Schildbürger des Tages: FAZ

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Die „Grafik des Tages“ bei der "Frankfurter Allgemeine" (FAZ) von heute (24.8.2015) soll die Frage beantworten „Welches Land wirtschaftet am besten?“. Eigentlich ist die Antwort für die FAZ ja klar: Die Bundesrepublik Deutschland und ihr Finanzminister Schäuble. Doch Vorsicht. Im Untertitel heißt es: „Deutschland erzielt im ersten Halbjahr einen stattlichen Haushaltsüberschuss. Das können auch andere Länder“. Um dann bekümmert festzustellen:

Deutschland nur auf Platz zwölf

„Haushaltsüberschüsse stehen im besten Fall für gutes Wirtschaften, sind aber kein rein deutsches Phänomen. Wie unsere Infografik von Statista zeigt, gibt es weltweit eine Reihe von Ländern, die im Verhältnis zum BIP einen noch größeren Überschuss erwirtschaften.

Allerdings handelt es sich bei vielen um relativ kleine Staaten (oder Sonderverwaltungszonen) mit weitaus geringerer Wirtschaftsleistung. Doch auch stärkere Länder wie Norwegen, Island und Singapur können auf einen relativ hohen Haushaltsüberschuss verweisen“.

So fabuliert die FAZ. Wie ein eine renommierte Zeitung, hinter der bekanntlich stets ein kluger Kopf steckt, auf dieses intellektuelle Kindergartenniveau herabsinken kann, ist mir unerklärlich.

Was ist erfolgreiches Wirtschaften in einer Volkswirtschaft?

Für die Bundesrepublik Deutschland ist dies im „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (StabG) vom 8. Juni 1967 festgelegt. Das Gesetz benennt als Ziel das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht (Art. 109 Abs. 2 GG), das in der Figur des „magischen Vierecks“ beschrieben wird.

Die vier Ziele sind im Einzelnen:

Stabilität des Preisniveaus
Hoher Beschäftigungsstand
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

Da die Bundesrepublik Mitglied in der Europäischen Währungsunion (EWU) ist, gilt es, diese Ziele sowohl national als auch für die Währungsunion insgesamt zu betrachten.

Stabilität des Preisniveaus

Die EZB hat durch den EZB-Rat ein Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent festgelegt. Dies geschah bereits 1998, somit lange vor der Einführung des Euro als Zahlungsmittel für die Bevölkerung. Dieses Ziel wurde und wird von der Bundesrepublik Deutschland deutlich verfehlt. Die Inflationsrate ist viel zu niedrig. Sie liegt derzeit knapp über der Nulllinie. Ein Teil des Währungsraumes befindet sich in offener Deflation. Das heißt die Verbraucherpreise sinken in breiter Front.

Hoher Beschäftigungsstand

Man mag trefflich darüber streiten, wie die Lage auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt zu bewerten ist. Ob das „Beschäftigungswunder“ lediglich einer Aufspaltung von einst regulären Beschäftigungsverhältnissen in mehrere prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu verdanken ist. Nicht gestritten werden kann über die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in der EWU inakzeptabel hoch und die Jugendarbeitslosigkeit schlicht eine Katastrophe ist.

Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Ein ganz trübes Kapitel in der EWU und in der Bundesrepublik. Inzwischen liegen die Leistungsbilanzüberschüsse der Bundesrepublik bei über acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Und zwar nicht nur einmal und als statistischer Ausreißer, sondern dauerhaft. Sozusagen Lichtjahre von einem Gleichgewicht entfernt. Der Überschuss der Bundesrepublik spiegelt sich natürlich in den Defiziten seiner „Partner“ in der EWU.

Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

Fakt ist, dass das Wirtschaftswachstum in der EWU anderen Wirtschaftsregionen dieser Welt weit hinterherhinkt - auch den USA. Man kann gerne darüber streiten, ob angesichts der ökologischen Konsequenzen ein stetiges Wirtschaftswachstum verantwortbar ist, aber so lange „Wachstum“ von den Regierenden als Ziel ihrer Bemühungen ausgegeben wird, so lange werde ich die Regierenden auch an diesem Ziel messen.

Wer angesichts dieser Fakten immer noch behauptet, die Bundesrepublik Deutschland „wirtschafte gut“ sollte bei Karl Schiller und Franz-Josef Strauß - legendär als Plisch und Plum in der ersten Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger - nachlesen, was eine „gute Bilanz einer Volkswirtschaf“ ausmacht.

Den Titel „Schildbürger des Tages“ hat sich die Wirtschaftsredaktion der FAZ jedenfalls redlich verdient.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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