Europawahl: Quo Vadis Europa?

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Die Europawahlen (23.-26. Mai) werfen ihre Schatten voraus. Die politische Diskussion in Deutschland und Europa entzündet sich an der Gretchenfrage: Wie weiter in Europa? Um diese Diskussion zu befeuern, stellt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Aktionen rund um den 1. Mai unter das Motto „Europa: Jetzt aber richtig!“ (Einzelheiten hier).

Für den 19. Mai ruft ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen auf, in Hamburg, Berlin, Leipzig, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München unter dem Motto "Ein Europa für Alle: Deine Stimme gegen Nationalismus!" zu demonstrieren. Von den im Bundestag vertretenen Parteien unterstützen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE den Aufruf (Einzelheiten hier).

Beiden Aufrufen ist gemein, dass sie die sozialen und ökonomischen Verhältnisse innerhalb der Europäischen Union (EU) viel zu rosig sehen. Der DGB meint sogar, man „müsse die EU erfinden“, wenn es sie nicht gäbe, weil sie den Menschen in „Deutschland und europaweit viele Vorteile gebracht habe“. Die jeweiligen Forderungskataloge ( Siehe unten) machen allerdings klar, dass die EU in ihrer jetzigen Verfassung ganz sicherlich nicht das Gelbe vom Ei ist.und ein großer Veränderungsbedarf besteht.

Deshalb ist es unverständlich, dass die Initiatoren von „Europa für alle“ vor allem „den Vormarsch der Nationalisten verhindern“ wollen. Denn diese wollen das „Ende der EU einläuten“. Zwar geben die Prognosen dies nicht her (Siehe hier), aber gegen „Nationalisten“ und „Gegen Rechts“ ist halt deutlich leichter zu mobilisieren, als gegen die tatsächlichen Handlungen der EU-Institutionen.

Wie soll denn verhindert werden, dass in der EU die Kommission, der Rat, die EZB und der EuGH auch künftig die Liberalisierung des Binnenmarktes weitertreiben, Sozialkahlschlagsprogramme gegen den Willen von Bevölkerung und Regierungen von Mitgliedstaaten durchsetzen, die Kürzungsdiktate durch Maastricht und den Fiskalpakt nicht aufheben oder die sozialen und ökologischen Folgen von CETA, JAFTA & Co völlig außer Acht bleiben?

Und mit welchen konkreten Maßnahmen soll eine Finanzmarktregulierung durchgesetzt werden? Wer stemmt sich gegen die steigenden Rüstungsausgaben durch die Verteidigungsunion? Oder die Schuldenbremse? Das unsolidarische Euro-System, schadet den binnenmarktorientierten Ökonomien im Süden der EU durch Überbewertung und begünstigt die Unterbewertung als Basis für den schädlichen deutschen Export-Nationalismus.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann liefert ein schönes Beispiel für die Realitätsverweigerung vieler "Pro-Europäer" In diesem Interview mit dem Deutschlandfunk. Als Reaktion auf die Gelb-Westen empfiehlt er dem französischen Präsidenten Macron das Deutsche Beispiel der "Sozialpartnerschaft". So als ob Macron nicht genau die "Reformen" durchziehen will, die unter Gerhard Schröder in der Bundesrepublik "sozialpartnerschaftlich" durchgesetzt wurden.

Somit: Es gibt viel berechtigte EU-Kritik, die man gerade in Deutschland im Vorfeld der Wahlen hätte formulieren können. Doch jede Kritik an der EU wird im Keim als „nationalistisch“ erstickt, obwohl die sozialen Sicherungssysteme nach wie vor nationalstaatlich organisiert sind. Bis dies geändert wird, wird noch viel Wasser den Rhein hinabfließen – und den Rechten das Monopol auf EU-Kritik eingeräumt. Bravo!

„Nationale Alleingänge“ werden von den selbst ernannten "Pro-Europäern" abgelehnt. Was ist aber in den Fällen, in denen durch die Rahmenbedingungen der EU vernünftige Maßnahmen nur im nationalen Alleingang möglich sind?. Etwa in Italien, wo dringend benötigte öffentliche Investitionen nur mit einer massiven Konfrontation gegen Brüssel zu haben sind. Oder die Beispiele Frankreich und Österreich, wo Digitalsteuern nur im Alleingang eingeführt werden können, weil unter anderem Irland mit seinen Dumpingsteuern eine gemeinsame Lösung blockiert?  Antieuropäisch? Mitnichten!

Die EU ist in ihren Grundzügen neoliberal. Bisher hat sich im Zweifelsfall in Europa immer die Fraktion der Marktradikalen mit ihrem Dreiklang "Privatisierung, Steuersenkung und Sozialstaatsabbau" durchgesetzt. Wer das ändern will, sollte sich davor hüten die EU bedingungslos zu verteidigen, nur weil AfD & Co die EU ablehnen.

