lernt unsere schöne Stadt kennen...

Die herrlich üppige,beschauliche und gemütliche Stadt, von der manche scherzhaft behaupten, sie sei die nördlichste Stadt Italiens, begrüßt die Besucher aus den meist englichssprachigen Ländern, in denen man üblicherweise nur eine oder zwei Wochen Urlaub hat mit Musik, Blumen und dem herzlichen Lächeln der Gastgeber.
Endlich in der Hauptstadt Bayerns, München, wovon man in der Heimat so vieles gehört und gelesen hatte und die man nun in den nächsten zweieinhalb Stunden gründlich kennenlernen würde.

Sie haben den Bus verlassen, in dem sie seit Tagen wohnen und steigen in den doppelstöckigen Bus der Stadt um, der sie nun an den Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbeischleusen wird.
Eine gutaussehende einheimische Reiseleiterin im Dirndl und Mikrofon in der Hand hat nur den einen Gedanken, ihnen so viel wie möglich Interessates von ihrer berühmten Hauptstadt dieses unvergleichbaren Landes zu zeigen und ihnen ihre Schilderungen zu übersetzen.

Es geht sofort los. Sie fahren.
Sie kommen über einen Platz. Sie schweigt.
Sie fahren an einer gelben Kirche vorbei, sie spricht: "Hier steigen wir aus!"
Sie steigen alle aus.
Sie sagt: "Dies ist die Theatinerkirche, wir gehen mal hinein."
Sie gehen alle hinein.
Sie sagt: "Das ist alles Marmor, dies ist die bemalte Decke, dort sind die bunt verglasten Fester, dies sind die Säulen. Und jetzt gehen wir wieder hinaus."
Sie gehen alle wieder hinaus und murmeln: "very nice, very nice."
Sie sagt: "wir gehen dort hinüber. Das ist die Feldhernhalle und dort die Residenz. Und nun gehen wir wieder zurück zum Bus."
Alle denklen: "oh, very,very nice" und gehen wieder zurück zum Bus.
Sie steigen alle wieder ein und der Bus fährt los.
Sie sagt: "Wir fahren nun durch die Ludwigstrasse, rechts und links sind Universitäten."
Sie schauen alle nach rechts und dann nach links.
Sie sagt: "Vor uns das Siegerstor!"
Sie schaue alle nach vorne, aber das Siegerstor liegt bereits hinter ihnen.
Sie sagt: "Jetzt sind wir in Schwabing."
Alle denken: "Aha, Schwabing"
Sie sagt nichts und der Bus fährt eine ganze Weile.
Dann sagt sie: "Hier rechts, die Staatskanzlei - Bayerische Regierung."
Sie schauen alle nach rechts, eine Kurve, sie sehen die Staatskanzlei nicht mehr.
Sie sagt: "Rechts, der Viktualienmarkt."
Sie schauen alle nach rechts - wieder eine Kurve - zu spät, sie sehen den Markt nicht mehr.
Sie fahren lange,lange, lange. Die Dirndlträgerin schweigt. Achtung! Sie nimmt das Mikrofon: "Wir steigen alle aus!"
Sie steigen alle aus.
Sie sagt: "Wir gehen."
Sie gehen.

