WEINTRAUTS BLEICHE

Teneriffa. Im schönen Marburg gab es bis in die späten 50-er Jahre eine große Wiese am Ufer der Lahn. Dazu gehörte eine Holzplattform, die in den Fluss hinein ragte. Dort wuschen die Marburger Hausfrauen ihre Wäsche, um sie anschließend stundenlang bis kurz vor Sonnenuntergang auf der Wiese zu bleichen.

Diese sommerlichen Waschtage waren für uns Kinder immer eine Sensation, denn wir „mussten mit“, konnten nicht allein zu Hause bleiben, denn unsere Väter waren an der Arbeit oder noch nicht aus Gefangenschaft zurück. Also trafen sich auf der Bleiche viele Kinder aus allen Stadtteilen und das Tohuwabohu war groß. Mittags gab es sogar (meist kaltes) Essen aus dem mitgebrachten dreistöckigen Essgeschirr. Kurzum es war wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag.

Der Besitzer der Bleiche war ein schon betagter Bürger aus dem nahe gelegenen Ortsteil Weidenhausen, der schon immer viele „Originale“ hervorgebracht hatte. Die Kinder des Bleichenbesitzers wollten nun schon unbedingt vor seinem Tod die Wiese erben, denn sie dachten wohl, es handele sich wohl um ein einträgliches Geschäft – zumindest im Sommer. Doch dem war bei weitem nicht so. Der Streit zog sich über Wochen und Monate hin, bis dem Alten schließlich der Kragen platzte und er seine Tochter anschrie: „Dann nomm der doch die Bleech – un’ knubber am Stacheldroht!!!“
Diese herzlich-derbe Spruch wurde zum Bonmot in der Stadt und überlebte den alten Herrn und auch die Bleiche, denn dort steht seit den 60-er Jahren die Mensa der Universität und das Lahnufer wird zur Zeit mit Steuergeldern verschandelt.

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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