Interview: Die persönliche Tour de France des 69-jährigen Adolf Fischer aus Meitingen

Herr Fischer und sein Rad
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Zum Interview der besonderen Art war ich in Meitingen bei dem 69-jährigen Adolf Fischer, der seine persönliche Tour de France fuhr. Insgesamt 4850 km in viereinhalb Wochen! Meine Hochachtung vor dieser tollen und außergewöhnlichen Leistung. Aber damit ist noch nicht genug. Nächstes Jahr möchte Herr Fischer anlässlich seines 70. Geburtstages das Matterhorn bezwingen.

Wann waren Sie unterwegs?

Vom 22. Juni bis 24. Juli, viereinhalb Wochen mit zwei Ruhetagen zwischendrin. Ich bin jeden Tag im Schnitt 160 km gefahren. Unter 140 km selten, eher mal 180 oder 200 km, wenn es mal gut gelaufen ist

Hatten Sie nie gesundheitliche Beschwerden?

Als ich nach Hause gekommen bin, habe ich Probleme bekommen. Ich hatte eine Blasenentzündung, wahrscheinlich bedingt durch das schlechte Regenwetter. Nach vier Wochen ist der Körper doch ein bisschen ausgelaugt und da fängt man sich eher was ein. Da war ich eine Woche krank daheim. Ich habe so fünf bis sechs Kilo abgenommen, aber das ist normal. Mit der Verpflegung ist das immer so eine Sache. Mal holt man sich etwas aus dem Supermarkt und mal geht man essen und man schlängelt sich halt so durch.

Sie haben ja letztes Jahr schon so eine große Radtour gemacht. War das jetzt Ihre zweite große Tour?

Ich habe schon mehrere gemacht. Aber das war die größte Tour mit 4850 Kilometer. Aber ich bin zuvor schon jedes Jahr so zwischen 2500 und 3500 Kilometer gefahren und das hat sich dann immer ein bisschen gesteigert. Die Ansprüche werden höher.

Wie verlief Ihre Route?

Ich bin in Meitingen gestartet bis nach Karlsruhe an den Rhein. Den Rhein entlang bis nach Basel. Dann über die Westalpen am Genfer See vorbei hinab ins Rhônetal. Durch das Rhônetal südlich an Lyon vorbei nach St. Etienne an die Loire. An der Loire entlang über Orleans nach St. Nazaire an den Atlantik. Dann hinauf bis zur nordwestlichsten Ecke Frankreichs mit der Hafenstadt Brest in die Bretagne. Weiter die Ärmelkanalküste hinauf in die Normandie und dann Belgien, Holland, Rotterdam. Dann am Rhein zurück bis nach Speyer. Von Speyer über Heilbronn, Necker, Kochertal, Aalen, Bopfingen, Nördlingen, Donauwörth mit dem Endziel Meitingen.

Wie orientiert man sich auf so einer langen Strecke?

Das wird von mir schon ein halbes Jahr vorher alles ausgearbeitet mit meinen Karten. Ich suche mir die kleinen Straßen raus, die sind recht gut zu befahren. Wobei Frankreich insgesamt schlechte Straßen hat. Wenn eine frisch geteerte Strecke kommt, dann weiß man genau: Entweder fährt die Tour de France da heuer drauf oder die waren letztes Jahr da.

Was hat Ihnen am besten gefallen?

Die Überquerung der Alpen ist immer ein Naturerlebnis. Dann die Schlösserwelt an der Loire, wo an erster Stelle das Schloss Chambord rangiert. Ein gewaltiger Bau mit vielen Türmen und einem Park mit 1000 Hektar sind schon sehenswert. Landschaftlich hat mir die Bretagne am besten gefallen: sauber und ein Blumenmeer. Das ist das Land der Hortensien. Fast ein jedes Haus steht in einem Meer aus Hortensien. In der Normandie dann das berühmte Kloster auf dem Felsen im Meer: Mont-Saint-Michel – der absolute Höhepunkt!

Die Invasionsküste, wo damals die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gelandet sind: Utha Beach – Omaha Beach – Gold Beach – Juno Beach – Sword Beach muss man auch gesehen haben. Für mich persönlich war es eine beklemmendes Gefühl auf einem Boden zu stehen, der blutgetränkt ist. Da liegt zum Teil noch altes Kriegsmaterial, alte Landungsboote. Aber das ist richtig touristisch erschlossen, ich sag immer War-Tourismus, also Kriegstourismus. Da werden die Leute mit den Bussen hingekarrt. Die Franzosen können froh sein, dass die Amerikaner da gelandet sind, das ist deren Einkommen jetzt.

