Erfolgreiche Rentenpolitische Tagung in Kiel am 31.08.2016

„Generationenvertrag erneuern! Altersarmut verhindern!“

Siehe auch:

Zu der Tagung gibt es eine Reihe Dokumente, auf die wir im nachfolgenden Bericht verlinkt haben. Gesondert dokumentiert ist eine Power Point-Datei Ergebnisse und Erkenntnisse“ der Tagung von Wolfgang Domeier die Kultursprenkel von Nils Aulike und Johannes Müllner, , die zwischen den Beiträgen vorgetragen wurden und eine Auswahl von Fotos, die uns Peter Werner von den Kieler Arbeiterfotografen zur Verfügung stellte (so auch die Fotos auf dieser Seite).

Erfolgreiche Rentenpolitische Tagung in Kiel am 31.08.2016

Bericht von Günter Hameister (IG Metall – AGA-Redakteur)

„Generationenvertrag erneuern! Altersarmut verhindern!“

Unter diesem Motto fand am 31.August in Kiel eine bisher einmalige rentenpolitische Tagung mit rund 150 Teilnehmern statt. Aufgerufen von der Initiative „Seniorenaufstand“ der Senioren von VER.DI, IG BAU, IG Metall und DGB in Kiel stellten drei hochkarätige Referenten ihre Positionen zu einer zukunftsfähigen Rentenpolitik vor. Nach einer kurzen Einführung unseres Kollegen Reiner Heyse referierten Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, sowie Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der LINKEN und Klaus Barthel, AfA-Bundesvorsitzender der SPD (Ausschuss für Arbeitnehmerfragen), beide Mitglieder des Deutschen Bundestages. Für die anschließende Diskussion standen mit Wolfgang Schneider vom Sozialverband Schleswig-Holstein, Holger Balodis, ARD Journalist und Buchautor sowie Benjamin Raschke, Mitglied der SPD Ratsfraktion in Kiel und Initiator eines“ Runden Tisches“ zur Altersarmut, weitere Fachleute zur Verfügung.

„Rentner im Norden setzen auf Gold“ titelte die Tageszeitung „Kieler Nachrichten“ ausgerechnet an diesem Tag und reihte sich ein bei den „Propheten“ konservativer und neoliberaler Politik, die uns durch ständiges Wiederholen weißmachen wollen, „so gut wie heute ging es den Rentnern noch nie“. Gleichzeitig wird die umlagefinanzierte gesetzliche Rente als ungeeignetes Auslaufmodell madig gemacht und unhaltbare demographische Ängste geschürt. Mit Medienkampanien und eingekauften Gutachten hat die Finanzindustrie ganze Arbeit geleistet. Wie wenig diese Aussagen mit der Realität zu tun haben wurde bei allen Referenten deutlich. So ist durch die Rentenreformen der Vergangenheit die Kaufkraft der Renten auf den Stand von vor 30 Jahren gesunken. Gerade einmal 1.300 Euro beträgt die durchschnittliche Bruttorente, wobei die von Frauen in der Regel erheblich darunter liegt. Seit 2003 hat sich die Zahl von Rentnern, die die sogenannte Grundsicherung beziehen, mit über 500.000 bis heute mehr als verdoppelt. Da viele Anspruchsberechtigte aus Unkenntnis oder Scham darauf verzichten ist die Dunkelziffer extrem hoch. Seriöse Studien beziffern die Anspruchsberechtigten auf 1,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Prognosen sagen einen Anstieg der von Altersarmut betroffenen Menschen in wenigen Jahren auf unfassbare 10 Millionen voraus. Einigkeit bestand bei Referenten und Besuchern, dass nur eine umlagefinanzierte Rente krisenfest und zukunftssicher ein würdevolles Leben der heutigen und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner sicherstellen kann. Riester ist gescheitert. Eine kapitalgedeckte Privatvorsorge ist der falsche Weg und füllt nur die Kassen der Finanzindustrie über Provisionen und Gebühren. Allein 2007 mit der Finanzkrise haben Rentenfonds innerhalb weniger Tage 23% ihrer Einlagen verloren. Leidtragende waren die Rentnerinnen und Rentner, deren Vorsorgekapital eingedampft wurde.

Ein Umsteuern ist zwingend erforderlich und duldet keinen Aufschub. Rückkehr zu einem Rentenniveau von 53%, wie vor den Agenda 2010-Reformen, forderten unisono alle Referenten. Weitere Schritte zu einem Neuaufbau der gesetzlichen Rentenversicherung sind jedoch nach Auffassung aller Anwesenden erforderlich. Es darf keine Plünderung der Rentenkasse durch versicherungsfremde Leistungen geben, diese müssen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe steuerfinanziert werden. Besonders ein Neuaufbau der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle abhängig Beschäftigten, Beamte, freischaffende Berufe sowie Selbstständige einzahlen, wurde als Ziel formuliert. Riesterverträge und andere staatlich geförderten privaten Versorgungswege sollen in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Vorschläge dazu, die eine individuelle Garantie der bereits erworbenen Leistungen sicherstellt, liegen bereits vor.

Hans-Jürgen Urban machte aber auch klar, dass diese notwendigen Maßnahmen nicht eine Garantie vor Altersarmut sind. Wer heute längerfristig in einem prekären Beschäftigungsverhältnis seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, wird auch mit einem Rentenniveau von 53% in der Altersarmut landen. Die IG Metall führt den Kampf mit der Kampagne „Gute Arbeit – gut in Rente“ auch für faire Arbeitsbedingungen und entsprechende Entlohnung. Viele Maßnahmen sind erforderlich für ein gesichertes und auskömmliches Leben in der Erwerbstätigkeit und in der Rente. Matthias W. Birkwald sprach sich für eine solidarische Mindestrente von 1.050 Euro aus, mit der in anderen europäischen Staaten Altersarmut wirksam begegnet wird.

Wir wollen mit Hilfe der drei Referenten und der eingeladenen Verbandsvertreter gemeinsame Positionen ausloten und Handlungsoptionen finden mit dem Ziel, gesellschaftliche Mehrheiten und damit politische Mehrheiten zur Bundestagswahl 2017 zu gewinnen“, so lautete die Zielstellung in der Einladung. Herausgestellt hat sich: die gemeinsamen Positionen sind vorhanden, wenn auch Klaus Barthel noch einen langen Weg vor sich hat, die AfA-Positionen innerhalb der SPD mehrheitsfähig zu machen. Jetzt geht es darum diese Positionen in vielfältiger Weise in die Öffentlichkeit zu tragen und Mehrheiten zu gewinnen. Dazu trägt auch die Initiative „Alter ohne Not ist ein Grundgesetzgebot“ von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aller Einzelgewerkschaften bei.
Diese Initiative will mit einer Petition an den Deutschen Bundestag eine Ergänzung des Grundgesetzes erreichen, die die Wahrung der Würde älterer Menschen zum Staatsziel erhebt.

Mit ausdrücklicher Genehmigung übernommen.

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Bürgerreporter:in:

Ingeborg Steen aus Moormerland

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