Brot und Spiele 2011 überzeugt mit Amazonen-Spektakel, lebendigen Römern und antiker Musik

Ars Dimicandi waren als erste Truppe abmarschbereit an der Porta Nigra. (Foto: Michael Stauner)
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  • Ars Dimicandi waren als erste Truppe abmarschbereit an der Porta Nigra. (Foto: Michael Stauner)
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Trier war für Fans des alten Rom vom 02.09. bis 04.09.2011 eine Reise wert. Denn Brot und Spiele 2011 lockte Besucher aus verschiedenen Ländern ins Amphitheater, in die Kaiserthermen und an die Porta Nigra. Dort fanden sich am Samstag und Sonntag um 10 Uhr morgens unterschiedliche Kohorten des Römischen Heeres ein, um gemeinsam in Reih und Glied mit einem Stopp an der Konstantin-Basilika, vorbei am Kurfürstlichen Palais und dem Rheinischen Landesmuseum – das mit der Demonstration von historischen Werkstätten seinen Teil zu Brot und Spiele 2011 beitrug – zu den Kaiserthermen zu marschieren.

Ars Dimicandi sorgen für Gladiatoren-Flair
Die italienischen Gladiatoren-Forscher Ars Dimicandi um Dario Battaglia sind schon das zehnte Jahr in Folge bei Brot und Spiele dabei. Sie waren am Samstag als Erstes in voller Montur an der Porta Nigra. In den Kaiserthermen angekommen demonstrierten sie den interessierten Besuchern ab 11:30 Uhr die Didaktik der Gladiatur und räumten mit filmbedingten Fehlinformationen auf. So waren die Gladiatoren im Alten Rom den von Battaglia und seinen Kollegen untersuchten Schriften zufolge perfekt aufeinander abgestimmt in Sachen Ausrüstung. Der Retiarius, verkörpert von Leo, hatte beispielsweise weder Rüstung noch nennenswerten Beinschutz. Denn mit Dreizack und Netz musste er sehr beweglich sein. Battaglia vergleicht den Retiarius mit einem Torrero. Der Stier war der Secutor, in dessen Rolle Rufus schlüpfte. Der Secutor verteidigte sich mit einem abgerundeten Schild ohne Ecken und einem Schuppenpanzer-Armschutz. Er trug einen vier Kilogramm schweren, glatten Helm mit Kamm auf dem Kopf. Der Kamm sorgte dafür, dass er sich nicht im Netz verfangen konnte, die glatte Front dämpfte die Stöße des Retiarius. Da die Zuschauer im Anschluss an die Kampfdemonstration die Waffen auch einmal selbst ausprobieren durften, lässt sich sagen: Trotz Secutor-Helm darf ein Angriff mit dem Dreizack auf das vom Visier geschützte Gesicht spätestens beim dritten Mal als Wirkungstreffer verbucht werden. Während die wackeren Recken von Ars Dimicandi auf dem Exerzierfeld in den Kaiserthermen eine einstudierte Choreographie vorführten, trugen sie im Arena-Spektakel „Herkules und die Königin der Amazonen“ richtige Kämpfe aus. Wie richtige Gladiatoren wollten sie im Amphitheater ihre Namen und anfeuerndes Klatschen hören. War ihnen das Publikum zu leise, legten sie eine Kampfpause ein. Das Volk auf den Sitzplätzen durfte nach den Gladiatoren-Kämpfen auch über Leben (vita) und Tod (mors) entscheiden. Battaglia: „Weniger als zehn Prozent der Gladiatoren wurden zum Tode verurteilt.“

