Donald Trump: So was kommt von so was!

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Bundesdeutsche Leitmedien legten sich früh fest. Hillary Clinton solle die Nachfolge Barack Obamas antreten. Der Vorwahlkampf gegen Bernie Sanders - reine Formsache. Der Kandidat der Republikaner – nicht satisfaktionsfähig. Vor der Auszählung war nur die Art des Wahlsieges strittig. Als sich heute Nacht in den Wahlurnen Floridas immer mehr Wahlzettel zugunsten von Donald Trump sammelten, begannen die Gesichter der Protagonisten in den Wahlstudios von ARD und ZDF lang und länger zu werden.

Und als die Wahlmänner der Staaten des „Rust-Belt“ (früher „Manufacturing-Belt), mit den abgewickelten, ehemaligen industriellen Kernen der USA reihenweise an Trump fielen, stellte sich Schockstarre ein. Wie kann so etwas passieren? Tja, wie kann so etwas passieren?

Michael Moore, der mit einem „Oscar“ dekorierte amerikanische Autor und Filmregisseur, beschrieb bereits im Juli präzise (z.B. hier), warum Donald Trump gewinnen wird (Moore sagte auch Trump als Gewinner der Vorwahlen bei den Republikanern voraus). Und er behielt Recht. Warum behielt Michael Moore Recht und die professionellen Politikbeobachter diesseits und jenseits des Atlantiks blamierten sich - wieder einmal?

Vielleicht deshalb, weil Michael Moore nicht in einer Scheinwelt, einer Blase, lebt. Sondern weil er – wie in seinen Filmen – einen schonungslosen, realistischen Blick auf die Lebenswirklichkeit der Menschen sein eigen nennt. In Roger&Me aus dem Jahre 1989 (!) zeigt er die gnadenlosen Auswirkungen der wirtschaftlichen Abläufe, die keinerlei Rücksicht auf Menschen und ihre Schicksale nehmen. Und Unternehmen in dieser Gesellschaftsordnung, die wir Kapitalismus nennen, – bei Strafe ihres Untergangs – auch gar nicht nehmen können. Es ist dies der stumme, unmenschliche "Sachzwang" des "automatischen Subjektes" (Marx), dessen Selbstzweck darin liegt, aus Geld mehr Geld zu machen.

Doch diese Lebenswirklichkeit kommt in den Redaktionsstuben und in mancher Parteizentrale gar nicht mehr vor. „Deutschland geht es gut“ lautet das Mantra der großen Koalition. Jede Kritik an der realen Verfasstheit von Wirtschaft, Gesellschaft und den nationalen wie internationalen Institutionen wird in die extremistische Ecke abgeschoben und abgebügelt. Die eigene Verantwortung für die realen Verhältnisse - zum Beispiel durch die Agenda 2010 - wird beharrlich geleugnet.

Und dann tauchen sie auf: Trump, Le Pen, Strache, Wilders, Farage, Petry oder wie sie alle heißen. Sie bieten einfache Lösungen für komplexe Probleme. „Make America great again“ oder „Deutschland den Deutschen“ oder wie auch immer die Parolen heißen mögen. Sie behaupten, den alten Politikern, dem korrupten »Establishment«, der »abgehobenen politischen Klasse« etc., sei nicht mehr zu trauen. Und stilisieren sich als „Alternative“, so als ob es bloß neuer, ehrenwerter, ehrlicher Politiker_innen bedürfe, die stellvertretend für die Menschen selbst »Politik fürs Volk« machen.

Und es kommt der Joe-Ventura-Effekt hinzu. Michael Moore beschreibt dies so: »Viele [Menschen] gefallen sich in der Rolle des Puppenspielers und wollen einfach mal ausprobieren, wie sich das anfühlt, Trump zu wählen. Wisst ihr noch, wie das in den 1990er-Jahren war, als in Minnesota ein Wrestler zum Gouverneur gewählt wurde?

Die Menschen haben nicht so entschieden, weil sie dumm sind oder dachten, dass Jesse Ventura ein großer Staatsmann oder politischer Intellektueller sei. Sie haben es getan, weil sie es konnten. Minnesota ist einer der klügsten Staaten des Landes. Die Menschen dort haben außerdem einen besonderen schwarzen Humor. Und Ventura zu wählen war ihre Auffassung von einem guten praktischen Scherz, gerichtet auf ein kaputtes politisches System. So wird es auch mit Trump sein«.

Sebastian Müller schreibt heute auf dem Blog "Makroskop" unter der Überschrift: »Trump ist die Quittung« unter anderem: »Trumps Sieg ist der vorläufige Höhepunkt eines Trends in den Postdemokratien des Westens und die Quittung für eine Hybris. Die Quittung für eine transnationale Agenda, die von den politischen Führungseliten jenseits von Transparenz und demokratischer Kontrolle vorangetrieben wird. Eine Agenda, die für eine extreme soziale Ungleichheit, genauso wie für politische Ungleichheit und sinkende Chancengleichheit verantwortlich ist.

Eine Agenda, die aus intransparenten Abkommen, Hinterzimmerpolitik, postnationaler Utopien, Freihandel, Deregulierungen und Privatisierungen besteht. Dass dabei zunehmend an den nationalen Demokratien vorbeiregiert, die Parlamente entmachtet oder durch Lobbyismus das repräsentative Prinzip außer Kraft gesetzt werden – das wird willentlich in Kauf genommen. Es ist eine Agenda, die globale Freiheit und steigenden Wohlstand predigt, aber dabei nicht inklusiv sondern exklusiv wirkt.« Dies ist eine korrekte Beschreibung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation.

Die Lösung? Letztlich hilft nur ein politisches und gesellschaftliches Programm von Gewerkschaften, politischen Parteien und anderen Bewegungen der Subalternen, das die Behebung der grassierenden gesellschaftlichen Ohnmacht (durch gewerkschaftliche Organisierung und Streikmobilisierung, soziale Bewegungsmobilisierung, parteiliche Angebote etc.) in den Mittelpunkt rückt. Kurzum, es bedarf einer Bewegung, die nicht ausgrenzende, kollektiv-solidarische Wege der Wiedererlangung von Handlungsfähigkeit aufzeigt. Hillary Clintons Slogan lautete: „Stronger together“. Sie hätte ihn halt leben sollen.

Oder wie es in der „Internationalen“ heißt:

Es rettet uns kein höh'res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!

Und zwar gemeinsam und zusammen!

Sahra Wagenknecht kommentiert auf facebook:

Um ehrlich zu sein: Allzu sehr überrascht mich dieses Ergebnis nicht. In den USA liegen die mittleren Löhne heute unter dem Niveau von vor 40 Jahren, das Wachstum landet seit Jahrzehnten in den Taschen der oberen Zehntausend, während immer mehr Menschen abgehängt werden. Dass die Menschen sich in dieser Situation nach Veränderung sehnen, ist mehr als nur verständlich.

Die Demokraten hätten den Unzufriedenen mit Bernie Sanders ein Angebot für eine soziale und friedliche Alternative machen können. Sehr wahrscheinlich hätten sie damit einen Präsidenten Trump verhindert. Clinton dagegen war die Kandidatin des Establishments und des "Weiter so", die die Unzufriedenen und Enttäuschten natürlich nicht erreicht hat.

Das Ergebnis der US-Wahl sollte insbesondere der SPD zu denken geben. Ich für meinen Teil werde alles dafür tun, dass wir als Linke im nächsten Jahr ein Programm anbieten, das konsequent sozial ist und kämpferisch Druck macht, für Alternativen zum herrschenden Wahnsinn der etablierten Politik.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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