Amphoren aus Lehm

25. August 2009
Waldperlach, 81739 Munich
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In Zeiten von Massentourismus und internationalem Warenaustausch werden immer wieder Pflanzen und Tierarten in Gebiete eingeschleppt, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren. Häufig führt das zu Problemen, wie man sie beispielsweise von Ambrosia und Wollhandkrabbe her kennt, gelegentlich tauchen aber auch harmlose Arten auf, die sich ihren Lebensraum mit einheimischen Arten teilen oder diese, begünstigt durch den Klimawandel, verdrängen.

Zu diesen Neozoen zählt die asiatische Mauerwespe Sceliphron curvatum (Smith, 1870). Sie stammt aus Asien, kommt hauptsächlich in Nepal, Indien und Pakistan vor und wurde erstmals 1979 in Graz beobachtet, einer Theorie zufolge eingeschleppt von Touristen über den Flugplatz Graz-Thalerhof und vermehrt sich seitdem massenhaft in der Steiermark im Südosten Österreichs.

Wie Fritz Gusenleitner vom Biologiezentrum Linz 1) berichtet, werden die Lehmtopfwespen seit 1995 auch in Oberösterreich gesichtet, mauerten sogar schon in Büros des Instituts ihre Lehmnester. Untersuchungen von Johannes Gepp 2) vom Institut für Naturschutz und Landesökologie in Graz aus den Jahren 1980 bis 2002 legen nahe, dass S. curvatum die einheimische Mauerwespe S. destillatorium (Illiger, 1807) zurückdrängt, wenn nicht gar ganz verdrängt. Fast alle während der Kampagne gefundenen Lehmtopfnester von S. destillatorium stammen aus der Zeit zwischen 1980 und 1990, danach finden sich praktisch nur noch Nester von S. curvatum im Großraum Graz.

Die Nester der zwei Arten lassen sich leicht unterscheiden: Beide mauern aus Lehm, den sie in Pfützen sammeln, kleine, etwa 25 Millimeter hohe amphorenartige Töpfe, in die sie jeweils ein Ei und mehrere betäubte Spinnen als Nahrung für die Larve füllen. Die einheimische Sceliphron destillatorium verklebt alle Amphoren mit Lehm zu einem kompakten Gebilde. Sceliphron curvatum befestigt die Lehmtöpfe einzeln neben und übereinander an eine möglichst senkrechte und regengeschützte Stelle.

Mit dieser Strategie scheint S. curvatum deutlich im Vorteil zu sein, da einzelne Töpfe weniger wiegen als ein Konglomerat von Töpfen, und damit die Anzahl der geeigneten Orte um sie zu befestigen erheblich steigt. So wurden Nester von S. curvatum nicht nur in Dachstühlen, sondern auch in Bücherregalen, Fensterstöcken, Fernsehgeräten, Vorhängen und sogar an Kleidern gefunden. Letztere lassen ein Verschleppen von S. curvatum durch Touristen durchaus plausibel erscheinen.

Beim Bau der Nester gibt die Mauerwespe ein Geräusch ab, das an eine Stubenfliege erinnert, die versucht, durch ein geschlossenes Fenster einen Raum zu verlassen. Jedoch verhält sie sich deutlich intelligenter als eine Fliege: Als ein Weibchen der Lehmtopfwespe über mehrere Tage an dem im Bild gezeigtem Nest arbeitete, stieß sie kein einziges Mal gegen ein Fenster, sondern flog gezielt durch den Kippspalt, steuerte mit immer dem selben Umweg das Bücherregal an, verschwand hinter den Büchern und arbeitete etwa eine Minute lang an ihrem Nest. Um einen Lehmtopf fertig zu stellen, benötigte sie zehn bis zwanzig Flüge und rund ein bis zwei Stunden Zeit.

Als das Nest nach fünf Tagen, am 4. Juli 2009, aus dem Bücherregal entfernt wurde, begann sie nach einigem Suchen einen neuen Lehmtopf zu mauern. Erst als auch dieser aus dem Regal genommen worden war, gab sie auf und wurde seitdem nicht mehr gesehen.

Einen Tag danach, die Lehmtöpfe lagen inzwischen in einer Petrischale, kroch aus einer beschädigten Lehmamphore eine Larve (Bild 1). Am 19. August schlüpfte eine voll entwickelte Wespe aus einem weiteren Topf, ebenso am 25. August (Bild 2). Die Zeit zwischen Eiablage und Schlüpfen scheint demnach bei knapp 50 Tagen zu liegen.

Die Wespe dürfte auch von Laien leicht zu erkennen sein: Sie wird 15 bis 20 Millimeter lang, ist schwarz gefärbt mit gelben Ringen und roten Beinen. Auffälligstes Merkmal ist ein nur wenige zehntel Millimeter durchmessender, aber fast fünf Millimeter langer Stiel, der das Hinterleibssegment mit dem Brustsegment verbindet, was beim Betrachter den Eindruck eines zerteilten Insekts hinterlässt. Obwohl Sceliphron curvatum einen Stachel besitzt, mit dem sie ihre Beute, Spinnen, von denen sie jedes Jahr mehrere tausend fängt, betäubt, stellt sie für Menschen keine Gefahr dar. Zum einen ist der Stachel entschieden zu klein, um die menschliche Haut durchdringen zu können, zum anderen ist sie in keiner Weise aggressiv. Zudem ist S. curvatum eine solitäre Schlupfwespe, bildet also keine Staaten, sondern tritt alleine auf.

Das Neozoon Sceliphron curvatum als Nützling oder Schädling zu klassifizieren, dürfte wenig sinnvoll sein, da diese Schlupfwespe für keine der beiden Kategorien geeignete Kriterien aufweist. Johannes Gepp bemerkte zu dieser Fragestellung einen für arachnophobe Menschen positiven Diskussionspunkt 2): Wenn sie in einem Gebiet leben, in dem S. curvatum massenhaft auftritt, werden sie selten Spinnen begegnen...

B Göpfert, Waldperlach, August 2009

1): www.Biologiezentrum.at
2): Gepp, J. Verdrängt die eingeschleppte Mauerwespe Sceliphron curvatum autochthone Hymenopteren im Südosten Österreichs? Entomologica Austriaca 8/2003, S.18, Entomological Society of Austria

Bürgerreporter:in:

B Göpfert aus München

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