Wie kam der „Blitzweg“ zu seinem Namen?

Aufruf zum Frühkonzert auf Spiegelslust | Foto: Oberhessische Zeitung, Pfingsten 1879
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  • Aufruf zum Frühkonzert auf Spiegelslust
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Wieder eine kurze Geschichte für diejenigen, die Interesse an Erzählungen aus Marburgs Vergangenheit haben. Eigentlich kann man schon an dem Namen „Blitzweg“ seine Entstehungsgeschichte ableiten. Der Blitzweg ist in Marburg die Straße, die am Ortenberg direkt unterhalb des Kaiser-Wilhelm-Turms gelegen, schnurgerade und steil nach unten vom Waldrand zum Schülerpark führt.

Genauere Informationen erhält man, wenn man in der Akte „Straßenbenennungen“ im Staatsarchiv Marburg nachschaut. Für das Verständnis, für wen diese Straße vor über hundert Jahren im damals noch völlig unbebauten Gelände ein schnelle, „blitzartige“ Verbindung bedeutete, muss man sich in die Bedingungen und das Treiben in Marburg im 19. und Anfang 20. Jahrhundert hineinversetzen.

Der vermögende Student Freiherr von Spiegel hatte nach 1828 die Aussicht auf den Lahnbergen herrichten lassen, indem er dort Bäume fällen ließ. Der Aussichtsplatz wurde nach ihm „Spiegelslust“ benannt. Wie später allen Marburgern hatte ihm die Aussicht auf die Stadt dort oben sehr gefallen. Zudem ließ er zum Schutz einen achteckigen aus Eichenholzsäulen bestehenden Tempel aufstellen. 1876 kam eine Gaststätte hinzu und 1890 der von Spenden aller Marburger errichtete Kaiser-Wilhelm-Turm. Spiegelslust war das Ausflugsziel schlechthin in Marburg.

Nur ein einziges Beispiel soll dies verdeutlichen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts fanden auf Spiegelslust nicht nur sonntäglich vielbesuchte Konzerte statt, sondern die Marburger Stadtkapelle lud sogar manchmal ganz früh alle Bürger der Stadt zu einem Morgenkonzert auf die Lahnberge. Wie die jährlichen Anzeigen in den damaligen Lokalzeitungen es zeigen, war an besonderen Tagen wie Himmelfahrt und 2. Pfingstfeiertag um 5 Uhr morgens (!) das traditionelle Frühkonzert der Stadtkapelle am Spiegel-Tempel die Attraktion. An schönen Tagen machten sich jeweils hunderte Marburger auf den beschwerlichen Weg zum zweihundert Meter über dem Lahntal gelegenen Tempel. Sie wollten hier das Morgenkonzert genießen. Dazu tranken alle – bei mitgebrachter Verpflegung – Kaffee, manchmal auch schon Bopps Bier.

Bis nach 1900 hieß dies: Lange Wanderung hinauf auf den Berg entweder vom Norden der Stadt über Elisabethbrücke oder von Süden her über die Weidenhäuser Brücke. Von Norden her ging der Weg über den Krummbogen und Ortenbergweg nach oben. Von Süden her zog man durch Weidenhausen bis zum Bahnübergang beim Erlenhof und schließlich über den Spiegelslustweg zum Konzertplatz.

Dies änderte sich 1908 zum Vorteil. Nach langem Drängen vieler Bürger ließ die Stadt einen primitiven Holzsteg über die Lahn, nur von Ufer zu Ufer, von der Nordschule (heute Friedrich-Ebert-Schule) zum Schülerpark errichten.

Nun waren die Marburger ganz schnell im Tal. Vom Turm führte ein kleiner, steiler Fußweg hinab. Dieser mündete in die noch steilere geradewegs zum Schülerpark führende neue Straße. Hier gab es einen neuen Bahnübergang mit Schranke. Über die neue Holzbrücke gelangte man danach in der Stadt.

„Wie der Blitz“ kam man dann von oben, dem beliebten Ausflugsziel Spiegelslust, nach unten zurück ins Tal. So hatte es der damalige Stadtrat Binder in der Stadtverordnetenversammlung voller Freude ausgeführt. Dies steht protokollarisch festgehalten in der oben angeführten Akte. Binder war über lange Zeit unablässig für diese Verbindung eingetreten.

Und als der neue steile Weg vom Wald bis an die Bahnschranke einen Namen erhalten sollte, kam anfangs der Vorschlag, die neue Straße „Stadtrat-Binder-Weg“ zu nennen. Doch dies wurde verworfen. Man einigte sich schließlich auf den Namen „Blitzweg“. Jeder Marburger damals wusste um die Begründung für diesen Straßennamen.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Gimbel aus Marburg

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