Denn: Die Rechte reibt sich vergnügt die Hände ob ihres Monopols auf EU-Kritik. Und die Profiteure von "Privatisierung, Steuersenkung und Sozialstaatsabbau" sind ebenfalls sehr zufrieden, weil sie sich gemütlich zurücklehnen können und keine gravierenden Veränderungen an den Verhältnissen zu fürchten ist. Prima!

Mit Recht schreibt Attac Österreich in einem Papier zu den EU-Wahlen:

„Die EU ist ein idealer Nährboden für die extreme Rechte. Die jahrelange neoliberale EU-Politik hat zu einem Anstieg an Arbeitslosigkeit, Armut, Unsicherheit und Zukunftsängsten geführt. Die Rechten nutzen diese Verunsicherung und diese Ängste. Durch Ausgrenzung und Schuldzuweisung nach außen geben sie den Menschen einen angeblichen Grund für ihre Situation. Gleichzeitig unterstützen sie aber die neoliberale Wirtschaftspolitik auf nationaler wie auf EU-Ebene. Ein ´Mehr an Europa´ bedeutet in der jetzigen politischen Situation mehr Sicherheitspolitik, Militärunion, verstärkte Wettbewerbspolitik und neoliberale Vertiefung. Das alles hilft den Rechten.“

Dem ist nichts mehr Hinzuzufügen!

Forderungen des DGB

  • Europa. Jetzt aber richtig!“ heißt: Die Menschen müssen im Mittelpunkt der europäischen Politik stehen. Die sozialen Interessen der Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen Vorrang haben vor den Interessen der Unternehmen.
  • Europa. Jetzt aber richtig!“ heißt: Europaweite Standards für gute Arbeitsbedingungen statt Dumping-Wettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten mit prekärer Arbeit und niedrigen Löhnen. Wir brauchen mehr Tarifbindung in ganz Europa und armutsfeste Mindestlöhne in jedem EU-Mitgliedsstaat.
  • „Europa. Jetzt aber richtig!“ heißt: Gleiche Chancen für Frauen und Männer. Wir brauchen eine EU-Gleichstellungsstrategie – und zwar mit ganz konkreten Maßnahmen.
  • „Europa. Jetzt aber richtig!“ heißt: Wir brauchen ein ambitioniertes Programm für Zukunftsinvestitionen für Europa, das Wachstum, Arbeitsplätze, Bildung, Infrastruktur und Wohlstand für alle sichert und fördert. Die Menschen müssen erleben, dass die EU ihr Leben nachhaltig und konkret verbessert.
  • „Europa. Jetzt aber richtig!“ heißt: Die EU muss zum Vorbild für eine faire Globalisierung werden – internationale Standards für Arbeitnehmerrechte, Soziales, Umwelt- und Verbraucherschutz müssen das Geschehen auf den Märkten bestimmen, nicht umgekehrt.

Forderungen: Ein Europa für Alle: Deine Stimme gegen Nationalismus!

Unser Europa der Zukunft...

  • ...verteidigt Humanität und Menschenrechte.
    Statt seine Grenzen zur Festung auszubauen und Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, garantiert es sichere Fluchtwege, das Recht auf Asyl und faire Asylverfahren für Schutzsuchende.
  • ...steht für Demokratie, Vielfalt und Meinungsfreiheit.
    Statt vor allem auf mächtige Wirtschaftslobbys hört es auf die Stimmen seiner Bürger*innen. Es verteidigt den Rechtsstaat, wird demokratischer und gibt dem Europaparlament mehr Einfluss. Es fördert Toleranz und gewährleistet die Vielfalt an Lebensentwürfen, Geschlechtergerechtigkeit, die Freiheit von Kunst, Kultur und Presse sowie eine lebendige Zivilgesellschaft.
  • ...garantiert soziale Gerechtigkeit.
    Statt Privatisierung, Deregulierung und neoliberale Handelsabkommen voranzutreiben, wird es ein Gegengewicht zum massiven Einfluss der Konzerne. Es baut auf Solidarität und sichert Arbeitnehmer*innenrechte. Allen Menschen wird das Recht auf Bildung, Wohnen, medizinische Versorgung und soziale Absicherung sowie ein Leben frei von Armut garantiert. Europa muss hier seiner Verantwortung gerecht werden - bei uns und weltweit.
  • ...treibt einen grundlegenden ökologischen Wandel und die Lösung der Klimakrise voran.
    Statt auf fossile und nukleare Energien setzt es auf erneuerbare Energien. Es ermöglicht eine bäuerliche, klimagerechte Landwirtschaft. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass der Wandel sozial abgefedert und gute Arbeit geschaffen wird.

Wenn dem so wäre, gäbe es die "Gelb-Westen" nicht!

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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