Begriff des Tages: Geldvermögen

Dies ist der Beginn einer kleinen Artikelserie über Begriffe aus dem weiten Bereich der Ökonomie. Die Artikel sollen dazu dienen, durch die Klärung von Begriffen, einen fundierten Meinungsaustausch zu erleichtern.

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Wenn Menschen miteinander kommunizieren, hängt die Qualität der Kommunikation unter anderem auch davon ab, ob sie einander verstehen. Das heißt, ob sie den benutzten Begriffen dieselbe Bedeutung beimessen. Oder ob sie – bedingt durch unterschiedliche Deutungen – einfach aneinander vorbeireden.

Ein schönes Beispiel dafür lieferte eine dpa-Meldung, die in vielen Printmedien – auch in der Marburger Lokalzeitung – ungeprüft übernommen wurde. Die Schlagzeile lautete:

Börsenflaute bremst Geldvermögen

Robuster Arbeitsmarkt und niedrige Inflation sorgen dennoch für Anstieg · Günstige Kredite

Die dpa-Meldung fußt auf einer Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank vom 15. Juli mit der Überschrift „Geldvermögensbildung und Außenfinanzierung in Deutschland im ersten Quartal 2016“. Die Deutsche Bundesbank teilt mit, dass die „Ursache dieses vergleichsweise geringen Vermögensanstiegs waren vor allem deutliche Bewertungsverluste im Umfang von rund 42 Mrd € beim gehaltenen Geldvermögen, insbesondere bei Aktien und Anteilen an Investmentfonds“ sei.

Und hier beginnt das Dilemma. In den Wirtschaftswissenschaften und in der buchhalterischen Praxis zählen Aktien keineswegs zum Geldvermögen. Wikipedia definiert Geldvermögen als „die Summe aus dem Zahlungsmittelbestand plus den Forderungen. Nach Abzug der Verbindlichkeiten erhält man das Nettogeldvermögen“. Bei Rechnungswesen.info steht unter der Überschrift „Betriebliches Rechnungswesen – Grundbegriffe“, dass die Strömungsgrößen „Ausgaben“ (Wert aller zugegangenen Güter und Dienstleistungen pro Periode) und „Einnahmen“ (Wert aller veräußerten Leistungen pro Periode) in die Bestandsgröße „Geldvermögen“ einfließen. Kurz gesagt: „Geldvermögen ist gleich Liquide Mittel plus Forderungen abzüglich Verbindlichkeiten.

Zudem: Eine Aktie ist keine „Forderung“ sondern der Ausweis über das (Teil-) Eigentum an einem Unternehmen. Durch das Auf und Ab der Börsenkurse ergeben sich immer wieder zum Teil erhebliche Wertsteigerungen oder Wertminderungen. Diese Wertminderungen oder Wertsteigerungen von Vermögenswerten, wie Aktien, stellen jedoch keine „Ausgaben“ oder „Einnahmen“ dar, sondern werden in der Buchhaltung als „Aufwand“ (bei Wertminderung: Abschreibung) oder „Ertrag“ (bei Wertsteigerung: Zuschreibung) verbucht.

Aus der Systematik der Finanzbuchhaltung heraus ist es somit völlig verfehlt, Wertpapiere wie Aktien zum Geldvermögen zu zählen. Zudem verschleiert und vernebelt dieser erweiterte Geldvermögensbegriff den Blick darauf, dass Änderungen des Geldvermögens auf den realwirtschaftlichen Kategorien Kauf und Verkauf beruhen.

Und leistet dem Gefühl Vorschub über eine veränderte Bewertung von Vermögensgegenständen „reicher“ zu werden. Dass diese Wertsteigerungen in den Bereich „fiktives Kapital“ gehören, hat schon mancher nach dem Platzen einer Spekulationsblase erfahren müssen. Wobei die Verluste, die dabei entstehen, nicht mit dem „Verbrennen“ von Geld gleichgesetzt werden dürfen. Das „verlorene“ Geld ist nach wie vor da. Es ist nur in anderen Händen!

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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