lebt: Etwa Straßenbahnen in der City oder die Tatsache, dass Taxis hierzulande eher als Luxus gelten, anstatt, wie zu Hause, für jeden erschwinglich sind. Auch die glitzernden Weihnachtsmärkte und Großraumkinos sowie der Besuch im Fast-Food Lokal waren ein Novum – an die sich die fröhliche Schülerin mit den schwarzen Rastazöpfen aber schnell und mit Genuss gewöhnte. Besonders gut gefiel es ihr auf „ihrem“ Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß bei Augsburg, wo sie als Gastschülerin am Unterricht einer 11. Klasse teilnahm und ihre Mitschüler mit vielen neugierigen Fragen und die Lehrer mit ihren guten Sprachkenntnissen überraschte.
„Alle waren freundlich und hilfsbereit,“ war ihr Resümee nach zehn Wochen Bayern, „und die Sprache habe ich immer besser sprechen und verstehen gelernt. Manchmal habe ich sogar auf deutsch geträumt...“
Soweit gut vorbereitet, wagt Clemensia seit Januar ein weiteres Abenteuer – gemeinsam mit einem schwarzen Mitschüler will sie als erste schwarze Namibianerin auf der DHPS das deutsche Abitur machen. Jetzt ist die Unterrichtssprache nicht mehr englisch, Mathe, Physik und Bio werden auf deutsch gehalten. Für „Mencia“, wie alle die 18-Jährige rufen, eine Herausforderung, der sie sich voller Ehrgeiz stellt. Denn sie will später studieren – und auch wieder nach Deutschland kommen. Bis dahin hat sie ihr Lieblingsbild aus der neuen zweiten Heimat zum Ansporn in ihrem Zimmer hängen: Ein Poster von Schloss Neuschwanstein – ganz romantisch im Schnee, versteht sich...