Sechzig erhitzte Körper, in sommerliche Kleidung gehüllt und mit Kameras um den Hals mischen sich unter die sonnenverbrannten Gesichter und Schultern in der Fußgängerzone.
Sie sagt: "Wir müssen ein Stück laufen."
Sie laufen ein Stück.
Sie sagt: "Das ist der Marienplatz."
Alle denken: "Aha"
"Und hier das berühmte Rathaus mit dem weltweit bekannten Glockenspiel. Dort unten steht das alte Rathaus, dies hier ist das Neue."
Einige, die bisschen Ahnung von Architektur zu haben glauben, denken: komisch, das Alte sieht neuer aus als das Neue. Sie schauen zum neuen Rathaus hoch, sieht aus als sei es mindestens dreihundert Jahre alt. In Wirklichkeit aber kaum hundert. Neugotik. Linker Flügel gotische Spitzfenster, rechts ganz normale rechteckige Fenster. Linker Flügel Sandstein, rechter Flügel Ziegel. Richtige Architektenkacke denkt einer der von der Geschichte des Rathauses nix weiß.
Sie sagt: "In zwei Minuten geht das Glockenspiel los."
Alle zücken die Kameras und warten, warten. Ein riesiger Platz voller wartender Menschen aus der ganzen Welt.
Worauf warten die eigentlich? Klar..., die Figuren drehen sich dann zwar, aber sieht man das zuhause auf den Fotos auch?
Klick, klick, klick.
Sie sagt: "Wir gehen weiter."
Sie gehen alle weiter.
Sie sagt: "Wir steigen wieder ein."
Sie steigen alle wieder ein.
Sie sagt: "Wir fahren jetzt wieder weiter."
Sie fahren dieselben Straßen wieder zurück.
Sie sagt: "Wir steigen wieder aus."
Sie steigen wieder aus.
Sie sagt: "Wir gehen ein Stück."
Sie gehen ein Stück.
Sie sagt: "Dies ist die Pinakothek, ist heute aber wegen Umbau zu. Dort drüben ist übrigens die Neue."
Schade.
Ihnen allen ist aber in der Zwischenzeit egal, ob die Pinakothek zu hat oder nicht. Sie setzen sich in den Schatten auf die Stufen und blicken stumpf vor sich hin.
Sie sagt: "Sind alte Bilder drin."
Ihnen ist längst egal, was da drin ist in dem Gemäuer. Sie haben Hunger.
Sie sagt: "Wir gehen jetzt alle wieder zum Bus und steigen ein."
Sie gehen wieder zum Bus und steigen ein.
Sie sagt: "Hier rechts, das Lehnbachhaus."
Sie sehen alle nach rechts, das Lehnbachhaus - was immer es auch war - ist nicht mehr da - vorbei!
Sie sagt: " Wir fahren nun in ein Traditionslokal zum Essen."
Gott sei Dank.
Sie sagt: "Hier, der Löwenbräukeller, wir steigen aus."
Sie steigen alle aus und gehen hinein und setzen sich hin.
Kein Mensch begreift, weshalb das 'Keller' heißt, sie aber die Stufen hinauf gehen?
Jemand am Tisch will von der Bedienung wissen, was echte bayerische Spezialitäten sind.
Die Bedienung zählt auf: "Auszog'ne, Weißwürscht mit süßem Senf, Brezln, Sauerkraut, Schweinshaxn, Milirahmstrud'l, sauer's Lüngerl."
Verstanden haben sie nix, aber sie nicken sich gegenseitig zu und bestellen kollektiv alle das gleiche in exakt dieser Reihenfolge. Dazu jeder eine Maß dunkles Bier.
Danach ist ihnen schleckt.
"Wir bezahlen und gehen!", sagt die Reiseleiterin.
Sie bezahlen und gehen.

Sie sagt: "Die Stadtbesichtigung ist nun zu ende. Wir fahren Sie jetzt wieder zurück zu ihrem Reisebus."
Sie fahren wieder zurück zu ihrem Reisebus. Zum dritten Mal durch dieselben Straßen.
Sie sagt: "Sie steigen nun bitte alle wieder in ihren Reisebus um.
Sie steigen um.
Der Busfahrer startet sofort den Bus, in dem sie schon seit einer Woche wohnen und fährt los.
Sie haben heute noch viel vor.
Am Nachmittag steht Dinkelsbühl, Rothenburg ob der Tauber und Nürnberg auf dem Programm.

Schon jetzt höre ich alle zuhause erzählen, dass sie nun München, beziehungsweise Deutschland kennen, wie ihre Westentasche!

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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