Ein Höhepunkt war auch die Überquerung der holländischen Inseln über die Dammstraßen nach Rotterdam. Das war schon sagenhaft. Und auch möchte ich die Gegend um Gornichem und Leerdam erwähnen, für jeden Radfahrer ein Traum.

Haben Sie sich oft verfahren?

Kurz verfahren hab ich mich öfters, vor allem in Frankreich mit den ganzen Kreisverkehren. Aber im Großen und Ganzen ging es. Wenn man bisschen Orientierungssinn hat, dann geht’s schon. In Basel habe ich mich mal eineinhalb Stunden verfahren. Basel hat mir nicht gefallen und Orléans auch nicht. Das sind so alte und enge Städte mit hohen Häusern. Da ist die Bretagne schon um einige Klassen besser.

Was nimmt man für so eine lange Fahrt mit?

Meine Karten, Werkzeug, Verbandszeug. Kleidung, aber nur das Nötigste. Eine Dreiviertelhose und zwei T-Shirts und für die Nacht etwas. Das ist alles. Fahrradklamotten: Zwei kurze Garnituren und eine lange Garnitur und Regensachen. Man hat ja immer noch sechs Liter zum Trinken dabei, weil man ja nicht immer einkaufen kann. Sechs Liter sind das Minimum, was man trinken sollte am Tag. Das ist wichtiger als Essen.

Und man muss den Schweinhund überwinden. Man darf bei so einer Tour nicht das Ganze sehen. Man geht immer nur von der Tagesetappe aus. Um fünf Uhr bin ich aufgestanden, um sechs Uhr bin ich losgeradelt. Zwölf Stunden auf dem Sattel, das war Satz. Und dann nimmt man sich nur die Etappe vor und sagt sich „Bis dahin möchte ich kommen“. So geht das am allerbesten. Wenn man die ganze Strecke sieht, da verzweifelt man.

Waren Sie am Ende dann froh wieder nach Hause zu kommen?

Ich war insofern froh, weil sich so viel schlechtes Wetter hatte. Normalerweise hätte ich in den letzten zwei Wochen noch einen freien Tag gemacht. Meistens bin ich eine Woche gefahren und dann nahm ich mir einen Tag frei. Aber am Schluss hatte ich keine Lust mehr. Und die Strecke den Rhein runter hab ich ja schon gekannt, das ist dann nicht so tragisch gewesen. Man ist halt allein, aber einen zweiten Mann zu finden, der das Zelten mag und der jeden Tag die 160 Kilometer fährt, ist schwierig. Ich mache ja das ganze Jahr Training, damit man die nötige Sitzhärte hat. Das ist das Allerwichtigste, dass man sitzen kann.

Was machen Sie an Training?

Fahrradfahren und dann auch mal 200 bis 250 Kilometer, damit man zwölf oder 14 Stunden auf dem Sattel aushalten kann. Beim Normalverbraucher ist bei 80 Kilometer Schluss. Wenn man müde Füße hat, dann kann man mal einen Tag nicht radeln, aber wenn man nicht mehr sitzen kann, dann ist es aus.

Was war die größte Schwierigkeit?

Die größte Schwierigkeit war die Bretagne. Da bin ich drei Tage durchgeradelt, da gibt es nur Berge und keine ebenen Strecken. Das heißt, man fährt den ganzen Tag nur bergauf. Und wenn man den Berg oben ist, dann ist man gleich wieder unten und dann geht’s schon wieder hoch. Bei den Alpen meint man, dass das noch schwerer ist, aber das ist nicht so schlimm. Man fährt einen Pass hoch, der ist zwar hoch, aber dann ist man so auf einer Art Hochebene und dann ist man da den ganzen Tag und für eine längere Strecke oben, wo es eben ist. Aber in der Bretagne geht’s nur bergauf. Und das drei Tage und mit den Satteltaschen, da darf man an nichts anderes denken. Da hatte ich auch mal Pech gehabt. In der Bretagne ist mir ein Junge ins Fahrrad reingelaufen. Zum Glück ist ihm nichts passiert, außer ein paar Schürfwunden. Da war ich grad in der äußersten Ecke der Bretagne. Wenn meine Frau mich da hätten holen müssen, die hätte mich ganz schön geschimpft. Es ist schön dort zu radeln, man hat ja immer das Meer im Blick und schöne Badeorte. Das war schon toll.

