Eine Zeitreise durch das Landleben von damals...

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Im Freilichtmuseum Hessenpark, zwischen Neu-Anspach und Wehrheim, begibt man sich auf eine Reise in die Vergangenheit und fühlt sich selbst als ein Teil einer längst vergangenen Zeit.

Unser Sonntagsausflug führte uns am 29.09. in das Freilichtmuseum Hessenpark. Kaum waren wir dem Auto entstiegen, meldete sich unser Magen zu Wort und so fragten wir nach dem Weg nach Obernhain. In dem ein Kilometer entfernten Ort befindet sich die Gaststätte "Zum Taunus", in der wir uns mit Nahrhaftem aus einer gut bürgerlichen Küche für die Zeitreise durch das hessische Landleben stärkten.

Beim Kartenkauf in der Eingangshalle fanden wir in einem Flyer das Versprechen: "In dem 1974 gegründeten Hessenpark wird auf 65 Hektar Fläche und in mehr als hundert historischen Gebäuden die Geschichte des hessischen Dorflebens der letzten Jahrhunderte gezeigt..." Bei unserem Rundgang stellten wir fest, das Zeitgeschichte aus vielen unterschiedlichen Aspekten besteht, wie z. Bsp. Baugeschichte, Arbeitsleben und Kleidung. Da auch die verschiedenen hessischen Regionen sich unterscheiden, ist das Freilichtmuseum in die Baugruppen Mittelhessen, Nordhessen, Osthessen, Südhessen und Rhein-Main unterteilt. Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die Gerätschaften und Arbeitsmaterialien, vermittelten uns ohne den berühmten erhobenen Zeigefinger einen Eindruck über die Arbeits- und Lebensbedingungen von dem durch die Landwirtschaft geprägten Leben vor über hundert Jahren.

Bei unserem Rundgang erfahren wir viel über die Entstehung, den Nutzen und die Veränderungen der vor ein- oder mehreren hundert Jahren mit viel Mühe und Handarbeit in Holzbauweise erbauten Häuser, Scheunen und Stallungen. Beim Betreten eines Tante Emma Ladens waren Kindheitserinnerungen schnell wieder da, denn mein Blick fiel auf die Glasbehälter auf der Theke, in denen u.a. früher Himbeerbonbons aufbewahrt wurden. Ein paar Pfennige zahlte man für die begehrten Bonbons, die die Ladenbesitzerin in eine kleine spitz zulaufende Papiertüte füllte. Schnell wanderte die Tüte in die Hosentasche und dann nichts wie nach Hause, aufs Feld oder zu anderen Kindern an den Bach. In dem Laden gab es auch noch die 'Ahoi - Brause' und alles was im Haushalt benötigt wurde, wie z. Bsp. Butter, Käse, Waschmittel, Tabak, Nähseide, Knöpfe usw. War der Laden schon geschlossen oder an einem Sonntag wurde dringend etwas im Haushalt benötigt, so klopfte man einfach an der Haustüre.

Auf dem Museumsgelände ist ein Dorf entstanden, das uns eindrucksvoll das Leben der Menschen vor über 100 Jahren zeigt. Das Haus eines Tagelöhners unterscheidet sich doch recht deutlich von dem eines großen Bauern. Die Hofstellen stammen aus verschiedenen Regionen und wurden hier wieder aufgebaut. Neben den Gebäuden werden hier auch alte Handwerkskunst, Gartenbau und Feldarbeit präsentiert

Ein Rundgang über das Gelände des Freilichtmuseums macht hungrig und durstig. So fanden wir zur besten Kaffeezeit im Bistro Alter Markt einen schönen Platz und so endete ein erlebnisreicher Tag mit einem guten Stück Kuchen und einer heißen Tasse Kaffee.

Bevor Sie sich mit meinen Fotos auf einen Rundgang durch das Freilichtmuseum Hessenpark begeben, hier noch ein Hinweis:
"Ein Handwerker der noch viel auf seine Ehre hält, macht seine Arbeit gut für eine Handvoll Geld."

Im Freilichtmuseum waren für mich besonders beeindruckend:

Bürstenmacher

Fotos Nr. 8 bis 11 - Mit natürlichem Material arbeitet die Bürstenmacherfamilie am liebsten: Rosshaar und Wildschweinborsten kommen ebenso zum Einsatz wie Dachshaar und Kakteenfasern oder Birnbaum- und Olivenholz. So ist es schon seit Generationen Tradition.

Turmuhren

Fotos Nr. 39 und 40 - Die Sammlung besteht aus Turmuhren des 19. und 20. Jahrhunderts.

Backhaus

Foto Nr. 34 - Das Brotbacken war auf dem Land noch bis um 1945 Teil der Selbstversorgung.

Wagner/Stellmacher

Foto Nr. 31 - Bis um 1950 gehörte der Wagner, in einigen Regionen auch Stellmacher genannt, zu den üblichen Dorfhandwerkern. Ähnlich wie der Schmied hatte er eine Schlüsselfunktion in der ländlichen Gesellschaft, denn er ermöglichte die Mobilität. Der Wagner verfertigte Räder, Schubkarren, Handwagen, Kuh- und Pferdewagen, Schlitten, Kutschen sowie Gestelle für Pflüge und Eggen. Darüber hinaus stellte er Werkzeugteile, Leitern, Lattenzäune und Backschießer für das Backhaus her. Seit dem Ende der 1930er Jahre waren die Produkte des Wagnerhandwerks immer weniger gefragt; nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zum Erliegen.

Flucht und Vertreibung

Fotos Nr. 18 bis 20 - Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebten im heutigen Hessen 100.000 deutschsprachige Kriegsflüchtlinge aus den östlichen Gebieten des Dritten Reiches und 200.000 Evakuierte aus den bombardierten deutschen Großstädten. Jede fünfte Wohnung war zerstört. Oftmals teilten sich mehrere Personen ein Zimmer. In dieser ohnehin schwierigen Situation fällten die alliierten Siegermächte den Beschluss, die gesamte deutsche Bevölkerung aus Ost- und Südosteuropa in das verkleinerte Deutschland auszuweisen. Diese grundlegende Entscheidung betraf mehrere Millionen Menschen, von denen das im September 1945 gerade neu gebildete Land Hessen über 600.000 Menschen aufnehmen sollte. Mit rund 400 Ausweisungstransporten kamen über 400.000 Vertriebene nach Hessen. Ihre mehrtägige Reise in den Westen aus der heutigen Tschechischen Republik, der heutigen slowakischen Republik und des heutigen Ungarn erfolgte unter menschenunwürdigen Bedingungen in Güter- beziehungsweise Viehwaggons. Jeweils dreißig Personen mussten mit ihrer geringen Habe darin Platz finden. Etwa vierzig solcher Güterwagen wurden für einen Ausweisungszug aneinander gekoppelt, so dass jeder Sammeltransport bis zu 1.200 Menschen umfasste. Diese Waggons waren dieselben, mit denen wenige Jahre zuvor Juden in die Konzentrationslager deportiert und dort zur Zwangsarbeit gezwungen oder ermordet wurden. In der Scheune aus Damshausen bekommt man einen Eindruck von einem solchen Eisenbahnwagen. Im Inneren des dort präsentierten Waggons, als Teil der Ausstellung Flucht und Vertreibung, sind noch die Ringe für den Viehtransport und die Einkerbungen für Bänke von Soldatentransporten erhalten.

Bürgerreporter:in:

Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain

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