Amazonen, Chauvi-Sprüche und ein bisschen Pathos
Wer „Herkules und die Königin der Amazonen“ am Samstag oder Sonntag gesehen hat oder sich erst noch am Samstag, 10.09.2011, um 16:45 oder 19:45 Uhr ansieht, kann die Sieger vergleichen. Bei der Premiere am Freitagabend siegte Reciario Leo gegen Secutor Rufus. Fabius mit dem Kurzschwert setzte sich gegen Silla mit dem Speer – den er mitten im Kampf gegen ein Kurzschwert tauschte – durch und Sekene triumphierte über Erefax. Prinzipiell kann jeder Besucher des Amphitheaters selbst entscheiden, für welchen Gladiator er ist. Doch da das Publikum immer ein bisschen mitgerissen und an die Hand genommen werden will, teilt ein Publikumsanheizer bzw. „Jubelperser“ - wie er im Programmflyer genannt wird – die rechte Seite (Block A bis C) für einen Kämpfer ein, die linke Seite (Block D bis F) für den anderen. Tinnitus (gespielt von Christoph Bangerter), wie der „Jubelperser“ genannt wird, sorgt auch an anderen Stellen für gute Laune („Schafft die Kinder ab!“) und Mitmach-Phasen. Doch das Arena-Spektakel glänzt nicht nur mit launigen Szenen und Gladiatorenkämpfen. Insbesondere die Amazonen um Königin Hippolyta (Katy Karrenbauer) und deren Tochter Armida (Alexandra Bentz) reißen einen männerfeindlichen Spruch nach dem anderen. Oder erklären die feinen Unterschiede der Völker, wie Hippolyta: „Germanen sind Römer in Hosen!“ Aber auch der kampflustige römische Mitkaiser Commodus (Jan Krüger) hält zeitgemäße Chauvi-Sprüche parat. Sein Vater und Kaiser Marc Aurel (Manfred-Paul Hänig) beschäftigt sich lieber mit Weinfass-Philosophie, ebenso Statthalter Flavius Ignotus (Klaus-Michael Nix). Vom Kampf hält auch Antigonos (Tim Olrik Stöneberg) nichts. Das Stadtoberhaupt von Trier hat seiner Frau Galatea (Isabel Florido) versprochen, nicht mehr zum Schwert zu greifen. Galatea wiederum versucht in einer Nebengeschichte erfolglos, ihre vom Ehemann zu Unrecht verstoßene Freundin zur Heirat an reiche Römer zu vermitteln. Die Hauptstory ist folgende: Das Germanenheer der Römer hat einen verlassenen Tempel geplündert und den goldenen Gürtel der Amazonen mitgenommen. Hippolyta und ihr Gefolge reisen zu Brot und Spiele nach Trier, um sich ihren Schatz von Commodus wiederzuholen. Dieser denkt jedoch nur an ein Arena-Spektakel – sehr zur Freude von Superbus Sinister (Thom Nowotny), Leiter der Gladiatorenschule in Trier und dessen Schüler Nubius (Isaac Boateng). Armida soll Commodus, der selbst den Herkules spielen möchte, zusätzlich umgarnen, um an den Gürtel zu kommen. Doch Armida und Commodus verlieben sich tatsächlich und kurzzeitig droht die Vorstellung kitschig zu werden. Doch letztlich endet „Herkules und die Königin der Amazonen“ dramatisch, mit einem Hauch von Pathos.