Gab es auch mal Gefahren?

Nein, außer dem Sturz mit dem Jungen.

Wie sind Sie zu den Radtouren gekommen? Was reizt Sie daran?

Ich fahre schon immer Fahrrad. Ich war von Beruf Seemann, ich habe keinen Führerschein. Ich war mehr oder weniger immer gezwungen, Fahrrad zu fahren und wir waren auch sehr lange in einer Fahrradgruppe. Da sind wir jedes Jahr nach Italien, Ungarn oder Holland und haben eine Woche Radtour gemacht. Später dann war mir das halt bisschen zu wenig und da hab ich selbst Radtouren gemacht. So für meinen Geschmack, das hat sich dann gesteigert.

Was war der schönste Augenblick?

Der schönste Augenblick ist meistens, wenn man das Meer sieht. Und es gibt ein paar nette Bekanntschaften. Ich kann zwar kein Französisch, aber trotzdem konnte ich mich gut durchschlagen. Es gab nette Begebenheiten, da freut man sich. Einmal habe ich einen Campingplatz gesucht und habe an einem Haus geklingelt und der Besitzer hat mich und mein Fahrrad in sein Auto gepackt und ist mit mir acht Kilometer weit gefahren und hat mir den Campingplatz gezeigt, wo ich übernachten kann. Solche kleine Sachen freuen mich.

Wie ist es, nach so einer langen Tour wieder daheim zu sein?

Eine Umstellung. Ich habe mindestens drei Tage gebraucht, bis ich mich wieder an mein Bett gewöhnt habe, weil ich nur auf dem Boden mit einer Isomatte geschlafen hab. Ich hab so gut geschlafen. Nach fast fünf Wochen hartem Boden wieder in einem Bett zu schlafen, ist schon eine Umstellung. Und dann die ganze Kommunikation. Da kommen die Nachbarn und fragen und man ist es gar nicht mehr gewöhnt, dass so viele Leute um einen herum sind. Das ist schon eine kleine Umstellung.

Was sagt Ihre Frau dazu, wenn Sie so lange unterwegs sind?

Ihr passt das nicht so recht, weil sie Angst hat, dass irgendwas passiert. Aber heute mit dem Handy ist das überhaupt kein Problem. Ich rief in der Früh an, wenn ich weggefahren bin und abends, wenn ich das Zelt aufgebaut hab. Sie wusste immer, wo ich bin. Wenn es ganz einsam war, dann habe ich auch mal mein Handy die ganze Zeit angelassen. Dann hätte man mich auch orten können, wenn ich mich zwei, drei Tage nicht gemeldet hätte.

Hatten Sie auch einen Unfall?

Nein, außer das mit dem Jungen, aber da ist nichts passiert. Dem Jungen auch nicht. Auch dem Fahrrad ist nichts passiert, die Satteltaschen fangen das Meiste ab. Da war ich schon froh.

Hat Ihr Rad das alles mitgemacht?

Ja, das ist ein gutes Rad. Das hat verstärkte Felgen, eine Spezialschaltung und mehr kleine Gänge drin für die Pässe. Es ist auch etwas schwerer, weil es mehr aushalten muss.

War das das gleiche Rad wie letztes Jahr?

Ja.

Planen Sie schon die nächste Tour fürs nächste Jahr?

Das möchte ich meiner Frau widmen, da wollen wir an die Mosel.

Was ich abschließend noch sagen möchte: So eine Tour dieser Größenordnung und in diesem Zeitraum zu absolvieren, erfordert natürlich ein sehr intensives Training, da 200 bis 250 Kilometer pro Tag keine Seltenheit sind. Das meist das ganze Jahr über, um die Sitzfestigkeit zu garantieren. Das ist das wichtigste bei dem ganzen Unternehmen. Es sei jeder jugendliche Radfahrer gewarnt, der meint, dass das für ihn kein Problem sein dürfte, was ein fast 70-Jähriger zuwege bringt! Ich stehe auch jedem mit Rat zur Seite, wenn er sich an mich wenden möchte.

Vielen Dank, Herr Fischer, für dieses interessante Interview!

In diesem Zusammenhang hat mir Herr Fischer auch erlaubt, hier seine Telfonnummer zu veröffentlichen: 08271/6890

Das letztjährige Interview findet ihr hier.

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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