Buchrezension: John Grisham – Die Erbin

John Grisham: Die Erbin | Foto: Buchcover: © Heyne
  • John Grisham: Die Erbin
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John Grisham legt mit „Die Erbin“ einen 700 Seiten starken Wälzer vor. Sein neuester Anwaltsroman widmet sich der Anfechtung eines Testaments, Ahnenforschung und Rassismus. Herausgekommen ist dabei ein typischer, spannender Grisham mit einem bereits bekannten Protagonisten.

Darum geht es in „Die Erbin“

Holzmagnat Seth Hubbard aus Ford County, Mississippi, hat Krebs im Endstadium und begeht Selbstmord. Er hinterlässt ein millionenschweres Erbe und ein völlig neues Testament. Hubbard beauftragt Rechtsanwalt Jake Brigance direkt vor seinem Freitod per Post, seinen handschriftlichen vor Gericht durchzusetzen. Das Knifflige daran: Hubbard enterbt seine Kinder und Enkel komplett und vermacht den Großteil seines Vermögens seiner schwarzen Haushälterin Lettie Lang. Im Gerichtssaal von Reuben V. Atlee entbrennt eine Schlacht ums Erbe, bei der die anfechtende Partie mit schmutzigen Tricks arbeitet, während Brigance von einem Säufer, einem loyalen Scheidungsanwalt und seiner neuen Anwaltsassistentin Portia Lang, Tochter der Begünstigten, unterstützt wird.

Wie liest sich „Die Erbin“?

John Grisham hat erneut einen ausgeklügelten Plot auf Papier gebracht. In den Erbschaftsstreit flechtet er wieder einmal viele Informationen über das Justizsystem der USA ein. Doch er greift in seinem neuen Bestseller auch das Thema Rassismus auf. Eine schwarze Haushälterin, die über Nacht zur reichsten Person des County wird? Undenkbar – egal, wie unsympathisch die Kinder des Verstorbenen sind! Im hinteren Teil nimmt dann auch der Erzählstrang der Ahnenforschung noch einmal richtig Fahrt auf.

Die Geschichte fesselt, doch Grisham verschwendet Zeit mit der Einführung unbedeutender Nebenfiguren und den Essgewohnheiten der Landbewohner, die sich offenbar bevorzugt von Maisbrei ernähren. Außerdem bedient er sich bei der Charakterzeichnung etlicher Klischees und macht aus zahlreichen Figuren klare Stereotype, die entweder idealisiert (wie zwei jugendliche Unfallopfer) oder verteufelt (wie der kleinkriminelle, geldgierige, fremdgehende und Frauen schlagende Simeon Lang) werden. Treuen Grisham-Lesern fallen diesbezüglich auch Versatzstücke auf: Es gibt den moralisch triumphierenden Junganwalt, der für das Recht eintritt und die skrupellose Gegenseite, deren Anwälte entweder zur Selbstdarstellung neigen oder mit unlauteren Methoden zum Sieg kommen wollen – wie in „Der Regenmacher“ oder „Das Urteil“. Außerdem eine ehrgeizige Praktikantin und einen schrulligen Richter, der sein Arbeitsumfeld zur Machtdemonstration nutzt.

Von Vorteil, aber nicht zwingend nötig ist es, „Die Jury“ gelesen zu haben. Denn Jack Brigance ist der Anwalt, der darin einen Freispruch für den Schwarzen Carl Lee Hailey erwirkt hat, der die Vergewaltiger seiner Tochter erschossen hatte. „Die Erbin“ spielt drei Jahre nach „Die Jury“ und noch immer schlägt sich der Jurist mit den Folgen dieses Prozesses herum.

Fazit zu „Die Erbin“

Eine Kürzung auf 600 Seiten hätte „Die Erbin“ vertragen, ohne inhaltlich an Tiefe und Spannung einzubüßen. Mit dem Ende rechnet der Leser beinahe, obwohl es Grisham gelingt, immer wieder geschickt Wendungen einzubauen. Trotz der erwähnten Schwächen ist „Die Erbin“ für Bücherwürmer mit Interesse an Anwaltsromanen eine klare Empfehlung.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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