Rechnung mit und ohne Unbekannte

Eines schönen Tages befand sich Volker auf einer Zugfahrt von Ulm nach München. In seinem Abteil saß ein wunderschönes Mädchen, mit dem er auch sofort ins Gespräch kam. Überrascht stellten sie fest, dass sie beide in München wohnten und bei der Einfahrt in den Münchner Hauptbahnhof steckte Volker ihr noch einen Zettel mit seiner Telefonnummer zu und sie versprach, ihn einmal anzurufen.

Einige Tage später klingelte das Telefon.
Volker hatte eigentlich nicht damit gerechnet, aber es war tatsächlich das nette Mädchen aus dem Zug. Sie sagte, sie wolle ihn gerne wieder sehen und sich mit ihm irgendwann in den kommenden Tagen zum Kaffee oder zum Essen verabreden. Sie könnten dann ja auch noch ins Kino oder Theater gehen, wie sie meinte.
Volker bat sie, ihm einen Moment Zeit zum Überlegen zu geben und ihn in etwa 20 Minuten nochmals anzurufen, da er erst in seinem Terminkalender nachsehen müsse, wann er Zeit dafür finden würde.
Als sie aufgelegt hatte, holte er Stift und ein großes Blatt Papier und notierte, was da vielleicht auf ihn zukommen möge:

Mit der U-Bahn zu ihr und zurück – mindestens 30 Mal: € 90,-
Kaffee und Kuchen – mindestens fünf Mal: € 70,-
Blumen –(geschätzt auf zunächst 20 Jahre): € 2.000,-
Ausflüge (zumindest in den ersten Jahren): € 1.000,-
Eheringe: € 1.000,-
Hochzeit : € 5.000,-
Umzug, Hausstand, Geschirr usw.: € 25.000,-
Kleider, Pelze und Schmuck: € 10.000,-
Windeln, Kinderwagen, Spielsachen: € 2.500,-
Kinderausstattung, Kinderbett: € 5.000,-
Schulranzen, Hefte: € 200,-
Größeres Kinderbett: € 200,-
Zweites Kinderbett : € 200,-
Urlaube: € 10.000,-
Haushaltshilfe: € 20.000,-
Drittes Kinderbett: € 200,-
Medikamente für die Nerven, psychologische Behandlung: € 5.000,-
Summe vorläufig: € 87.460,-
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Er legte den Stift beiseite. Gewiss, seine Rechnung hatte bestimmt Lücken. Eine Rechnung also mit vermutlich vielen Unbekannten.
Er überflog sie nochmals. Aber schon das ließ ihn ahnen, dass er weder ein kleinlicher Pedant noch ein allzu weitsichtiger Mensch sei.
Wo zum Beispiel standen die Geschenke für die Schwiegermutter? Wo die Scheidungskosten? Wo die Alimente?

Er versuchte gar nicht erst weiterzurechnen.
Wahrscheinlich – wenn man alles bedachte und dazuaddierte, würde sich die Summe verdoppeln oder gar verdreifachen. Vielleicht sogar auf eine viertel Million Euro?
Er drehte den Zettel um, machte eine weitere Rechnung und überschlug kurz, was ihm sein weiteres Junggesellendasein kosten würde:

Sportwagen: € 50.000,-
Weinkeller: € 10.000,-
Parties, Frauen: € 10.000,-
Präservative: € 500,-
Urlaube in der Karibik: € 6.000,-

Summe € 76.500,-
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Dies war zumindest eine Rechnung ohne Unbekannte.
Und dabei sogar noch mehr als 10.000,- Euro gespart!
Eine ganze Weile starrte er auf den Zettel, verglich die beiden Summen, als das Telefon erneut klingelte.
Das schöne Mädchen war wieder am Apparat und wollte nun wissen, wann sie sich sehen könnten.

Volker sagte ihr: „Tut mir wirklich sehr leid Fräulein, habe gerade nachgerechnet - aber im Moment bin ich einfach zu sehr beschäftigt und werde auch in absehbarer Zeit keinen einzigen Termin mehr frei haben.
Wirklich sehr, sehr schade!“

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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