Auskunftsfreudige Römer im Vicus
Nach der Vorstellung strömten vor allem die Kinder in den Sand der Arena, um sich mit den Schauspielern ablichten zu lassen und Autogramme zu holen. Insbesondere „Hinter Gittern“-Star Karrenbauer verschwand unter einer Traube von Fans. Noch redseliger als Commodus und Kollegen waren allerdings die „Römer“ im Legionärslager und im Vicus – dem Handwerker-Dorf in den Kaiserthermen. Sie ermutigten die Besucher, Fragen zu stellen und zeigten sich daraufhin äußerst auskunftsfreudig. So erfuhren Klein und Groß von einem Heilkundigen, dass nur 30 Prozent der Patienten im Alten Rom eine Blasensteinentfernung überlebten, unterhielten sich mit Römer-Schmied Martin Becker über Wölfe als Haustier oder folgten den Schilderungen des Denar-Spezialisten über die Bedeutung des Kaiserbildes auf römischen Münzen. Diese dienten nämlich als Medium und zeigten den Menschen in den Provinzen, wer gerade Imperator war und wie dieser aussah. Auch das aktive Eingreifen ins Geschehen kam nicht zu kurz. Das Angebot reichte vom Mosaik basteln und Papyrus-Lesezeichen mit römischen Buchstaben selbst beschriften, beides gegen Entgelt, bis hin zu Luckys Gladiatorenschule für Kinder und Speerwerfen für den Nachwuchs. Ein Höhepunkt waren dabei die Vorführungen antiker Musik der Quartetts Cornu et Hydraulis.

Von wunderbaren Wasserorgel-Klängen bis zu Amazonen-Mystik
Justus Willberg und sein Team von Cornu et Hydraulis begeistern das Publikum seit Jahren bei Brot und Spiele. 2011 lag der Fokus darin, antike Musik explizit mit Mosaik-Bildern aus Trier zu verknüpfen, die Instrumente zeigen. Willberg erklärte, wie und wofür das jeweilige Instrument eingesetzt wurde und spielte ein kurzes Stück darauf, um antike Trierer Musik hörbar zu machen. Dirk Eidner, mit einem Lorbeerkranz ums kahle Haupt, rollte derweil das auf Papier gedruckte, vom Rheinischen Landesmuseum geliehene, passende Mosaik aus und zeigte es den Zuhörern. Willberg begleitete sich bei seinem Hymnus an Apoll selbst auf der Lyra (eine spezielle Leier) und warf in die Menge, dass der Doppel-Aulos – ähnlich einer Oboe – zu viele Löcher hat. Singt er nur „mmh“, dann fehlt Text im Papyrus. Der Stolz der Truppe ist jedoch die Wasserorgel. Seit dem dritten Jahrhundert vor Christus kennen Musiker dieses Instrument. „Auch Kaiser Nero hat Wasserorgel gespielt – höchstwahrscheinlich besser, als er Politik gemacht hat“, sagt Willberg. Die Wasserorgel von Cornu et Hydraulis ist übrigens ein Nachbau der historischen Orgel von Aquincum aus dem dritten Jahrhundert nach Christus. Unter höchstem Einsatz und Kosten von mehreren Tausend Euro hat das Team sie in zwei Jahren hergestellt. „Das Innenleben haben wir acht Mal bauen müssen, bis es funktioniert hat“, informiert Willberg. Die genauen Proportionen waren aus dem antiken Bildmaterial, zu denen vor allem ein Mosaik aus der Villa Nennig gehört, nämlich nicht ersichtlich. So funktioniert die Wasserorgel: In eine Schale mit Wasser wird ein Trichter mit Orgelpfeifenaufsatz gesteckt. Luft wird hineingepumpt und sorgt für konstanten Druck. Solange dies der Fall ist, kommen wohlklingende Töne aus der Orgel. Das klappt allerdings nur, wenn links und rechts von Orgelspieler Willberg seine „Calcanten“ Eidner und Angelika Liefke pumpen. Der Vierte im Bunde, Hagen Pätzold ist der Spezialist für antike Blechblasinstrumente. Er entlockt dem Cornu angenehme Töne und führte einen Zug voller musizierender Kinder durch Vicus und Legionärslager. Einen gelungenen Ausklang des Römer-Spektakels boten ab 19 Uhr die Römer-Lounge und die mystische Nacht. Atmosphärische Klänge, ein Tänzer und drei bewaffnete Tänzerinnen sorgten für Amazonen-Mystik in den illuminierten Gängen der Kaiserthermen. Glücklich, wer schon am Freitag in diese Welt eintauchte und so vermied, lange Schlange stehen zu müssen.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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