Merkels Bierzeltrede: Was ist dran?

"Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei", sagte Merkel auf einer Wahlkampfveranstaltung in einem Bierzelt (!) in Trudering (Stadtteil von München). Und die nationale und internationale Politik, fast alle Medien - vor allem die Fernsehanstalten - und die Transatlantiker sowieso bekommen Schnappatmung. Außer Donald Trump. Er lässt durch seinen Sprecher Sean Spice ausrichten, er fände Merkels Rede "großartig".

Von "Historischem Wendepunkt" wird national und international schwadroniert. Aber was ist tatsächlich dran an solchen Phantasien? Ich fürchte: Nichts!

Oskar Lafontaine schreibt auf facebook dazu:

Fällt die getreueste Vasallin vom Glauben ab?

Da sind wir aber erstaunt. Angela Merkel probt den Aufstand gegen den „Großen Bruder“. Wirklich?

„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen“, sagt Merkel jetzt.

Seit Jahren fordert DIE LINKE eine eigenständige europäische Außenpolitik. Lange ist es her, dass Charles de Gaulle erkannte, dass Frankreich selber darüber entscheiden muss, ob es sich an einem Krieg beteiligt. Deshalb integrierte er die französische Armee nicht in die militärische Struktur der Nato, sprich der USA. Willy Brandt erkannte, dass Frieden und Entspannung mit der Sowjetunion (heute Russland) im Interesse Deutschlands sind.

Aber seitdem segelt Europa im Schlepptau der USA, Angela Merkel immer vorneweg. Daher ist von dieser Kanzlerin wirklich nicht zu erwarten, dass sie den USA die Stirn bietet. Glaubt irgendjemand, sie würde

• die militärischen Einrichtungen der USA in Deutschland schließen, von denen aus die Öl- und Gaskriege geführt werden?
• verbieten, dass von US-Einrichtungen auf deutschem Boden der völkerrechtswidrige Drohnenkrieg geführt wird?
• die Einkreisungspolitik der USA gegenüber Russland – Nato-Osterweiterung, De-Stabilisierung der Ukraine – beenden?
• die Sanktionen gegen Russland aufheben?
• die deutsche Unterstützung des völkerrechtswidrigen Krieges in Syrien stoppen? US-Dokumente belegen, dass die USA den IS groß werden ließen, um Assad zu schwächen.
• sich der von den USA vorgegebenen Aufrüstung – die Nato gibt bereits jetzt 13mal so viel für Rüstung aus wie Russland – widersetzen?
• die totale Überwachung der Deutschen durch den NSA beenden (Big Brother is watching you)?
• die zunehmende Fähigkeit amerikanischer Großkonzerne wie Facebook und Google, die Bevölkerung zu manipulieren und dadurch eine demokratische Meinungsbildung immer weiter zu erschweren, durch entsprechende Maßnahmen einschränken und demokratischer Kontrolle unterwerfen?

Das glaubt sie mit Sicherheit auch selbst nicht. Daher ist ein Wechsel im Kanzleramt die Voraussetzung für eine selbständige europäische Außenpolitik.

Aber wer könnte in die Fußstapfen Willy Brandts treten? Selbst Schröder hatte den Mut, sich nicht am völkerrechtswidrigen Irakkrieg Bushs zu beteiligen und – Gazprom hin oder her – er suchte Frieden und Ausgleich mit Russland. Die jetzige SPD-Führung unterstützt brav – obwohl sie sich in Wahlkämpfen manchmal aufmüpfig gebärdet – die liebedienerische Außenpolitik Merkels gegenüber den USA. Auch mit Zustimmung von Schulz, Steinmeier und Gabriel stehen jetzt – im Widerspruch zum politischen Vermächtnis Willy Brandts – deutsche Soldaten an der russischen Grenze.

Und „Bild“ tadelt die Merkel schon. Es sei „unangemessen“, so etwas im „Truderinger Bierzelt“ zu sagen. „Auch in Zukunft ist Amerika wirtschaftlich, außen- und sicherheitspolitisch unser wichtigster Partner.“ Und mit „Bild“ wird es sich Angela Merkel in keinem Fall verderben.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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